Arndt Ellmer

Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband)


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      Stalkers verlängertes Steißbein – es sah aus wie ein Schwanzstummel aus einem halben Dutzend Knorpeln – stand fast waagerecht von dem Becken ab.

      Gleich nach der Auseinandersetzung zwischen Stalker und Taurec waren von allen Seiten Roboter und Sicherheitsbeamte in den Raum geströmt, die Waffen waren entsichert. Aber die Situation hatte sich beruhigt. Stalkers »Zwilling«, der wie eine abgemagerte Miniatur von ihm aussah, ließ wieder seine schrille Stimme hören.

      »Nicht wegen eines stänkerischen Kosmokraten die Nerven verlieren!«, rief der Kleine und schlang seinen fast einen Meter langen Schwanz wie ein Rhesus-Äffchen um die eigene Körpermitte; die Bewegung hatte allerdings nichts Possierliches an sich.

      »Halt den Mund, Skorsh!« Stalker schlug mit der Hand nach dem Kleinen. Skorsh rutschte von der Schulter herab und klammerte sich am Oberschenkel des linken Beines fest. Stalkers Bewegungen blieben trotz dieses Anhängsels graziös, wenn auch zugleich etwas theatralisch. Das Gesicht in dem breiten und länglichen Echsenkopf wurde wieder so freundlich wie zuvor mit der Biomaske.

      »Ich bitte um Vergebung.« Stalker wandte sich treuherzig erst Adams zu und gleich darauf allen Anwesenden, wobei er es meisterhaft verstand, Taurec und Vishna zu ignorieren. »Leider konnte ich nicht anders; es entspricht meiner Mentalität, dass ich mich zu diesem Täuschungsmanöver entschloss. Ich habe die Menschenmaske gewählt, um leichter Zugang zu den Terranern zu bekommen. Bedauerlich nur, dass ein Kosmokrat mich demaskierte und die Situation nutzte, um Stimmung gegen mich zu machen.«

      Er hob die dünnen Arme, als wolle er mit dieser Geste alle Zuhörer umarmen.

      »Meine Freunde, ich bin dennoch kein anderer geworden. Wenn es mir gestattet ist, umreiße ich in wenigen Worten, wie es zu diesem Konflikt kommen konnte. Um es gleich zu sagen: Es ist ein permanenter Konflikt.«

      Rhodan sah Stalkers dreieckige Augen auf sich gerichtet, das Echsenwesen blickte ihn unschuldig und fragend an. Er erteilte dem Fremden mit einer knappen auffordernden Handbewegung das Wort.

      »Das Symbol der drei Pfeile ist nicht nur das Hoheitszeichen von ESTARTU, sondern zugleich Ausdruck der Lebensphilosophie meiner Superintelligenz«, erklärte Stalker mit erhobener Stimme; sein »Zwilling« Skorsh kletterte dabei unruhig an ihm auf und ab. »Die drei Pfeile symbolisieren drei Kräfte – drei Wege. Der erste nach unten weisende Pfeil symbolisiert die Kosmokraten, die Ordnungsmächte überhaupt. Der zweite abwärts führende Pfeil steht für die Chaosmächte. Der dritte, aufwärts gerichtete, Pfeil symbolisiert den Weg, den ESTARTU eingeschlagen hat. Dieser Dritte Weg ist der Weg der Unabhängigkeit und Freiheit, ein Mittelweg zwischen Kosmokraten und Chaotarchen. Die Völker von ESTARTU dienen weder Kosmokraten noch Chaotarchen. Sie haben ihren eigenen Weg zwischen diesen Kräften gewählt, den eigentlich alle Völker dieses Universums beschreiten sollten.«

      Perry Rhodan war hellhörig geworden. Die Hanse-Sprecher tuschelten miteinander, aber keiner meldete sich zu Wort. Rhodan erinnerte sich an die Prophezeiung von ES, dass die Menschheit eines Tages eigene Wege gehen würde, unabhängig von ihrer Superintelligenz und den Kosmokraten. Bislang war ihm das schwer denkbar erschienen, in Stalkers Ausführungen schwangen jedoch gewisse Ansätze mit. War es das, was ES gemeint hatte?

      Stalker wandte sich erneut Taurec zu, und seine Haltung bekam sofort etwas Lauerndes. Taurec reagierte diesmal, als ginge ihn das alles nichts an, er blinzelte schläfrig.

      »Die Lebensphilosophie der ESTARTU-Völker behagt den Kosmokraten nicht«, sagte Stalker anklagend, ohne eine Spur von Feindseligkeit in der Stimme. »Wo käme man hin, wenn sich alle Intelligenzen dieses Universums von den Kosmokraten abwendeten? Welche Macht hätten die Kosmokraten dann noch auf die Wesen der unteren Ebene? Um diesen Einfluss der Kosmokraten auf unser Universum fürchtet Taurec ebenso wie alle anderen seiner Art. Darum hasst er mich und ist mein Gegner. Taurec hätte mich zu gern auch als Feind der Terraner abgestempelt. Weil er befürchtet, dass ich einen schlechten Einfluss auf alle ausüben und sie abwerben könnte, ebenfalls den Dritten Weg zwischen Kosmokraten und Chaotarchen zu beschreiten: den Weg der Selbstbestimmung, der Unabhängigkeit und Freiheit.«

      Perry Rhodan war von dieser Rede beeindruckt. Er ließ seine Blicke schweifen, um zu sehen, wie Stalkers Worte wirkten. Sein Sohn Michael zwinkerte ihm zu; Julian Tifflor machte ein Zeichen der Anerkennung; Waringer hob die Hände und applaudierte lautlos. Jennifer Thyron redete leise auf ihren Mann Ronald Tekener ein, doch Tek verzog keine Miene, die Skepsis stand ihm ins Gesicht geschrieben.

