Gustav Weil

Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten


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war. Er gieng in den besten Gasthof und ließ sich schöne Kleider machen, dann befahl er dem Wirth ihm ein Zimmer so prächtig als möglich einzurichten. Als es fertig war und der Soldat es bezogen hatte, rief er das schwarze Männchen und sprach „ich habe dem König treu gedient, er aber hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen, dafür will ich jetzt Rache nehmen.“ „Was soll ich thun?“ fragte der Kleine. „Spät Abends wenn die Königstochter im Bett liegt, so bring sie schlafend hierher, sie soll Mägdedienste bei mir thun.“ Das Männchen sprach „für mich ist das ein leichtes, für dich aber ein gefährliches Ding, wenn das heraus kommt, wird es dir schlimm ergehen.“ Als es zwölf geschlagen hatte, sprang die Thüre auf, und das Männchen trug die Königstochter herein. „Aha, bist du da?“ rief der Soldat, „frisch an die Arbeit! geh, hol den Besen und kehr die Stube.“ Als sie fertig war, hieß er sie zu seinem Sessel kommen, streckte ihr die Füße entgegen und sprach „zieh mir die Stiefel aus,“ warf sie ihr dann ins Gesicht, und sie mußte sie aufheben, reinigen und glänzend machen. Sie that aber alles, was er ihr befahl, ohne Widerstreben, stumm und mit halbgeschlossenen Augen. Bei dem ersten Hahnschrei trug sie das Männchen wieder in das königliche Schloß und in ihr Bett zurück.

      Am andern Morgen, als die Königstochter aufgestanden war, gieng sie zu ihrem Vater, und erzählte ihm sie hätte einen wunderlichen Traum gehabt, „ich ward durch die Straßen mit Blitzesschnelle fortgetragen und in das Zimmer eines Soldaten gebracht, dem mußte ich als Magd dienen und aufwarten und alle gemeine Arbeit thun, die Stube kehren und die Stiefel putzen. Es war nur ein Traum, und doch bin ich so müde, als wenn ich wirklich alles gethan hätte.“ „Der Traum könnte wahr gewesen sein,“ sprach der König, „ich will dir einen Rath geben, stecke deine Tasche voll Erbsen und mache ein klein Loch in die Tasche, wirst du wieder abgeholt, so fallen sie heraus und lassen die Spur auf der Straße.“ Als der König so sprach, stand das Männchen unsichtbar dabei und hörte alles mit an. Nachts, als es die schlafende Königstochter wieder durch die Straßen trug, fielen zwar einzelne Erbsen aus der Tasche, aber sie konnten keine Spur machen, denn das listige Männchen hatte vorher in allen Straßen Erbsen verstreut. Die Königstochter aber mußte wieder bis zum Hahnenschrei Mägdedienste thun.

      Der König schickte am folgenden Morgen seine Leute aus, welche die Spur suchen sollten, aber es war vergeblich, denn in allen Straßen saßen die armen Kinder und lasen Erbsen auf und sagten „es hat heut Nacht Erbsen geregnet.“ „Wir müssen etwas anderes aussinnen,“ sprach der König, „behalt deine Schuh an, wenn du dich zu Bett legst, und ehe du von dort zurück kehrst, verstecke einen davon; ich will ihn schon finden.“ Das schwarze Männchen vernahm den Anschlag, und als der Soldat Abends verlangte er sollte die Königstochter wieder herbei tragen, rieth es ihm ab und sagte gegen diese List wüßte es kein Mittel, und wenn der Schuh bei ihm gefunden würde, so könnte es ihm schlimm ergehen. „Thue was ich dir sage“ erwiderte der Soldat, und die Königstochter mußte auch in der dritten Nacht wie eine Magd arbeiten; sie versteckte aber, ehe sie zurückgetragen wurde, einen Schuh unter das Bett.

