Ernst Vlcek

Perry Rhodan 151: Sternenfieber (Silberband)


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schwebten beide in einem Antigravschacht in die obere Region der ACHTERDECK, wo Deikes Labor und ihre Unterkünfte lagen. Endlich begrüßte auch das Schiff die Siganesin. Nicht mit der wohlklingenden Stimme Vishnas, sondern bärbeißig wie ein historischer Seemann. Deike und seine Gefährten – alle Wissenschaftler und Mitglieder eines Clubs für historische Seeschifffahrt – hatten beim Heranwachsen der ACHTERDECK aus einer Virenwolke auf diesem Detail bestanden. Sie nannten das Schiff auch nicht Vi, wie andere Vironauten das taten, sondern Käpt'n.

      »Öffne bitte, Käpt'n«, sagte Deike, als Jizi und er den Wohnraum erreichten.

      Die Siganesin seufzte zufrieden. Sie lenkte ihre Virenschaukel nur mit Gedankenkraft. Das schüsselförmige Gerät war eine auf sie abgestimmte Antigravplattform.

      Deike zeigte auf den offenen Durchgang zum Nebenraum. Er lächelte verheißungsvoll. Jizi landete ihre Virenschaukel unter dem dekorativen alten Schiffsruder und sprang auf den Boden. Dass sie 20 Schritte machen musste, während Deike nur einen tat, störte sie nicht.

      »Du machst es richtig spannend, Langer!«, rief sie über ihren Sprachverstärker.

      Im nächsten Moment schrie sie auf und blieb verblüfft stehen. »Die Comanzatara!« Jizis Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Es gibt sie tatsächlich, und du hast sie gefunden! Das ist phantastisch. Du wirst in die Annalen der Bioforschung eingehen.«

      »Halb so schlimm.« Deike hob die nur 18 Zentimeter messende Frau vorsichtig in die Höhe. »Obwohl ich sie gefunden habe, gehört sie nicht mir. Herzlichen Geburtstag zum Geburtstag, meine Kleine! Die Comanzatara ist dein Geschenk.«

      »Das kann ich nicht annehmen, Rainer!« Ausnahmsweise benutzte sie den richtigen Namen ihres großen Freundes.

      »Doch! Du kannst. Allerdings hätte ich nichts dagegen, wenn du mich an den Forschungsarbeiten beteiligen würdest.«

      Sie sprang aus seiner Hand auf seine Schulter und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

      »Erzähl mir, wie du Comanzatara gefunden hast«, bat sie. »Ich muss alles genau wissen.«

      »Und du berichtest, was sich hier ereignet hat, während ich weg war.«

      »Das ist zweitrangig ...«

      Neun Männer und neun Frauen, das war die Mannschaft der ACHTERDECK. Oder anders ausgedrückt: sieben Paare und vier Singles. Rainer Deike und Jizi Huzzel waren zweifellos das merkwürdigste der Paare. Sie kannten einander seit Jahren, und immer schon hatten sie ihrer Arbeit weit draußen im Weltraum nachgehen wollen. Alle an Bord der ACHTERDECK verbanden Fernweh und Forschungsdrang. Nur ein Mann hatte letztlich einen Rückzieher gemacht und sich einer anderen Gruppe von Vironauten angeschlossen.

      Das Schiff bestand deshalb aus zwölf Sektoren, von denen einer nicht bewohnt war. Jeder Sektor hatte einen Wohn-und-Laborbereich, der nach den Wünschen der Nutzer gestaltet worden war. Nur in Deikes Abschnitt existierte überhaupt so etwas wie eine Kommandozentrale, wenngleich diese völlig anders aussah als der Standard auf galaktischen Raumschiffen. Abgesehen von zwei Sitzmöbeln und einem kleinen Tisch war dieser Raum leer. Gesteuert wurde das Virenschiff ohnehin nur über mündliche Anweisungen. Der Unterschied zwischen der Zentrale und allen anderen Räumen bestand lediglich darin, dass Käpt'n hier umfangreichere Möglichkeiten der Kommunikation und bildlichen Darstellung zur Verfügung standen.

      Eine weitere Besonderheit an Bord stellte Sektor 2 dar, denn dort lebten zwei Maahks in der Abgeschlossenheit ihrer Methanatmosphäre. Sie hießen Grek-98 und Grek-99 und waren als Berater an einer terranischen Universität tätig gewesen. Beide hatte nach der Aktivierung des Chronofossils Terra ebenso das Fernweh ergriffen wie viele andere Nichtterraner. Das Virenschiff hatte ihnen eine Umgebung geschaffen, die ihrem Metabolismus als »Giftgasatmer« in jeder Hinsicht entsprach. Dazu gehörten nicht zuletzt Schutzanzüge, die es den Maahks erlaubten, sich jederzeit außerhalb ihrer Unterkunft zu bewegen.

      Die Ereignisse rund um Reginald Bulls EXPLORER interessierten die Besatzung der ACHTERDECK kaum. Dreimal seit dem Aufbruch aus dem Solsystem hatte das Segment 1234 abgekoppelt. Die Forscher waren dabei ihren eigenen Weg gegangen, aber stets rechtzeitig zurückgekehrt, weil sie sich ohne den Pulk einsam fühlten. Die Nähe aller anderen Virenschiffe vermittelte eben ein Gefühl der Sicherheit.

