die mächtige Fee mitten unter ihrem Zaubergerät; aber da wird, von ihren kleinen weißen Fingern berührt, jede Spitze zum Liebesnetz, jedes Band, das sie nestelt, zur Schlinge, in der ihr euch verfangt. Und in ihren Augen spiegelt sich alle entzückende Liebestorheit und erkennt sich selbst und hat an sich selbst herzinnigliche Freude. Ihr hört eure Seufzer aus der innersten Brust der Holden widertönen, aber leise und lieblich, wie die sehnsüchtige Echo den Geliebten ruft aus den fernen magischen Bergen. Da gilt nicht Rang, nicht Stand; dem reichen Prinzen, dem armen Schauspieler ist das kleine Gemach der anmutigen Circe das blumige blühende Arkadien in der unwirtbaren Wüste seines Lebens, in das er sich hineinrettet. Und wächst auch unter den schönen Blumen dieses Arkadiens etwas Schlangenkraut, was tut’s? es gehört zu der verführerischen Gattung, die herrlich blüht und noch schöner duftet –“ „O ja“, unterbrach Giglio Giacinten, „o ja, und aus der Blüte selbst fährt das Tierlein, dessen Namen das schön blühende und duftende Kraut trägt und sticht plötzlich mit der Zunge, wie mit spitzer Nähnadel“ – „Jedesmal“, nahm Giacinta wieder das Wort, „wenn irgendein fremder Mann, der nicht hineingehört in das Arkadien, tölpisch mit der Nase zufährt.“ „Schön gesagt“, fuhr Giglio ganz Ärger und Ingrimm fort, „schön gesagt, meine holde Giacinta! Ich muß überhaupt gestehen, daß du in der Zeit, während der ich dich nicht sah, auf wunderbare Art klug geworden bist. Du philosophierst über dich selbst auf eine Weise, die mich in Erstaunen setzt. Wahrscheinlich gefällst du dir ganz ungemein als zauberische Circe in dem reizenden Arkadien deines Dachstübchens, das der Schneidermeister Bescapi mit nötiger Zaubergerätschaft zu versehen nicht unterläßt.“ „Es mag“, sprach Giacinta sehr gelassen weiter, „es mag mir ganz so gehen, wie dir. Auch ich habe allerlei hübsche Träume gehabt. – Doch, mein guter Giglio, alles was ich da von dem Wesen einer hübschen Putzmacherin gesprochen, nimm es wenigstens halb und halb für Scherz, für schälkische Neckerei und beziehe es um so weniger auf mich selbst, als dies hier vielleicht meine letzte Putzarbeit ist. – Erschrick nicht, mein guter Giglio! aber sehr leicht ist es möglich, daß ich am letzten Tage des Karnevals dies dürftige Kleid mit einem Purpurmantel, diesen kleinen Schemel mit einem Thron vertausche!“ – „Himmel und Hölle“, schrie Giglio, indem er heftig aufsprang, die geballte Faust an der Stirn, „Himmel und Hölle! Tod und Verderben! So ist es wahr, was jener heuchlerische Bösewicht mir ins Ohr raunte? – Ha! öffne dich, flammenspeiender Abgrund des Orkus! Steigt herauf, schwarzgefiederte Geister des Acheron! – Genug!“ – Giglio verfiel in den gräßlichen Verzweiflungsmonolog irgendeines Trauerspiels des Abbate Chiari. Giacinta hatte diesen. Monolog, den ihr Giglio sonst hundertfältig vordeklamiert, bis auf den kleinsten Vers im Gedächtnis und soufflierte, ohne von der Arbeit aufzusehen, dem verzweifelnden Geliebten jedes Wort, wenn er hie und da ins Stocken geraten wollte. Zuletzt zog er den Dolch, stieß ihn sich in die Brust, sank hin, daß das Zimmer dröhnte, stand wieder auf, klopfte sich den Staub ab, wischte sich den Schweiß von der Stirne, fragte lächelnd: „Nicht wahr, Giacinta, das bewährt den Meister?“ „Allerdings“, erwiderte Giacinta, ohne sich zu rühren, „allerdings. Du hast vortrefflich tragiert, guter Giglio; aber nun wollen wir, dächt ich, uns zu Tische setzen.“
Die alte Beatrice hatte indessen den Tisch gedeckt, ein paar herrlich duftende Schüsseln aufgetragen und die geheimnisvolle Phiole aufgesetzt nebst blinkenden Kristallgläsern. Sowie Giglio das erblickte, schien er ganz außer sich: „Ha, der Gast – der Prinz – Wie ist mir? Gott! – ich habe ja nicht Komödie gespielt, ich bin ja wirklich in Verzweiflung geraten – ja in helle tolle Verzweiflung hast du mich gestürzt, treulose Verräterin, Schlange, Basilisk – Krokodil! Aber Rache – Rache!“ Damit schwang er den Theaterdolch, den er von der Erde aufgerafft, in den Lüften. Aber Giacinta, die ihre Arbeit auf den Nähtisch geworfen und aufgestanden, nahm ihn beim Arm und sprach: „Sei kein Hase, guter Giglio! gib dein Mordinstrument der alten Beatrice, damit sie Zahnstocher daraus schneide und setze dich mit mir zu Tisch; denn am Ende bist du der einzige Gast, den ich erwartet habe.“ Giglio ließ sich plötzlich, besänftigt, die Geduld selbst, zu Tische führen und tat, was das Zulangen betrifft, sich dann weiter keinen Zwang an.
