getragen; denk dir, als ich müde war, hat er mich selbst noch auf den Rücken genommen. Der Weg ist uns auch gar nicht lang geworden, wir sind lustig gewesen und haben immer Spaß miteinander gemacht.“ Endlich rutschte die Alte herab, nahm dem jungen Mann den Bündel vom Rücken und die Körbe vom Arm, sah ihn ganz freundlich an und sprach „nun setzt euch auf die Bank vor die Thüre und ruht euch aus. Ihr habt euern Lohn redlich verdient, der soll auch nicht ausbleiben.“ Dann sprach sie zu der Gänsehirtin „geh du ins Haus hinein, mein Töchterchen, es schickt sich nicht daß du mit einem jungen Herrn allein bist, man muß nicht Öl ins Feuer gießen; er könnte sich in dich verlieben.“ Der Graf wußte nicht ob er weinen oder lachen sollte. „Solch ein Schätzchen,“ dachte er, „und wenn es dreißig Jahre jünger wäre, könnte doch mein Herz nicht rühren.“ Indessen hätschelte und streichelte die Alte ihre Gänse wie Kinder und gieng dann mit ihrer Tochter in das Haus. Der Jüngling streckte sich auf die Bank unter einem wilden Apfelbaum. Die Luft war lau und mild: rings umher breitete sich eine grüne Wiese aus, die mit Himmelsschlüsseln, wildem Thymian und tausend andern Blumen übersät war: mitten durch rauschte ein klarer Bach, auf dem die Sonne glitzerte: und die weißen Gänse giengen auf und ab spazieren oder pudelten sich im Wasser. „Es ist recht lieblich hier,“ sagte er, „aber ich bin so müde, daß ich die Augen nicht aufbehalten mag: ich will ein wenig schlafen. Wenn nur kein Windstoß kommt und bläst mir meine Beine vom Leib weg, denn sie sind mürb wie Zunder.“
Als er ein Weilchen geschlafen hatte, kam die Alte, und schüttelte ihn wach. „Steh auf,“ sagte sie, „hier kannst du nicht bleiben. Freilich habe ich dirs sauer genug gemacht, aber das Leben hats doch nicht gekostet. Jetzt will ich dir deinen Lohn geben, Geld und Gut brauchst du nicht, da hast du etwas anderes.“ Damit steckte sie ihm ein Büchslein in die Hand, das aus einem einzigen Smaragd geschnitten war. „Bewahrs wohl,“ setzte sie hinzu, „es wird dir Glück bringen.“ Der Graf sprang auf, und da er fühlte daß er ganz frisch und wieder bei Kräften war, so dankte er der Alten für ihr Geschenk und machte sich auf den Weg ohne nach dem schönen Töchterchen auch nur einmal umzublicken. Als er schon eine Strecke weg war, hörte er noch aus der Ferne das lustige Geschrei der Gänse.
Der Graf mußte drei Tage in der Wildnis herum irren, ehe er sich heraus finden konnte. Da kam er in eine große Stadt, und weil ihn niemand kannte, ward er in das königliche Schloß geführt, wo der König und die Königin auf dem Thron saßen. Der Graf ließ sich auf ein Knie nieder, zog das smaragdene Gefäß aus der Tasche und legte es der Königin zu Füßen. Sie hieß ihn aufstehen und er mußte ihr das Büchslein hinauf reichen. Kaum aber hatte sie es geöffnet und hinein geblickt, so fiel sie wie todt zur Erde. Der Graf ward von den Dienern des Königs festgehalten und sollte in das Gefängnis geführt werden, da schlug die Königin die Augen auf und rief sie sollten ihn frei lassen, und jedermann sollte hinaus gehen, sie wollte insgeheim mit ihm reden.
