der Lyder mit seinem Sohne, Bartja, Darius und Zopyrus keine seltenen Gäste waren, schloß sich den Lustreisenden an.
Am Morgen des Neithfestes bestieg man acht Meilen unterhalb Memphis eine köstlich geschmückte Barke und fuhr, von einem günstigen Nordwinde und zahlreichen Ruderern getrieben, den Strom hinauf.
Unter dem theils vergoldeten, theils mit bunten Farben bemalten hölzernen Schirmdache592, welches sich inmitten des Verdeckes erhob, verweilten die Fahrgäste, gesichert vor den brennenden Strahlen der Sonne.
Krösus saß an der Seite der Greisin, zu deren Füßen der Milesier Theopompus ruhte. Sappho lehnte sich an Bartja; Syloson, der Bruder des Polykrates, lag neben dem tiefsinnig in den Strom schauenden Darius, während Gyges und Zopyrus die Blumen, welche ihnen ein ägyptischer Sklave überreichte, zu Kränzen für die Stirn der beiden Frauen zusammenflochten.
»Man sollte nicht glauben,« sagte Bartja, »daß wir gegen den Strom fahren. Der Nachen fliegt wie eine Schwalbe über das Wasser!«
»Das macht der kräftige Nordwind, der unsere Stirnen kühlt,« entgegnete Theopompus. »Auch verstehen die ägyptischen Ruderknechte ihr Handwerk ganz vorzüglich.«
»Und arbeiten doppelt fleißig,« fügte Krösus hinzu, »weil es gegen den Strom geht! Nur wo wir Widerstand finden, pflegen wir unsere Kräfte einzusetzen.«
»Und wir schaffen uns selbst Schwierigkeiten,« sagte Rhodopis, »wenn das Geschick unsern Lebenskahn auf glatte Fluthen setzt.«
»So ist es!« rief Darius; »der Edle haßt das bequeme Schwimmen mit dem Strome. In thatenloser Ruhe sind alle Menschen gleich; darum bedürfen wir des Kampfes, um zeigen zu können, daß wir besser sind als die Andern!«
»Aber die edlen Kämpfer sollen sich hüten, Händel zu beginnen,« fügte Rhodopis hinzu. »Siehst Du dort die Wassermelonen, welche auf dem schwarzen Lande gleich goldenen Kugeln umhergestreut liegen? Würde der Landmann den Samen allzu freigebig versenkt haben, so wäre keine von ihnen gereift! Ueppige Ranken und Blätter hätten die Früchte erstickt und die Ernte vereitelt. Kampf und Arbeit ist der Beruf des Menschen; aber auch hierin muß er, wie in allen Dingen, Maß zu halten verstehen, wenn sein Streben einen gedeihlichen Fortgang haben soll. Die rechten Grenzen nirgend zu überschreiten, das ist die wahre Kunst des Weisen.«
»Könnte Dich doch der König hören!« rief Krösus. »Statt mit seiner großen Eroberung zufrieden zu sein und nun auf die Wohlfahrt seiner Unterthanen zu sinnen, schweifen seine Wünsche in die Ferne. Die ganze Welt möchte er bezwingen, während er sich selbst seit der Verbannung des Phanes fast alle Tage von dem Diw der Trunkenheit zu Boden werfen läßt.«
»Hat denn seine erhabene Mutter gar keine Macht über ihn?« fragte Rhodopis.
»Sie konnte ihn nicht einmal von dem Vorsatze, Atossa zu heirathen, abbringen und hat dem Hochzeitsschmause in eigener Person beiwohnen müssen!«
»Die arme Atossa!« murmelte Sappho.
»Sie verlebt als Königin von Persien keine goldenen Tage,« sagte Krösus, »und wird mit ihrem brüderlichen Gatten um so schwerer in Zufriedenheit leben können, von je heftigerer Gemüthsart sie selber ist. – Kambyses soll sie leider sehr vernachlässigen und ihr wie einem Kinde begegnen. Uebrigens erscheint diese Heirath den Aegyptern gar nicht außergewöhnlich, denn bei ihnen werden Bruder und Schwester nicht selten Mann und Weib593.«
»Und auch in Persien,« fügte Darius, vollkommene Ruhe erheuchelnd, hinzu, »hält man Verbindungen mit Blutsverwandten für die besten Ehen594.«
»Um aber auf den König zurückzukommen,« sagte Krösus, der mit Rücksicht auf den Sohn des Hystaspes dieses Gespräch geflissentlich abbrach, »so versichere ich Dich, Rhodopis, daß er ein edler Mensch genannt werden darf. Seinen in Leidenschaft und Jähzorn begangenen Fehlern folgt die Reue auf dem Fuße, und niemals hat ihn der Vorsatz, ein guter und gerechter Herrscher zu sein, verlassen. Neulich fragte er zum Beispiel beim Schmause, ehe noch der Wein seinen Geist getrübt hatte, was die Perser von ihm, im Vergleiche mit seinem Vater, hielten.«
»Und was war die Antwort?« fragte Rhodopis.