Giacinta fuhr fort ganz ruhig und gemütlich von dem ihr bevorstehenden Glück zu erzählen, und versicherte dem Giglio ein Mal über das andere, daß sie durchaus nicht in übermäßigen Stolz verfallen und Giglios Gesicht ganz und gar vergessen, vielmehr, solle er sich ihr von ferne zeigen, sich ganz gewiß seiner erinnern und ihm manchen Dukaten zufließen lassen werde, so daß es ihm nie an rosmarinfarbnen Strümpfen und parfümierten Handschuhen mangeln dürfe. Giglio, dem, als er einige Gläser Wein getrunken, die ganze wunderbare Fabel von der Prinzessin Brambilla wieder in den Kopf gekommen, versicherte dagegen freundlich, daß er Giacintas gute herzliche Gesinnungen hoch zu schätzen wisse; was aber den Stolz und die Dukaten betreffe, so werde er von beiden keinen Gebrauch machen können, da er, Giglio, selbst im Begriff stehe, mit beiden Füßen hineinzuspringen ins Prinzentum. Er erzählte nun, wie ihn bereits die vornehmste und reichste Prinzessin der Welt zu ihrem Ritter erkoren, und, daß er hoffe, noch bei dem Schluß des Karnevals als der Gemahl seiner fürstlichen Dame, dem armseligen Leben, das er bis jetzt geführt, auf immer Valet sagen zu können. Giacinta schien über Giglios Glück höchlich erfreut und beide schwatzten nun ganz vergnüglich von der künftigen schönen Zeit der Freude und des Reichtumes. „Ich möchte nur“, sprach Giglio endlich, „daß die Reiche, die wir künftig beherrschen werden, fein aneinandergrenzten, damit wir gute Nachbarschaft halten könnten; aber, irr ich nicht, so liegt das Fürstentum meiner angebeteten Prinzessin über Indien weg, gleich linker Hand um die Erde nach Persien zu.“ – „Das ist schlimm“, erwiderte Giacinta, „auch ich werde wohl weit fort müssen; denn das Reich meines fürstlichen Gemahls soll dicht bei Bergamo liegen. Doch wird sich das wohl machen lassen, daß wir künftig Nachbarn werden und bleiben“ – Beide, Giacinta und Giglio, kamen dahin überein, daß ihre künftigen Reiche durchaus in die Gegend von Frascati verlegt werden müßten. – „Gute Nacht, teure Prinzessin!“ sprach Giglio; „wohl zu ruhen, teurer Prinz!“ erwiderte Giacinta, und so schieden sie, als der Abend einbrach, friedlich und freundlich auseinander.
Fünftes Kapitel
Wie Giglio in der Zeit gänzlicher Trockenheit des menschlichen Geistes zu einem weisen Entschluß gelangte, den Fortunatussäckel einsteckte und dem demütigsten aller Schneider einen stolzen Blick zuwarf. – Der Palast Pistoja und seine Wunder. – Vorlesung des weisen Mannes aus der Tulpe. – König Salomo der Geisterfürst und Prinzessin Mystilis. – Wie ein alter Magus einen schwarzen Schlafrock umwarf, eine Zobelmütze aufsetzte und mit ungekämmtem Bart Prophezeiungen vernehmen ließ in schlechten Versen. – Unglückliches Schicksal eines Gelbschnabels. – Wie der geneigte Leser in diesem Kapitel nicht erfährt, was sich bei Giglios Tanz mit der unbekannten Schönen weiter begehen.
Jeder, der mit einiger Fantasie begabt, soll, wie es in irgendeinem lebensklugheitschweren Buche geschrieben steht, an einer Verrücktheit leiden, die immer steigt und schwindet, wie Ebbe und Flut. Die Zeit der letzteren, wenn immer höher und stärker die Wellen daherbrausen, ist die einbrechende Nacht, so wie die Morgenstunden gleich nach dem Erwachen, bei der Tasse Kaffee, für den höchsten Punkt der Ebbe gelten. Daher gibt jenes Buch auch den vernünftigen Rat, diese Zeit als den Moment der herrlichsten klarsten Nüchternheit zu benutzen, zu den wichtigsten Angelegenheiten des Lebens. Nur des Morgens soll man z. B. sich verheiraten, tadelnde Rezensionen lesen, testieren, den Bedienten prügeln u.s.w.
In dieser schönen Zeit der Ebbe, in der sich der menschliche Geist gänzlicher Trockenheit erfreuen darf, war es, als Giglio Fava über seine Torheit erschrak und selbst gar nicht wußte, wie er das nicht längst habe tun können, wozu die Aufforderung ihm doch, so zu sagen, dicht vor die Nase geschoben war. – „Es ist nur zu gewiß“, so dachte er im frohen Bewußtsein des vollen Verstandes, „es ist nur zu gewiß, daß der alte Celionati halb wahnsinnig zu nennen, daß er sich in diesem Wahnsinn nicht nur ungemein gefällt, sondern auch recht eigentlich darauf ausgeht, andere ganz verständige Leute darin zu verstricken. Ebenso gewiß ist es aber, daß die schönste, reichste aller Prinzessinnen, die göttliche Brambilla, eingezogen ist in den Palast Pistoja und – o Himmel und Erde!