des ungeheuren Rückens gleiten. »Der Schildkrötenrücken ist härter, aber nicht so bunt«, urteilte er. »Der Frosch, mein Namensvetter, ist bunter, aber nicht so hart. Prächtig sieht sie aus, deine neue Haut, wie Tupfen im Kelch der Lilie.«
»Sie hat Wasser nötig. Meine neue Haut bekommt ihre volle Farbe erst nach dem ersten Bade. Komm! Gehen wir schwimmen!«
»Ich will dich tragen«, sagte Mogli und bückte sich lachend, um Kaa in der Mitte seines großen Leibes aufzuheben, da, wo die Walze am dicksten war. Ebensogut hätte ein Mann versuchen können, einen zwei Fuß starken Mastbaum aufzuheben. Kaa lag still und blähte sich vor Vergnügen. Dann begannen sie ihr regelmäßiges Abendspiel; der Knabe in seiner überschäumenden Kraft und der Python im Prunk seiner neuen Haut richteten sich gegeneinander auf zu einem Ringkampf – zu einer Probe auf Kraft und Schnelligkeit des Blicks. Natürlich hätte Kaa, wenn er gewollt hätte, ein Dutzend Mogli zerquetschen können; aber er spielte vorsichtig und gebrauchte nie mehr als ein Zehntel seiner Kraft. Seit Mogli stark genug war, derbes Zupacken zu vertragen, hatte Kaa ihn das Spiel gelehrt, und es machte seine Glieder geschmeidig, wie kaum etwas anderes. Zuweilen stand Mogli bis an den Hals umschlungen von Kaas wogenden Ringen und bemühte sich, einen Arm frei zu bekommen, um die Schlange an der Gurgel zu packen. Dann gab Kaa weich und federnd nach; und Mogli versuchte mit raschem Sprung den ungeheuren Schwanz zu fassen, der, sich rückwärtsschwingend, nach einem Fels oder Baumstumpf als Stütze tastete. Hin und her schwankten sie, Kopf gegen Kopf, jeder auf eine günstige Gelegenheit lauernd, bis die herrliche Gruppe der beiden verschlungenen Körper sich in einem Wirbel von gelben und schwarzen Ringen, zappelnden Armen und Beinen löste, um von neuem sich gegeneinander auszurichten. »Jetzt! Und jetzt, und jetzt!« zählte Kaa und machte überraschende Ausfälle mit dem Kopf, daß selbst Moglis flinke Hände die Finte nicht parieren konnten. »Sieh her, ich treffe dich, kleiner Bruder! Hier und hier! Sind deine Hände gelähmt?! – und wieder hier!«
Das Spiel endete stets in derselben Weise: mit einem geraden, schwingenden Schlag des Kopfes der Schlange, worauf der Knabe einen Purzelbaum schoß. Mogli brachte es nie fertig, diesem blitzartigen Stoß auszuweichen; und Kaa meinte, es nütze ihm nichts, es zu versuchen, es würde ihm doch nie gelingen.
»Gute Jagd!« rief Kaa, und wie immer wurde Mogli ein paar Dutzend Meter weit fortgeschleudert. Keuchend und lachend erhob er sich, das Gesicht voller Erde, und folgte dem weisen Kaa zu seinem Lieblingsbadeplatz. Es war ein tiefer, pechschwarzer Teich, von Felsen umsäumt, und vom Grunde ragten seltsame Baumstrünke empor. Nach Dschungelart tauchte der Knabe lautlos hinein, schwamm unter Wasser dahin, stieg wieder geräuschlos auf, warf sich auf den Rücken, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und sah den Mond über den Felsen aufsteigen. Kaas diamantener Kopf durchschnitt messerscharf den Tümpel, tauchte auf und ruhte dann auf Moglis Schulter. Still lagen sie und ließen wohlig das kühle Wasser ihre Glieder umspülen.
»Herrlich ist das«, sagte Mogli schläfrig nach langem Schweigen. »Das Menschenvolk, wie ich mich entsinne, legte sich zu dieser Stunde auf harte Bretter im Innern einer Falle aus Lehm; alle reinen Winde schlossen sie sorgfältig aus, zogen stinkige Tücher über ihre Köpfe und sangen abscheulich durch die Nasen. Besser ist es, in der Dschungel zu sein.«
Eine hurtige Kobra glitt vom Felsen hinab, trank, bot ihnen »Gute Jagd!« und eilte weiter.
»Sssh!« züngelte Kaa, als ob ihm plötzlich etwas einfiele. »Die Dschungel gibt dir also alles, was du dir wünschen kannst, kleiner Bruder?«
»Nicht alles«, sagte Mogli lachend. »Es wäre denn, daß es in jedem Monde einmal einen starken Schir Khan zu töten gäbe. Jetzt könnte ich ihn allein mit meinen Händen zwingen und brauchte nicht mehr die Hilfe von Büffeln. Und dann habe ich oft in der Regenzeit gewünscht, die Sonne möge scheinen, und im hohen Sommer, Regenwolken möchten die Sonne verdunkeln. Niemals ging ich leer aus bei der Jagd, aber ich wünschte immer, ich hätte eine Ziege erlegt, und hatte ich eine Ziege, dann wünschte ich, es wäre ein Bock, war es ein Bock, sollte es lieber ein Nilghai sein. Aber so geht es uns allen.«
»Und andere Wünsche hattest du nicht?« fragte die große Schlange.
