werden. Du mußt noch mindestens eine Woche bleiben und wie gewohnt deiner Arbeit nachgehen. Dann kündigst du. Ich sage dir Bescheid und lasse dich nachkommen.“
Mary Anne sah ihm forschend ins Gesicht. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt.
„Aber … das wirst du doch auch tun, nicht wahr, Eddie?“ fragte sie. „Du wirst mich nicht vergessen?“
Jetzt grinste er auf seine ungemein charmante Art und nahm das Mädchen rasch noch einmal in die Arme.
„Natürlich nicht, Mary Anne!“ versicherte er ihr im Brustton der Überzeugung. „Aber du mußt warten, bis du etwas von mir hörst, klar? Es kann zwei, drei Wochen dauern, verstehst du? Auf gar keinen Fall darfst du früher deine Arbeit aufgeben. Hast du verstanden?“
Mary Anne nickte eifrig.
„Ich werde warten, Eddie. Ich werde nichts unternehmen, bis ich etwas von dir höre. Und … Eddie … ich … ich werde dir auch treu bleiben!“
Jetzt hatte Eddie wirklich Mühe, ein schallendes Hohngelächter zu unterdrücken.
„Braves Mädchen“, murmelte er. Darm gab er ihr noch einen letzten, zärtlichen Kuß. Dabei war er aber doch beinahe gerührt. Alles war dank ihrer Hilfe so leicht und glatt verlaufen, daß er — gewissermaßen zur Feier des Tages — doch noch kurz mit dem Gedanken spielte, noch einmal mit Mary Anne ins Bett zu gehen. Doch dann erinnerte er sich daran, daß er seiner Frau auch noch eine Kleinigkeit schuldig war.
Er verabschiedete sich deshalb rasch von Mary Anne und kehrte zu seinem Wagen zurück.
Mary Anne blickte ihm besorgt nach, bis er im Fahrstuhl verschwunden war. Zum ersten Mal empfand sie so etwas wie leichtes Unbehagen, das sie jedoch sofort energisch unterdrückte. Nun gab es für sie kein Zurück mehr.
Eddie fuhr um die nächste Straßenecke, und jetzt erst gönnte er sich den Luxus, in schallendes Gelächter auszubrechen. Am liebsten hätte er seinen triumphalen Sieg laut in alle Welt hinausgeschrien.
In weniger als einem Monat würde er ein reicher Mann sein.
Und die arme, liebe, simple Mary Anne würde warten und warten und warten …
Ihr Versprechen, ihm treu bleiben zu wollen, fand er bei der ganzen Sache am lustigsten.
Auf den Gedanken, daß er die arme, liebe, simple Mary, dieses scheue, süße Ding, unterschätzen könnte, kam er natürlich keine Sekunde lang.
Für ihn war die Episode Mary Anne Hawkins schon jetzt abgeschlossen.
4
Genau drei Wochen nach jenem Abend, an dem Sanger der Austeilerin Theresa Carver diesen scharfen Rüffel erteilt hatte, weil sie während der Arbeit mit ihrer Zimmergefährtin gesprochen hatte, begann für das Kasino ‚The Silver Chance‘ eine schier unglaubliche Pechsträhne. Diese Information wurde Sanger natürlich sofort mitgeteilt. Er saß wieder auf seinem hohen Thron inmitten des großen Spielsaales. Die Meldung kam von seinem Stellvertreter.
An zwei Tischen wurde ständig verloren. Am größten waren die Verluste jedoch an Theresa Carvers Tisch.
Sanger beobachtete nun eine ganze Weile die Aktion. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich zur Hälfte auf die Vorgänge am Tisch, zur anderen Hälfte auf die üppigen Kurven der Austeilerin.
Schließlich stieg Sanger von seinem Thron herab, ging zum Tisch hinüber und blieb hinter Theresa stehen.
Der Mann, der fast ständig an diesem Tisch gewann, war ein Spieler, der Sanger irgendwie bekannt vorkam. Das Gesicht dieses Mannes zeigte einen arroganten Ausdruck, als sein Stapel von Chips höher und immer höher wurde.
Sanger zermartete sich das Hirn und strengte sein Gedächtnis aufs äußerste an, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen, wo er dieses Gesicht schon einmal gesehen haben könnte.
