Georg Ebers

Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie


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auszuheben und nach Asien zu senden.« –

      Ein Gemurmel des Unwillens erhob sich bei diesen Worten. Der Vorsteher der Horoskopen stampfte mit dem Fuß und Gagabu fragte: »Was gedenkst Du zu thun?«

      »Die Erfüllung des königlichen Befehls vorzubereiten,« antwortete Ameni, »und ungesäumt die Vorsteher aller Tempel der Amonstadt zu einer Rathsversammlung hieher zu berufen. Ein Jeder soll in seinem Allerheiligsten die Gottheit um weise Einsicht bitten. Haben wir einen Entschluß gefaßt, so wird es zunächst gelten, den schwankenden Sinn des Statthalters zu kräftigen. Wer wohnte gestern seinen Gebeten bei?«

      »Die Reihe war an mir,« sagte der Vorsteher der Horoskopen.

      »Folge mir nach der Mahlzeit in meine Wohnung,« befahl Ameni. »Aber warum fehlt unser Dichter in eurem Kreise?«

      In diesem Augenblicke betrat Pentaur die Halle und bat, indem er sich frei und würdig vor den anderen Tischgenossen und tief vor Ameni verneigte, ihm zu gestatten, den blinden Pastophoren Teta mit dem Arzte Nebsecht zu der Paraschitentochter schicken zu dürfen. Ameni nickte zustimmend und rief: »Sie sollen sich beeilen. Paaker harrt ihrer an der großen Pforte und wird sie in meinem Wagen begleiten.«

      Sobald Pentaur die Schmausenden verlassen hatte, rief der ältere Priester aus Chennu, indem er sich an Ameni wandte: »Wahrlich, heiliger Vater, so und nicht anders hab' ich mir eueren Dichter gedacht. Er gleicht dem Sonnengott und seine Haltung ist die eines Fürsten. Gewiß entstammt er einem edlen Hause!«

      »Sein Vater ist ein schlichter Gärtner,« sagte der Oberpriester, »der zwar das ihm von unserem Tempel zugetheilte Land mit Fleiß und Geschick verwerthet, aber unedel ist an Gestalt und von rauhen Sitten. Er schickte Pentaur früh in die Schule 28 und wir zogen hier den vortrefflich begabten Knaben heran zu dem was er ist.«

      »Welche Aemter bekleidet er hier im Tempel?«

      »Er unterrichtet die ältesten Zöglinge der hohen Schule in der Sprachlehre und Redekunst; auch ist er ein vortrefflicher Beobachter des gestirnten Himmels und der sinnreichste unter unseren Traumdeutern,« erwiederte Gagabu. »Aber da ist er ja wieder! Zu wem führt Paaker unsern stammelnden Chirurgen und seinen Helfer?«

      »Zu der überfahrenen Paraschitentochter,« gab Pentaur zurück. »Aber welch' ein rauher Mann ist dieser Wegeführer! Seine Stimme thut meinen Ohren weh und er begrüßte damit unsere Aerzte, als wenn sie seine Sklaven wären.« –

      »Er war verdrossen über den Auftrag, welchen die Prinzessin ihm ertheilte,« sagte der Oberpriester begütigend, »und leider hat seine werkthätige Frömmigkeit seine unfreundliche Sinnesart nicht zu mildern vermocht.«

      »Und dabei,« sagte ein älterer Priester, »ist sein Bruder, der uns vor einigen Jahren verließ und mich zu seinem leitenden Lehrer erwählte, ein besonders liebenswerther und fügsamer Jüngling.«

      »Und sein Vater,« sagte Ameni, »war einer der vorzüglichsten, thatkräftigsten und dabei feinsinnigsten Männer.«

      »So wird er die üblen Eigenschaften von der Mutter geerbt haben.«

      »Mit nichten. Sie ist eine sanfte, freundliche, weichherzige Frau.«

      »Muß denn,« fragte Pentaur, »das Kind durchaus den Eltern gleichen? Von den Söhnen des heiligen Stieres soll doch keiner jemals die Abzeichen seines Vaters getragen haben.«

      »Und wenn Paaker's Vater ein Apis war,« lachte Gagabu, »so gehört der Wegeführer nach Deiner Meinung, ach und weh! in den Bauernstall.«

      Pentaur widersprach nicht, sondern sagte lächelnd: »Er ist sich seit der Schulbank, wo ihn die Buben wegen seiner Ungeberdigkeit ›den Waldesel‹ nannten, gleich geblieben. Er war stärker als die meisten unter ihnen, und doch kannten sie kein größeres Vergnügen, als ihn zur Wuth zu reizen.«

