niemand mehr, weil sie gestorben oder fortgegangen waren in eine andere grüne Einsamkeit.
Nur die drei Hütten, die noch die Namen der vorigen Zeit trugen, schickten keinen mit der Blende und Spitzhacke zur Arbeit unter Tag. Die schwarze Kreuzfrau trug ihre behäbige Fülle und ihr schwarzes Täschlein noch immer keuchend von Haus zu Haus. Weil ihr Scheitel nun ganz silbern geworden war, dachte sie an einen Feierabend nach ihrem langen Wirken. Das war gegen das Ende hin hart und mühselig geworden. Der schwarze Kreuzmann aber spällte noch immer sein feines trockenes Holz zu Schachteln und versah mit beschaulicher Bedachtsamkeit sein kaum fühlbares Amt als Vorsteher der Waldgemeinde. Der Pechschaber und die beiden Propheten (der ‚kleine‘, der den Erzfund getan hatte, war nun auch schon ein Mann geworden) schleissten Schindeln für die zahlreichen Dächer und deckten diese ein. Der Wildschütz Veit war einmal lange mit verbundener Hand umhergegangen; sie sagten, eine Kugel des Hegers habe ihm die Hand zerschlagen. Er hatte einen steifen Finger behalten, war ein Bergmann geworden und legte Schlingen, wenn es anging. Aber die Arbeit im Berg und die scharfsichtigen Steiger litten kein Umherstreifen auf der Wildfährte. Da nahm er seine Sehnsucht nach dem rauschenden Wald und der gefahrvollen Freiheit der vorigen Zeit mit in den Stollen zum Erzgraben und ward ein bleicher, vermühter Mann wie die anderen alle. Die Pechschaberin hatte im Haus am Stein einen Kramladen aufgetan, denn der Weg nach dem Schachte führte die Bergleute dort vorüber. Seit jener Zeit hatte das Haus am Stein ein neues Schindeldach und einen feinen Kalkbewurf an den Wänden.
Wie die vier Pechschaberleute des Abends einmal beieinander sassen und der Rauch der vielen Schornsteine das Tal erfüllte, da stand der Mann, der einst landfahrend gewesen war, von der Holzbank auf und schaute über das Seine.
„Annemirl,“ sagte er, „das ist nun übrig geblieben von der lustigen vorigen Zeit!“
Da machten sie alle verwunderte Augen; denn es war ein zweideutig Wort, das sie vernommen hatten. Aber nur die Frau hatte es verstanden und dachte, es solle wohl heissen: „Besser ist’s geworden als vordem, aber schöner nicht.“
Dann nahm der Pechschaberbub, der er trotz seiner achtzehn Jahre immer noch geblieben war, die Geige wieder auf und spielte eine wunderliche Weise, wie sie ihm sein Herz hiess: die war wild und träumerisch, die war tosend wie ein Bergwasser und war wie silberner Fall klingenden Mondscheins. Die ging durch das Dorf und war flehende Bitte; die flog über die Dächer und schlug ihren Flug wie ein Adler durch die abendgoldene Luft.
Da wurden die Kinder vor den Türen stille: „Horch, der Girgl vom Stein spielt die Geige!“
Das war die Geige mit dem weichen, vollen Ton, die die Annemirl vor zwanzig Jahren in der brüchigen Wachstuchhülle auf dem Rücken in das Walddorf getragen hatte.
Daran dachte der Pechschaber in dieser Stunde und sah die Frau mit einem langen Blick an. Darüber verklang das Lied des Sohnes wie heimliches Leid um fremde Fernen, verklang wie ungestillte Sehnsucht nach der Fülle des Lebens. Und der Pechschaber deutete mit dem Finger auf das Haar der Frau:
„Annemirl, die Zeit flicht dir die Silberzweiglein in die Scheitel! Weisst du noch, wie wir einmal gerechnet haben? Nun sind die einundzwanzig Jahre gleich vorbei, und das Musikantenpärlein hat sich richtig eingestellt.“
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