Der Blick aus Sangers kalten Augen wanderte ständig zwischen diesem Spieler und Theresa hin und her. Er dachte an die Rothaarige, die man in jener Nacht dabei erwischt hatte, wie sie mit einem sogenannten Agenten zusammengearbeitet hatte. Dies hier könnte vielleicht ein ähnlicher Fall sein, dachte der Manager. Der Spieler könnte mit Theresa im Komplott sein, um das Haus auszuplündern.
Diese Theresa, ein Mädchen von ungewöhnlicher Schönheit, mußte schließlich einen Geliebten haben.
Sanger schnippte mit den Fingern.
Der Spielsaal-Boß tauchte beinahe augenblicklich neben ihm auf. Eine Minute später wurde ein frisches Kartenspiel gebracht.
Sanger übergab es Theresa und studierte aufmerksam die bisher benutzten Karten. Das Muster auf der Rückseite weckte sein besonderes Interesse. Er konnte jedoch nichts Auffälliges feststellen.
Bei den Karten handelte es sich um die Bee-Standardausführung.
Sorgfältig strich Sanger mit den Fingerspitzen über die Kartenränder und suchte nach irgendwelchen winzigen Eindrücken, die vielleicht von Fingernägeln stammen könnten. Er fand nichts dergleichen.
Sanger konzentrierte sich wieder darauf, den Mann scharf zu beobachten, der diese beachtlichen Gewinne erzielte.
Der Mann schien sehr genau zu wissen, wann er noch eine Karte zu kaufen oder wann er zu passen hatte.
Es war beinahe, als wüßte dieser Spieler auch, welche Karte Theresa jeweils als Deckkarte hatte.
Vor allem aber schien er zu wissen, welchen Wert die oberste Karte hatte, noch bevor sie ausgeteilt wurde.
Zufall? Glückssträhne? Berechnung?
Gelegentlich verlor der Mann auch einmal.
Aber das wirkte zu gelegentlich, um Sanger zu gefallen. Könnte Theresa etwas damit zu tun haben?
Ab und zu kam es schon einmal vor, daß Austeilerinnen, die eine besonders glückliche Hand hatten — und das konnte bisher von Theresa weiß Gott behauptet werden! —, plötzlich in eine Pechsträhne hineingerieten.
Und dann hatte natürlich unausweichlich einer der Spieler am Tisch eine geradezu fantastisch anmutende Glückssträhne.
Nun, es gab einen Weg, herauszufinden, wie es sich im vorliegenden Fall verhielt.
„Ich werde Sie gleich ablösen lassen“, murmelte Sanger dicht an Theresas Ohr. „Sie können sich den Rest der Nacht gegen Bezahlung freinehmen.“
Theresas glattes Gesicht verhärtete sich, während sie mit geschickten Fingern weiter die Karten austeilte.
„Mit meinem Austeilen ist doch alles in Ordnung, oder?“ flüsterte sie zurück.
„Natürlich“, versicherte ihr Sanger sofort. „Sie scheinen heute abend lediglich eine Pechsträhne zu haben, das ist alles. Kommt mitunter vor. Und dann ist es eben immer am besten, die Austeilerin abzulösen, bevor die Verluste fürs Haus zu groß werden.“
Sanger winkte eine der jederzeit zur Ablösung bereitstehenden Austeilerinnen an den Tisch heran.
„Falls Sie heute nacht nicht allzu beschäftigt sein sollten, könnte ich Ihnen den Rest der Nacht sehr interessant gestalten“, sagte er leise zu Theresa.
Sie lächelte dünn.
„Aber kaum halb so interessant, wie ich diese Nacht selbst zu gestalten gedenke“, antwortete Theresa.
Sanger beobachtete, wie sich ihre langen, schlanken Beine beim Gehen bewegten, als Theresa nun den Spielsaal verließ. Er überlegte, ob sie wohl für tausend Dollar zu haben sein könnte.
Für Sanger war Geld nur Mittel zum Zweck; er gab es großzügig aus, wenn er sich damit eine Abwechslung verschaffen konnte.
In letzter Zeit wurde sein Verlangen nach dieser Brünetten beinahe zur Besessenheit.
Doch dann konzentrierte er sich wieder auf die Geschehnisse am Spieltisch.
Eine