Als die Königin allein war, fieng sie bitterlich an zu weinen und sprach „was hilft mir Glanz und Ehre, die mich umgeben, jeden Morgen erwache ich mit Sorgen und Kummer. Ich habe drei Töchter gehabt, davon war die jüngste so schön, daß sie alle Welt für ein Wunder hielt. Sie war so weiß wie Schnee, so roth wie Apfelblüthe, und ihr Haar so glänzend wie Sonnenstrahlen. Wenn sie weinte so fielen nicht Thränen aus ihren Augen, sondern lauter Perlen und Edelsteine. Als sie fünfzehn Jahr alt war, da ließ der König alle drei Schwestern vor seinen Thron kommen. Da hättet ihr sehen sollen was die Leute für Augen machten, als die jüngste eintrat, es war als wenn die Sonne aufgieng. Der König sprach „meine Töchter, ich weiß nicht wann mein letzter Tag kommt, ich will heute bestimmen was eine jede nach meinem Tode erhalten soll. Ihr alle habt mich lieb, aber welche mich von euch am liebsten hat, die soll das beste haben.“ Jede sagte sie hätte ihn am liebsten. „Könnt ihr mirs nicht ausdrücken,“ erwiederte der König, „wie lieb ihr mich habt? daran werde ichs sehen wie ihrs meint.“ Die älteste sprach „ich habe den Vater so lieb wie den süßesten Zucker.“ Die zweite „ich habe den Vater so lieb wie mein schönstes Kleid.“ Die jüngste aber schwieg. Da fragte der Vater „und du, mein liebstes Kind, wie lieb hast du mich?“ „Ich weiß es nicht,“ antwortete sie, „und kann meine Liebe mit nichts vergleichen.“ Aber der Vater bestand darauf, sie müßte etwas nennen. Da sagte sie endlich „die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, darum habe ich den Vater so lieb wie Salz.“ Als der König das hörte, gerieth er in Zorn und sprach „wenn du mich so liebst als Salz, so soll deine Liebe auch mit Salz belohnt werden.“ Da theilte er das Reich zwischen den beiden ältesten, der jüngsten aber ließ er einen Sack mit Salz auf den Rücken binden, und zwei Knechte mußten sie hinaus in den wilden Wald führen. „Wir haben alle für sie gefleht und gebeten,“ sagte die Königin, „aber der Zorn des Königs war nicht zu erweichen. Wie hat sie geweint, als sie uns verlassen mußte! der ganze Weg ist mit Perlen besät worden, die ihr aus den Augen geflossen sind. Den König hat bald hernach seine große Härte gereut und hat das arme Kind in dem ganzen Wald suchen lassen, aber niemand konnte sie finden. Wenn ich denke daß sie die wilden Thiere gefressen haben, so weiß ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; manchmal tröste ich mich mit der Hoffnung, sie sei noch am Leben und habe sich in einer Höhle versteckt oder bei mitleidigen Menschen Schutz gefunden. Aber stellt euch vor, als ich euer Smaragdbüchslein aufmachte, so lag eine Perle darin, gerade der Art, wie sie meiner Tochter aus den Augen geflossen sind, und da könnt ihr euch vorstellen wie mir der Anblick das Herz bewegt hat. Ihr sollt mir sagen wie ihr zu der Perle gekommen seid.“ Der Graf erzählte ihr daß er sie von der Alten im Walde erhalten hätte, die ihm nicht geheuer vorgekommen wäre, und eine Hexe sein müßte; von ihrem Kinde aber hätte er nichts gehört und gesehen. Der König und die Königin faßten den Entschluß die Alte aufzusuchen; sie dachten, wo die Perle gewesen wäre, da müßten sie auch Nachricht von ihrer Tochter finden.
Die Alte saß draußen in der Einöde bei ihrem Spinnrad und spann. Es war schon dunkel geworden, und ein Span, der unten am Herd brannte, gab ein sparsames Licht. Auf einmal wards draußen laut, die Gänse kamen heim von der Weide und ließen ihr heiseres Gekreisch hören. Bald hernach trat auch die Tochter herein. Aber die Alte dankte ihr kaum und schüttelte nur ein wenig mit dem Kopf. Die Tochter setzte sich zu ihr nieder, nahm ihr Spinnrad und drehte den Faden so flink wie ein junges Mädchen. So saßen beide zwei Stunden, und sprachen kein Wort mit einander. Endlich raschelte etwas am Fenster und zwei feurige Augen glotzten herein. Es war eine alte Nachteule, die dreimal uhu schrie. Die Alte schaute nur ein wenig in die Höhe, dann sprach sie „jetzt ists Zeit, Töchterchen, daß du hinaus gehst, thu deine Arbeit.“
Sie stand auf und gieng hinaus. „Wo ist sie denn hingegangen?“ über die Wiesen immer weiter bis in das Thal. Endlich kam sie zu einem Brunnen, bei dem drei alte Eichbäume standen. Der Mond war indessen rund und groß über dem Berg aufgestiegen, und es war so hell, daß man eine Stecknadel hätte finden können. Sie zog eine Haut ab, die auf ihrem Gesicht lag, bückte sich dann zu dem Brunnen und fieng an sich zu waschen. Als sie fertig war, tauchte sie auch die Haut in das Wasser, und legte sie dann auf die Wiese, damit sie wieder im Mondschein bleichen und trocknen sollte. Aber wie war das Mädchen verwandelt! So was habt ihr nie gesehen! Als der graue Zopf abfiel, da quollen die goldenen Haare wie Sonnenstrahlen hervor und breiteten sich, als wärs ein Mantel, über ihre ganze Gestalt. Nur die Augen blitzten heraus so glänzend wie die Sterne am Himmel, und die Wangen schimmerten in sanfter Röthe wie die Äpfelblüthe.
Aber das schöne Mädchen war traurig. Es setzte sich nieder und weinte bitterlich. Eine Thräne nach der andern drang aus seinen Augen und rollte zwischen den langen Haaren auf den Boden. So saß es da und wäre lange sitzen geblieben, wenn es nicht in den Ästen des nahestehenden Baumes geknittert und gerauscht hätte. Sie sprang auf wie ein Reh, das den Schuß des Jägers vernimmt. Der Mond ward gerade von einer schwarzen Wolke bedeckt, und im Augenblick war das Mädchen wieder in die alte Haut geschlüpft, und verschwand wie ein Licht, das der Wind ausbläst.
Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zurück. Die Alte stand vor der Thüre, und das Mädchen wollte ihr erzählen was ihm begegnet war, aber die Alte lachte freundlich und sagte „ich weiß schon alles.“ Sie führte es in die Stube und zündete einen neuen Span an. Aber sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie holte einen