»Intaphernes zog uns geschickt genug aus der Schlinge,« lachte Zopyrus, »denn er rief dem Könige zu: ›Wir denken, daß Du den Vorzug verdienst, weil Du das Gebiet des Cyrus nicht nur ohne Schmälerung besitzest, sondern auch unser Reich über das Meer hinaus durch die Eroberung von Aegypten vergrößert hast!‹ Diese Antwort behagte jedoch dem Könige nicht, denn er schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: ›Schmeichler, elende Schmeichler!‹ Intaphernes erschrak nicht wenig über diesen unerwarteten Angriff; der König aber wandte sich an Krösus und befragte diesen um seine Meinung. ›Mir scheint es,‹ antwortete unser kluger Freund, ›als hättest Du den Werth Deines Vaters noch nicht erreicht; fehlt Dir doch,‹ fügte er begütigend hinzu, ›ein Sohn, wie ihn der Verstorbene in Dir hinterließ595.‹«
»Schön, schön,« rief die Greisin dem Freunde lächelnd zu, indem sie in die Hände klatschte, »diese Worte hätten dem vielgewandten Odysseus Ehre gemacht! Aber wie nahm der König diese mit süßem Honig bestrichene Pille der Wahrheit auf?«
»Mit großem Beifall. Er dankte dem Krösus und nannte ihn seinen Freund.«
»Ich aber,« fuhr der Greis, das Wort ergreifend, fort, »benutzte die Gelegenheit, um ihn von seinem Vorhaben, die lange lebenden Aethiopen, Ammonier und Karthager zu bekriegen, abzubringen. Von ersterem Volke weiß man nur märchenhafte Dinge und wird, wenn man es bekriegt, mit großen Opfern einen kleinen Gewinn erkaufen. Die Oase des Ammon ist wegen der Wüste, welche sie von Aegypten trennt, für ein größeres Heer kaum zugänglich, und es scheint mir sündhaft, gegen einen Gott und die Schätze eines solchen, möge man auch nicht zu seinen Anbetern gehören, einen Krieg zu beginnen. Was endlich die Karthager betrifft, so hat der Erfolg bereits die Wahrheit meiner Voraussagung bestätigt. Die Matrosen unserer Flotte sind fast ohne Ausnahme Syrer und Phönizier und weigerten sich natürlich, gegen ihre Brüder zu Felde zu ziehen. Kambyses verlachte meine Gründe, nannte mich einen Feigling und schwur endlich, als ihn der Wein übermannt hatte, daß er auch ohne Phanes und Bartja im Stande sein würde, schwierige Unternehmungen durchzuführen und große Völker zu unterjochen.«
»Was bedeutet diese Anspielung auf Dich, mein Sohn?« fragte die Greisin.
»Er hat die Schlacht von Pelusium gewonnen, kein Anderer!« rief Zopyrus, dem Freunde das Wort schneidend.
»Du aber,« sagte Krösus, »hättest sammt Deinen Freunden vorsichtiger sein und bedenken sollen, daß es gefährlich ist, die Eifersucht eines Mannes wie Kambyses zu erwecken. Ihr vergeßt immer, daß sein Herz wund ist und den kleinsten Verdruß gleich einem Schmerz empfindet. Die Schickung hat ihm das Weib seiner Liebe und den Freund, der ihm theuer war, entrissen; jetzt legt ihr es darauf an, ihm auch noch das Letzte, was ihm am Herzen liegt, seinen Kriegsruhm, zu schmälern.«
»Tadle ihn nicht,« rief Bartja, die Hand des Greises ergreifend. »Mein Bruder ist niemals ungerecht gewesen und weit entfernt, mir mein Glück – denn Verdienst kann ich meinen rechtzeitigen Angriff kaum nennen – zu beneiden. Ihr wißt ja, daß er mir nach der Schlacht diesen herrlichen Säbel, hundert edle Rosse und eine goldene Handmühle596 als Belohnung für meine Tapferkeit schenkte!«
In Sappho’s Seele war bei der Rede des Krösus eine leise Besorgniß aufgestiegen, die aber nach den zuversichtlichen Worten ihres Gatten schnell verschwand und ganz vergessen wurde, als Zopyrus seinen Kranz vollendet hatte und ihn auf die Stirn der Greisin drückte.
Gyges bot den seinen der jungen Mutter dar, die das Geflecht von schneeweißen Wasserlilien auf ihre vollen braunen Locken drückte