      Galbraith Deighton, der Sicherheitschef, ergriff das Wort. »Eines soll klargestellt werden: Wir werden nicht Stimmung gegen die Kosmokraten machen«, sagte er.

      »Stalker hat sich nur gegen Taurecs Angriff verteidigt«, entgegnete Adams und ließ damit keinen Zweifel, für wen er Partei ergriff. »Ohnehin wird es hier nicht um eine Abstimmung für oder gegen die Kosmokraten gehen. Ich habe diese Sitzung einberufen, damit über mein Fehlverhalten geurteilt wird. Die Hanse-Sprecher sollen erklären, ob ich für die Kosmische Hanse weiterhin tragbar bin oder nicht.«

      Es wurde abgestimmt.

      Das Ergebnis lautete 31 zu drei für Adams. Rhodan fragte sich, von wem die drei Gegenstimmen stammen mochten. Er glaubte die Antwort gefunden zu haben, da sah er, dass Tekener zu den drei Vertrauten von Adams ging. War es möglich, dass Kolmeth, Maranitares und Porante gegen Adams gestimmt hatten, um das Ergebnis nicht einstimmig ausfallen zu lassen?

      »Ich danke für diesen Vertrauensbeweis«, sagte Homer G. Adams emotionslos, als hätte er kein anderes Ergebnis erwartet. »Bevor ich mich jedoch als Finanzchef der Hanse bestätigen lasse, gebe ich bekannt, dass ich daran eine Reihe von Bedingungen knüpfen würde. Ich habe Forderungen zusammengestellt, deren Erfüllung ich für die Kosmische Hanse als lebensnotwendig erachte. Dazu gehört unter anderem die Erschließung außergalaktischer Märkte. Ich bitte jeden Hanse-Sprecher, gewissenhaft über diese Punkte nachzudenken.«

      Mit anderen Worten, Adams machte die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit der Mächtigkeitsballung ESTARTU zur Bedingung.

      Die Sitzung wurde vertagt, denn die zur Debatte stehenden Probleme hatten längst den gesetzten Rahmen gesprengt. Stalker erklärte sich bereit, den Experten Rede und Antwort zu stehen. Er weigerte sich jedoch, sich von seinem Rückentornister trennen. Ebenso wenig von Skorsh, den er als seinen »Animateur« bezeichnete. Einer Gegenüberstellung mit Mutanten stimmte er hingegen zu.

      »Ich habe nichts zu verbergen«, beteuerte er.

      6. Fernweh III

      Jonas Copo war Hanse-Spezialist und hatte bereits gegen die Agenten der Superintelligenz Seth-Apophis gekämpft, somit galt er beinahe schon als lebendes Fossil. Er hätte in Pension gehen können – wenn Homer G. Adams nicht gewesen wäre. Der Finanzchef der Kosmischen Hanse hatte allen nach Seth-Apophis' Ende eigentlich überflüssig gewordenen Spezialisten neue Aufgaben zugewiesen. Ihnen oblag es, neue Handelsbeziehungen zu knüpfen. Sie durchstreiften die unbekannteren Zonen der Milchstraße und schwärmten nach Andromeda, Magellan, Sculptor und Fornax aus – sie waren moderne Prospektoren, jedoch in den wenigsten Fällen ausgewiesene Wirtschaftsexperten.

      Jonas Copo war über ein Jahr in Magellan tätig gewesen. Er hatte die Auswirkungen des »guten Geistes von Magellan« miterlebt und war nach der Aktivierung des Chronofossils Magellan in die Heimatgalaxis zurückgekehrt. Nun war auch Terra als Chronofossil aktiviert, und das ehemals gigantische Virenimperium existierte nur noch in Fragmenten. Aber diese Trümmer formierten sich neu. Copo hatte die Aufgabe, sich über die Möglichkeiten zu informieren, wie die Reste des Virenimperiums für die Hanse genutzt werden könnten.

      Offiziell galt er als Mitarbeiter im Außendienst, das war nichtssagend genug. Copo stand nicht einmal in gehobener Position. Tatsächlich gab es nur wenige Personen, denen er Rechenschaft schuldete – letztlich sogar nur einem, nämlich Adams.

      Im Orbit über der Erde spürte auch Jonas Copo das gewisse Etwas der Virenwolken. Wie so viele andere hörte er ebenfalls das lockende Wispern, das unstillbares Fernweh weckte, nur erlag er diesen Einflüsterungen nicht. Ihn zog es nicht mit aller Macht hinaus in die