Land, es wird ihm nichts geschehen, denn die Barone, welche jetzt mit Dir Krieg führen wollen, werden so viel zu tun haben, daß sie nicht daran denken können, Dein Land zu bekriegen, außer daß sie Dich angreifen werden im Vorbeigehen, wenn Du auf dem Wege nach dem Festland sein wirst; doch sollen sie auch da keinen Vorteil finden. Ehe Du aber ziehst, versorge Deine Hauptstädte und die festen Burgen mit Nahrungsmitteln, mit Kriegsleuten und allem, was zur Gegenwehr notwendig ist. Und dem Erzbischof von Brice trage auf, daß er alle die excommuniziere, die dem Lande auf irgend eine Weise schaden oder als Feinde begegnen, und daß er gleich diesen Abend anfange, die Fürsten und Barone mit dieser Excommunication zu belegen, und so muß es die Geistlichkeit in jeder Stadt und an jedem Ort, alle Tage wiederholen. Du sollst sehen, daß auch die frechsten Deiner Feinde davon erschreckt und vom Kriege abgeschreckt sein werden. Auch will ich zu jeder Zeit und bei allen Gelegenheiten Dir zu Hilfe sein und Dich niemals verlassen, wo Du Dich auch aufhalten magst.«
König Artus dankte dem Merlin sehr, nachdem er aufmerksam alle Worte vernommen. Hierauf überreichte Merlin ihm eine Fahne von großer Bedeutung; es war ein eherner Drache darin, der helles Feuer auszuspeien schien; sein Schwanz, gleichfalls von Erz, war ungeheuer lang und dick und wand sich in vielen Krümmungen. Kein Mensch wußte, wo Merlin diese Fahne herbekommen. Artus nahm den Drachen an und überreichte ihn dem Lreux, seinem Seneschall, daß er ihn ihm selber vorantrage, mit dem Bedeuten, daß er auf Lebenszeit Fahnenträger im Königreiche London sei.
Lreux war ein tapfrer Ritter und von allen wohl geehrt, hielt sich auch bei allen Fehden und in den Schlachten mutig und tapfer, nur daß er den Fehler hatte, sehr verdrießlich und langweilig zu sprechen; und wegen dieses Fehlers flohen alle Ritter seine Gesellschaft und verspotteten ihn. Wer ihn kannte, der ließ sich seine törichten Reden nicht verdrießen, weil er im Herzen eigentlich niemand übel wollte oder zu schaden suchte, aber er sprach bloß aus Gewohnheit töricht; so daß, wenn er zu reden anfing, er nicht recht wußte, was er eigentlich sagen wollte, sondern so allerlei sprach, bis irgend ein verkehrtes Wort ihm entfiel, man über ihn lachte, und ihn stehen ließ. Diesen seltsamen Fehler ausgenommen, war er von den besten Sitten; er hatte ihn sicher nicht von seiner Mutter, der artigsten und verständigsten Frau von der Welt, sondern von der Amme, welcher er überlassen war, um Artus desto besser zu erziehen. Da von hier an Merlin nicht weiter bedeutend vorkommt, als daß er dem Artus beständig in allen Schlachten zum Siege verhilft, übergehen wir hier den größten Teil des Originals um so mehr, da dies alles in dem Roman vom König Artus, den wir in der Folge zu geben gedenken, besser und ausführlicher stattfindet.
XXXIII. Über den Wald von Briogne, den Ritter Dionas und seine Tochter Nynianne, die von Merlin allerhand Künste lernte
In einem Tal, von Bergen rings umschlossen, bei dem Wald von Briogne, lag ein schönes, mit großer Pracht erbautes Haus; dieses Haus bewohnte eine Jungfrau von hoher Schönheit; sie war die Tochter eines vornehmen Herrn, eines Afterlehnsmanns von sehr hoher Abkunft, er hieß Dionas. Diesen Namen erhielt er von der Syrene von Sizilien, Diana, die seine Patin war, und so wurde er Dionas genannt wegen ihres Namens Diana. Ehe sie sich von ihrem Patenkind trennte, begabte sie ihn mit vielen Gütern und Reichtümern und mit vielen glücklichen Gaben, denn sie war die Göttin des Meeres und war sehr mächtig, hielt auch dem Dionas Zeit seines Lebens alles, was sie ihm versprochen. Auf ihr Verlangen ward von den Göttern über ihn beschlossen, daß sein erstes Kind, eine Tochter, mit aller Anmut und Schönheit begabt sein und von dem zu ihrer Zeit weisesten aller Menschen geliebt werden solle; er werde zur Zeit des Vortigern, Königs von Nieder-Bretagne, leben und die Liebe dieses Mannes zu ihr sei ewig, und erreiche nie ein Ende; wo er sich auch befinden mag, solle das Andenken an diese Jungfrau ihn immerfort begleiten. Er solle ihr auch die Kunst der Zauberei lernen und viele andere geheime Wissenschaften, denn nie könne er ihr irgend eine Bitte oder Begehren versagen: was sie von ihm verlange, das werde er tun.