      Deike hatte mit seinen Begleitern darauf verzichtet, an den Exkursionen nach Gyhdai teilzunehmen. Die biologisch tote Welt interessierte ihn und die anderen nicht; sie hatten ein eigenes Ziel gesucht – und waren fündig geworden: ein Planet nur mit pflanzlichem Leben, ohne Fauna. Schon das war ein grandioser Erfolg.

      Darüber hinaus hatte Jizi Huzzel eine verfallene Hütte entdeckt, die bewies, dass vor nicht zu langer Zeit raumfahrende Intelligenzen gelandet sein mussten. Die Ausbeute in der Hütte schien zunächst bedeutungslos zu sein: ein Stück Draht, mehr nicht.

      Erst an Bord der ACHTERDECK, nachdem Käpt'n alle mitgebrachten Proben als unbedenklich eingestuft hatte, war deutlich geworden, dass der winzige Draht Informationen in Form magnetisch gepolter Segmente enthielt.

      Der Draht war unvollständig. Doch schon das kleine Stück erwies sich für Deike und die Siganesin brisanter als eine Arkonbombe.

      ... du eine gute Tat tun willst, Fremde, die du dies liest. Das All ist voll mit Wundern, die zu sehen sich lohnt. Zugleich gibt es beherrschende Kräfte, die du meiden sollst. Und tödliche Gefahren, die du erkennen musst. Da sind farbenprächtige Sterne, deren Planeten Leben geboren haben, das du bestaunen wirst. Und dunkle Schlünde, durch die du gehen kannst, falls du das Leben nicht liebst. Es gibt die Sünde, der du dich schuldig machst, wenn du eine Pflanze zertrittst. Es gibt den Schein der Morgenröte, den du vergessen wirst, wenn dein Abend naht. Da ist das Wunder der Unsterblichkeit des Kosmos, das du erahnen kannst ...

      Zahlen und Binärcodes... Womöglich Koordinaten?

      Das All lebt. Auch die Zonen zwischen den Sternen leben. Nichts ist tot. Alles ist in Bewegung. Das eine schnell, das andere langsam, manches scheinbar ruhend. Deine kümmerlichen Sinne können diese Bewegung oft nicht erfassen. Sie sind zu stumpf. Oder besitzt du die Gabe, Comanzatara zu verstehen? Wohl kaum ...

      Wieder geheimnisvolle Bits, ein rhythmisches Muster, vielleicht eine Art von Begleitmusik? Der Umsetzversuch Käpt'ns in eine Melodie stimmte Rainer Deike und Jizi Huzzel so traurig, dass sie diese Passage nie wieder hören wollten.

      ... es gibt sie: Comanzatara. Wenn du ihr begegnest, solltest du ihr beistehen. Sie braucht Hilfe. Sie ist nichts, wenn du sie mit den Wundern des Kosmos vergleichst, trotzdem ist sie schön. Ihre Pracht wird dich so faszinieren, dass du ihr eigentliches Problem übersiehst. Und niemand wird es dir nennen. Du kannst Comanzatara nur helfen, wenn du ihre Ewige Frage selbst findest – und die Antwort darauf ebenfalls. Das mag für dich, Fremde, geheimnisvoll klingen. Ich sage dir, dass es nicht geheimnisvoll ist. Es ist das Leben – das größte Wunder, das unser All aus sich heraus geboren hat. Wir alle verstehen nicht, was sich hinter diesem grandiosen Schöpfungsakt verbirgt, vor dem wir uns mit tiefer Ehrfurcht verneigen und rufen: »Das wollen wir erhalten!« Falls du das nicht glaubst, hör auf, diese Nachricht zu lesen, denn dann kannst du Comanzatara nicht helfen ...

      Erneut folgten unverständliche Zeichen und Symbole, aus denen nur ein verständliches Wort erkennbar wurde: Ciclaun. Es klang wie ein Name. Alles andere in diesem winzigen Abschnitt des Drahtes blieb wirr und unverständlich.

      ... sage dir, wie du Comanzatara erkennst. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihre scheinbare Einmaligkeit. Ich sage dir, Leserin dieser Botschaft, sie ist einmalig! Aber wenn du sie fragen würdest und sie dir antworten könnte, würde ihre Antwort anders lauten. Sie ist eine Frau. Eine Pflanze, ein Geschöpf des Bodens, mit dem und aus dem sie lebt. Sie ist unstet und schön. Wunderschön! Lass dich davon nicht täuschen, denn ihre prächtige Ausstrahlung schadet ihr und verhindert, dass du erkennst, was sie wirklich ist. Sie ist permanent wie die Bewegungen der Sterneninseln. Sie ist lebendig wie jedes Atom, das den Weltraum zu dem macht, was er ist. Sie ist schön und XXX. Ich habe dieses Wort nachträglich gelöscht, Fremde, die du dies liest. Wenn es weiterhin an dieser Stelle stünde, hätte ich den ersten Schritt, den du vollziehen sollst, schon in ein Stolpern verwandelt. Hab also