Zweifelnd, fürchtend, das zu schauen, was vielleicht mein Wahn geboren.
Doch die Nacht blieb undurchbrochen, nur mein Herze fühlt’ ich pochen,
Als ich leis’ das Wort gesprochen: Kam der Gruß wohl von Lenoren?
Drauf das Echo wiederholte, geisterhaft drang mir’s zu Ohren:
Von Lenoren! –
Und zurück ins Zimmer wandte ich den Schritt, mein Herze brannte;
Plötzlich, stärker als zuvor, drang das Pochen mir ins Ohr. –
Sicher, sagt’ ich, hört’ ich’s klopfen, oder waren’s Regentropfen? –
Ich will sehn, warum das Klopfen meine Fenster sich erkor.
Still, mein Herz, hör auf zu klopfen, bis ich diesen Ton beschwor.
Hat der Wind getäuscht mein Ohr?
Rasch das Fenster öffnend, schaute ich ein Ding, vor dem mir graute,
Denn es kam herein ein Rabe, gleich der Nacht, die ihn geboren,
Kam herein so gravitätisch, feierlich, fast majestätisch,
Setzte sich, ein dunkler Fetisch, auf den Thron, den er erkoren:
Auf der Büste einer Pallas, die er sich zum Thron erkoren,
Saß er starr, wie halb erfroren.
Saß wie Ebenholz so dunkel, und der Augen wild Gefunkel,
Das so starr auf mich gerichtet, schien mich glühend zu durchbohren.
Sprach ich da: Von welchem Hügel kommst du, mit zerriss’nem Flügel,
Geisterhafter, grimmer Rabe, kommst du von des Orkus Toren?
Sag, bei welchem finstren Namen nennen dich, die dort verloren?
Leise krächzt er da: Verloren!
Darauf wieder schweigend saß er auf der Büste, bald vergaß er
Dieses Wort, das ich gesprochen, saß, als wie im Traum verloren.
Nicht aufs lei’este sich regend, keine Feder nur bewegend,
Und ich dachte, er wird bleiben, bis der lichte Gang der Horen
Diesen Finstern wird verbannen, bis sich Nacht in Licht verloren.
Wieder krächzt er da: Verloren.
Aufgeschreckt durch dieses Krächzen, durch das leise, heisre Ächzen,
Sprach ich: einzig dies zu sprechen, scheint der Finstre auserkoren.
Ach, vielleicht von einem Dichter, den das Leid verfolgte, spricht er,
Den das Dunkel immer dichter eingehüllt, bis er verloren
Alle süßen Hoffnungslichter, ach von einem, der geboren
Für das Trauerwort: Verloren.
Dieses traurig überdenkend, dann auf ihn die Blicke lenkend,
Sah ich den Geheimnisvollen, mich mit glüh’ndem Aug’ durchbohren.
Ich versank in tiefe Träume, legte auf des Kissens Säume
Meine Stirn: ach diese Räume (sprach ich) sind zum Leid erkoren,
Nimmer wiegen diese Kissen, nimmer, nimmermehr Lenoren,
Nur zum Leid bin ich geboren.
Dunkler von der Nacht umrungen fühlt’ ich sie von Duft durchdrungen,
Ward ein Weihrauchfass geschwungen, unsichtbar? – durch alle Poren
Drang der Duft, – ich rief: Erbarmen haben Engel mit mir Armen,
Hüllen ein in duft’ge Lethe meinen Kummer um Lenoren!
Trink, mein Herz, die duft’ge Lethe, und vergiss, die du verloren.
Wieder krächzt er da: Verloren! –
Ein Prophet wohl ohne Zweifel (rief ich), Vogel, oder Teufel!
Such ein Nachtquartier da draußen in den grünen Sykomoren.
Doch vorher will ich dich fragen, ja vorher sollst du mir sagen,
Sieh, ich fleh’ dir ohne Zagen: werd’ ich wiedersehn Lenoren?
Wiedersehn im fernen Eden, jene süße Maid, Lenoren?
Und der Rabe sprach: Verloren!
Sei dies Wort dein Abschiedszeichen! Vogel, Teufel! du musst weichen!
In des Sturms Umarmung schwing dich, in die Nacht, die dich geboren!
Dir vom nächtigen Gefieder falle keine Feder nieder,
Nimmer, nimmer, stör mich wieder! fort vom Platz, den du erkoren!
Heb hinweg die glüh’nden Augen, die mein Innerstes durchbohren!
Wieder sprach er da: Verloren!
Und so sitzt er, nicht sich regend, keine Feder nur bewegend,
Sitzt, den Blick auf mich gerichtet, scheint mich glühend zu durchbohren.
Und mir ist, als ob er wühle mir im innersten Gefühle.
Denn mein Haupt auf dunklem Pfühle, hat sein Aug’ als Ziel erkoren.
Immer wird sein Schatten dichter, leise spricht er: Von Lenoren,
Die verloren!
*
Luise von Ploennies
Magazin für die Literatur des Auslandes. 52. Band, Juli bis Dezember. Nr. 130, 29. Oktober, S. 519–520
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