Als Dionas nun aufwuchs und von wunderbarer Schönheit war, auch ein tapfrer und in den Waffen wohlgeübter Ritter, ging er in Dienst der Frau Herzogin von Burgund. Diese war so sehr mit seinem Betragen zufrieden und ehrte ihn so hoch um seiner Taten und seiner adligen Sitten willen, daß sie ihm eine ihrer Nichten zur Gemahlin gab; ein junges, sehr schönes und sehr wohlerzogenes Fräulein. Er bekam auch nebst vielen schönen und reichen Gütern mit diesem Fräulein die Hälfte des Waldes von Briogne, vom Herzog von Burgund. Die andre Hälfte des Waldes gehörte dem König Ban von Benoic, welcher nachmals neben König Beors, den König Artus auf seinem Zug zum König Leodagan begleitete, und ihm in allen Schlachten und Kriegen beistand. Unter allen Ländern und Besitzungen gefiel dem Dionas dieser Wald von Briogne am allermeisten, denn er liebte über die Maßen die Jagd und das Vergnügen im Walde, so wie auch das Fischen und die Ergötzlichkeit auf dem Wasser. Nun war in dem Wald ein Überfluß von allerhand Wild, Rehen, Hirschen und Hasen, auch an wilden Schweinen war kein Mangel; desgleichen lag ein großer See in diesem Wald, worin sich eine Menge der schönsten Fische befanden. An diesem See, so recht mitten im Wald, ließ Dionas sich nun ein sehr schönes, reiches und bequemes Haus erbauen und wohnte darin mit seiner schönen Gemahlin aufs höchste vergnügt und von allen seinen Lieblingsergötzlichkeiten umgeben. Doch begab er sich auch oftmals an den Hof des Königs Ban und war beständig bereit, ihm zu dienen nebst zehn gewaffneten Rittern, die ehrenvoll in seinem Gefolge waren. König Ban wie auch König Beors hielten den Dionas sehr hoch und ehrten ihn, um seiner Tapferkeit und seines ritterlichen Betragens willen, auch weil er ihnen schon manchen guten Dienst geleistet und ihnen in ihrer Fehde gegen den König Klaudas wie auch in andern Fehden sehr tapfer beigestanden. Um ihm ihre Erkenntlichkeit zu beweisen, schenkte König Ban ihm die andre Hälfte des geliebten Waldes; auch König Beors gab ihm reiche Geschenke an Ländereien, guten Städten, festen Schlössern und Dörfern; beschenkten ihn überhaupt und liebten ihn dermaßen, daß er einer der mächtigsten im Reiche wurde, und es ihm, so lange er lebte, an nichts mangelte, was ein Mensch zu seinem Vergnügen und zu seiner Ergötzlichkeit sich nur wünschen mag.
Seine Gemahlin kam mit einer Tochter nieder, die den Namen Nynianne in der Taufe erhielt. Dies ist ein chaldäischer Name, der in unsrer Sprache so viel bedeutet wie: das tu' ich nicht. Die Bedeutung dieses Namens ging auf Merlin, so wie man im Verfolg dieser Geschichte erfahren wird; denn sie war so klug und verständig, daß sie sich wohl vor Betrug zu hüten wußte.
Nynianne war zweiundzwanzig Jahre alt, als Merlin durch den Wald Briogne kam, er hatte auf diesem Weg die Gestalt eines jungen schönen Edelknechts. Als er nun durch den Wald ging, kam er an eine sehr schöne Quelle, die so klar über den feinen weißen Sand hinrieselte, daß es schien, der Grund sei vom feinsten Silber. Jeden Tag kam Nynianne an diese schöne klare Quelle, zu ihrem Ergötzen und angenehmen Zeitvertreib. Merlin fand sie am Rande der Quelle sitzend, und sie dünkte ihm von solch göttlichen Schönheit, daß er ganz betroffen stehen blieb und nicht weiter konnte; er sah sie unverwandt an, und es war ihm immer, als hätte er ihr etwas zu sagen. Er dachte zwar bei sich selber, er dürfe nicht um der Schönheit einer Frau willen von Sinnen kommen und kein Vergnügen dieser Art begehren, auch kein Verlangen nach dem Leibe eines Weibes tragen, um nicht den Zorn Gottes auf sich zu laden; er sagte sich dies alles zwar selbst, doch konnte er es nicht lassen, sie höflich zu begrüßen. Die Dame grüßte ihn wieder auf eine wohlgesittete feine Weise und sagte: »Ihr habt Euch lang auf etwas bedacht, das ich zwar nicht kenne, Gott aber möge Euch den Willen verleihen, alles zu Eurem Besten zu tun.« Als nun Merlin sie so freundlich sprechen hörte, konnte er nicht anders, er mußte sich zu ihr an den Rand der Quelle setzen und sie nach ihrem Namen fragen. »Ich bin die Tochter eines Edelmannes hier in der Nähe«, sagte sie; »aber wer seid Ihr?« – »Ich bin ein fahrender Edelknecht«, antwortete Merlin, »ich suche meinen Meister, der mich eine sehr schätzenswerte Kunst lehrte.« – »Welch eine Kunst ist dies?« fragte die Jungfrau. »Ach, er lehrte mich, wo es mir gefiele, sogleich ein Schloß sich erheben zu lassen, mit vielen Gewaffneten darin, und solche von außen, die es belagern. Auch kann ich auf dem Wasser gehen, ohne mir die Sohlen zu benetzen; kann einen Fluß entstehen lassen, an einem Ort, wo niemals einer war.« – »Nun sicher«, sagte die Jungfrau, »ich wollte wohl viel von dem meinigen dafür geben, um einen Teil dieser Spiele zu verstehen.« – »Noch mehrere, weit schönere weiß