      Am andern Morgen ließ der König in der ganzen Stadt den Schuh seiner Tochter suchen: er ward bei dem Soldaten gefunden, und der Soldat selbst, der sich auf Bitten des Kleinen zum Thor hinaus gemacht hatte, ward bald eingeholt und ins Gefängnis geworfen. Er hatte sein Bestes bei der Flucht vergessen, das blaue Licht und das Gold, und hatte nur noch einen Dukaten in der Tasche. Als er nun mit Ketten belastet an dem Fenster seines Gefängnisses stand, sah er einen seiner Kameraden vorbeigehen. Er klopfte an die Scheibe, und als er herbeikam, sagte er „sei so gut und hol mir das kleine Bündelchen, das ich in dem Gasthaus habe liegen lassen, ich gebe dir dafür einen Dukaten.“ Der Kamerad lief hin, und brachte ihm das Verlangte. Sobald der Soldat wieder allein war, steckte er seine Pfeife an und ließ das schwarze Männchen kommen. „Sei ohne Furcht,“ sprach es zu seinem Herrn, „geh hin wo sie dich hinführen und laß alles geschehen, nimm nur das blaue Licht mit.“ Am anderen Tag ward Gericht über den Soldaten gehalten, und obgleich er nichts Böses gethan hatte, verurtheilte ihn der Richter doch zum Tode. Als er nun hinaus geführt wurde, bat er den König um eine letzte Gnade. „Was für eine?“ fragte der König. „Daß ich auf dem Weg noch eine Pfeife rauchen darf.“ „Du kannst drei rauchen,“ antwortete der König, „aber glaube nicht daß ich dir das Leben schenke.“ Da zog der Soldat seine Pfeife heraus und zündete sie an dem blauen Licht an, und wie ein paar Ringel von Rauch aufgestiegen waren, so stand schon das Männchen da, hatte einen kleinen Knüppel in der Hand und sprach „was befiehlt mein Herr?“ „Schlag mir da die falschen Richter und ihre Häscher zu Boden, und verschone auch den König nicht, der mich so schlecht behandelt hat.“ Da fuhr das Männchen wie der Blitz, zickzack, hin und her, und wen es mit seinem Knüppel nur anrührte, der fiel schon zu Boden, und getraute sich nicht mehr zu regen. Dem König ward angst, er legte sich auf das Bitten und um nur das Leben zu behalten gab er dem Soldat das Reich und seine Tochter zur Frau.

      Der Königssohn der sich vor nichts fürchtet

      (Brüder Grimm)

       Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein Königssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus, und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er „ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang, und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.“ Also nahm er von seinen Eltern Abschied und gieng fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei wo hinaus ihn der Weg führte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er müde war, setzte er sich vor die Thüre und ruhte. Und als er seine Augen so hin und her gehen ließ, sah er auf dem Hof des Riesen Spielwerk liegen: das waren ein paar mächtige Kugeln und Kegel so groß als ein Mensch. Über ein Weilchen bekam er Lust, stellte die Kegel auf und schob mit den Kugeln danach, schrie und rief wenn die Kegel fielen, und war guter Dinge. Der Riese hörte den Lärm, streckte seinen Kopf zum Fenster heraus und erblickte einen Menschen, der nicht größer war als andere, und doch mit seinen Kegeln spielte. „Würmchen,“ rief er, „was kegelst du mit meinen Kegeln? wer hat dir die Stärke dazu gegeben?“ Der Königssohn schaute auf, sah den Riesen an und sprach „o du Klotz, du meinst wohl, du hättest allein starke Arme? ich kann alles, wozu ich Lust habe.“ Der Riese kam herab, sah dem Kegeln ganz verwundert zu und sprach „Menschenkind, wenn du der Art bist, so geh und hol mir einen Apfel vom Baum des Lebens.“ „Was willst du damit?“ sprach der Königssohn. „Ich will den Apfel nicht für mich,“ antwortete der Riese, „aber ich habe eine Braut, die verlangt danach; ich bin weit in der Welt umher gegangen und kann den Baum nicht finden.“ „Ich will ihn schon finden,“ sagte der Königssohn, „und ich weiß nicht was mich abhalten soll, den Apfel herunter zu holen.“ Der Riese sprach „du meinst wohl das wäre so leicht? der Garten, worin der Baum steht, ist von einem eisernen Gitter umgeben, und vor dem Gitter liegen wilde Thiere, eins neben dem andern, die halten Wache und lassen keinen Menschen hinein.“ „Mich werden sie schon einlassen,“ sagte der Königssohn. „Ja, gelangst du auch in den Garten und siehst den Apfel am Baum hängen, so ist er doch noch nicht dein: es hängt ein Ring davor, durch den muß einer die Hand stecken, wenn er den Apfel erreichen und abbrechen will, und das ist noch keinem geglückt.“ „Mir solls schon glücken,“ sprach der Königssohn.

      Da nahm er Abschied von dem Riesen, gieng fort über Berg und Thal, durch Felder und Wälder, bis er endlich den Wundergarten fand. Die Thiere lagen rings herum, aber sie hatten die Köpfe gesenkt und schliefen. Sie erwachten auch nicht, als er heran kam, sondern er trat über sie weg, stieg über das Gitter und kam glücklich in den Garten. Da stand mitten inne der Baum des Lebens, und die rothen Äpfel leuchteten an den Ästen. Er kletterte an dem Stamm in die Höhe, und wie er nach einem Apfel reichen wollte, sah er einen Ring davor hängen, aber er steckte seine Hand ohne Mühe hindurch und brach den Apfel. Der Ring schloß sich fest an seinen Arm und er fühlte wie auf einmal eine gewaltige Kraft