»Was könnte man noch wünschen? Die Dschungel habe ich, und die Gunst der Dschungel. Gibt es noch mehr zwischen Sonnenaufgang und Nacht?«
»Nun, die Kobra sagte …«, begann Kaa.
»Welche Kobra? Die eben fortglitt, sagte nichts, sie war auf der Jagd.«
»Eine andere war es.«
»Gibst du dich viel mit dem Giftvolke ab? Ich lasse sie ihrer Wege gehen. Tod tragen sie im Vorderzahn, das aber ist nicht gut, denn sie sind klein. Was war es für eine Kobra, mit der du sprachst?«
Kaa rollte sich langsam im Wasser wie ein Schiff in schwerer See. »Drei oder vier Monde sind es her, da jagte ich in ›Cold Lairs‹, einem Ort, den du wohl kaum vergessen wirst. Und das Ding, das ich hetzte, flog kreischend an dem Brunnen vorbei nach dem Hause, dessen Wand ich einbrach deinetwegen, und verschwand dann im Boden.«
»Aber die Völker von ›Cold Lairs‹ leben nicht in unterirdischen Höhlen.« Mogli wußte, daß Kaa vom Affenvolk sprach.
»Das Ding lebte nicht, es wollte leben«, erwiderte Kaa mit schwachem Zittern der Zunge. »Es verkroch sich in einem Gang unter der Erde, der sehr weit führte. Ich folgte, tötete und schlief. Als ich erwachte, drang ich weiter vor.«
»Unter der Erde?«
»Ja. Und zuletzt traf ich auf eine weiße Kobra. Sie redete von Sachen, die mir unverständlich waren, und zeigte mir vieles, das ich nie zuvor gesehen hatte.«
»Neues Wild? Gute Jagd gab es?« fragte Mogli und warf sich rasch auf die Seite. »Nein, kein Wild, ich würde mir alle Zähne daran ausgebrochen haben. Aber die Weiße Haube raunte, daß ein Mensch – sie schien die Brut gut zu kennen –, daß ein Mensch den Atem unter seinen Rippen hergeben würde, wenn er nur diese Dinge erschauen könnte.«
»Wir wollen nachsehen«, sagte Mogli. »Einst war ich ein Mensch, entsinne ich mich.«
»Gemach – gemach! Hast tötete die gelbe Schlange, die den Sonnenball fraß. Tief unter der Erde redeten wir zwei miteinander, und ich sprach auch von dir, nannte dich einen Menschen. Da sagte die Weiße Haube (wahrlich so alt ist sie wie die Dschungel selbst): ›Lange schon ist es her, seit ich Menschen sah. Laß ihn kommen, auf daß er sehe alle diese Dinge, für deren geringstes viele Menschen ihr Leben hingeben würden.‹«
»Das muß neues Wild sein. Dennoch, die Giftvölker melden uns nie, wenn neues Wild zu spüren ist. Ungefällig sind sie.«
»Es ist kein Wild. Es ist – es ist – ich kann nicht sagen, was es ist.«
»Laß uns hingehen. Noch nie erblickte ich eine Weiße Haube. Und auch die anderen Dinge möchte ich sehen. Hat sie die alle getötet?«
»Es sind alles tote Dinge. Sie sagt, sie sei der Wächter über sie alle.«
»Aha! So wie der Wolf über dem Fleisch steht, das er in sein Lager verschleppt hat. Gehen wir!«
Mogli schwamm zum Ufer, rollte sich im Grase, um sich zu trocknen; und beide machten sich auf den Weg nach »Cold Lairs«, der verlassenen Stadt, von der ihr schon vernommen habt. Damals fürchtete sich Mogli nicht im geringsten mehr vor dem Affenvolk, wohl aber packte die Affen Entsetzen, wenn Mogli erschien. In jener Nacht trieben sich die Affenherden gerade in der Dschungel umher, so lag »Cold Lairs« verlassen und schweigend im Mondlicht. Kaa führte die Terrassen hinauf zu den Ruinen des Sommerhauses der Königin, schlüpfte über das Geröll und glitt die halb verschüttete Treppe hinab, die von der Mitte des Pavillons in die Erde führte. Mogli gab den Schlangenruf: »Wir sind vom gleichen Blute, du und ich!« und ging ihr nach, auf Händen und Knien kriechend. Lange folgten sie dem schrägen Gang, der in Windungen abwärts führte, und kamen zuletzt an ein gähnendes Loch im Mauerwerk, gesprengt von den knorrigen Wurzeln eines Baumriesen, um dessen Wipfel, dreißig Fuß über ihnen, der Nachtwind pfiff. Sie zwängten sich durch das Loch und gelangten dann in eine weite, gruftartige Höhlung, deren gewölbte Decke ebenfalls von Baumwurzeln