      »Kinder sind grausam,« sagte der Oberpriester. »Sie sehen immer nur die Erscheinungen und fragen nie nach den Ursachen derselben. Der mangelhaft Begabte gilt ihnen für ebenso schuldig wie der Träge, und Paaker hatte wenig einzusetzen, um ihre Schonung zu verdienen. Ich halte« – und dabei wandte Ameni seine Augen den Priestern von Chennu zu – »auf Freiheit und Heiterkeit unter unseren Zöglingen, denn knebelt man die frische Jugendluft, so legt man seine besten Helfer lahm! Die Auswüchse in den Neigungen der Knaben können nirgends sicherer und schmerzloser ausgerottet werden, als bei ihren wilden Spielen. Der Schüler ist des Schülers bester Erzieher!«

      »Aber Paaker,« sagte der Priester Meriapu, »ist durch den Uebermuth seiner Genossen nicht gefördert worden. Im steten Kampfe mit ihnen hat sich jene Schroffheit gesteigert, die ihn jetzt zum Schrecken seiner Untergebenen macht und ihm viele Herzen entfremdet.«

      »Er war der unglücklichste von all' den vielen Knaben, die meiner Obhut anvertraut gewesen sind,« erwiederte Ameni, »und ich glaube zu wissen wodurch. Ihm fehlte der kindliche Sinn, da er dem Alter nach noch ein Kind war, und die Gottheit versagte ihm die himmlische Gabe des Leichtsinns. Genügsam soll die Jugend sein und anspruchsvoll war er von Kindheit an. Den Spaß seiner Mitschüler nahm Paaker für Ernst, ihren Scherz für Narrheit, ihre Neckereien für Anfeindungen, und sein nur als Erzieher unweiser Vater munterte ihn statt zur Nachgiebigkeit zum Widerstand auf, in der Meinung, daß er sich durch diesen zu dem kampfreichen Leben eines Mohar stählen werde.«

      »Ich habe oft von den Thaten des Mohar 29 reden hören,« sagte der ältere Priester aus Chennu, »doch weiß ich nicht genau, was sein Amt von ihm fordert.«

      »Er hat,« antwortete Gagabu, »mit auserlesenen und verwegenen Leuten das Feindesland zu durchstreifen und sich über die Art und Zahl der Bevölkerung zu vergewissern, die Richtung der Berge, Thäler und Flüsse zu erforschen, seine Wahrnehmungen aufzuzeichnen und sie dem Herrn des Kriegshauses 30 zu übergeben, der nach ihnen die Märsche der Truppen anordnet.«

      »So muß der Mohar als Krieger und Schreiber gleich bewandert sein.«

      »Du sagst es, und Paaker's Vater ist nicht nur ein Held, sondern zu gleicher Zeit ein Schriftsteller gewesen, dessen knappe und klare Berichte gestattet haben, das von ihm bereiste Land zu überblicken, als stünde man auf eines Berges Spitze. Er war der Erste, der den Namen des Mohar empfing. Der König hielt ihn so hoch, daß er nur von ihm und dem Herrn des Kriegshauses, Befehle anzunehmen hatte.«

      »Gehörte er zu einem edlen Geschlechte?«

      »Zu einem der ältesten und edelsten des ganzen Landes. Sein Vater war der herrliche Krieger Assa,« antwortete der oberste der Horoskopen, »und dazu führte er, nachdem er selbst zu hohem Ansehen und ungewöhnlichem Reichthum gelangt war, die Nichte des Königs Hor-em-heb heim, die so gut wie der Statthalter ein Anrecht auf den Thron haben würde, wenn nicht der Großvater des Ramses ihr Geschlecht durch einen Gewaltstreich des Thrones beraubt hätte.«

      »Wäge Deine Worte,« sagte Ameni, die Rede des heftigen Greises unterbrechend. »Ramses I. ist und bleibt der Großvater unseres Königs, und in den Adern des letzteren fließt durch seine Mutter das Blut der echten Nachkommen des Sonnengottes.«

      »Aber voller und unvermischter wogt es doch wohl in denen des Statthalters!« wagte der Horoskop zu erwiedern.

      »Doch Ramses trägt die Krone,« rief Ameni, »und wird sie tragen, so lange es den Göttern genehm ist. Bedenke, daß Deine Haare grau sind und aufrührerische Worte den Feuerfunken gleichen, die der Wind oft verweht, die aber, wenn sie unglücklich fallen, unser Haus in Brand stecken können. Freut euch weiter des Mahles, – ihr Herren. Ich bitte euch am heutigen Abend nicht mehr über den König und die neue Verordnung zu sprechen. – Du, Pentaur, erfülle morgen meinen Befehl mit Strenge und Weisheit!«

      Der Oberpriester winkte und verließ die Schmausenden.

      Sobald sich die Thüre hinter ihm geschlossen hatte, sagte der ältere Priester aus Chennu:

      »Was wir über den Wegeführer des Königs, den Träger eines so wichtigen Amtes, vernahmen, überrascht mich. Zeichnet er sich durch besonderen Scharfsinn aus?«

      »Er war ein zäher Lerner von mittelmäßiger Begabung.«