– 4058 Basel, Schweiz
Inhalt
2 Hygiene, Instrumente und Nahtmaterialien
Fabio Saccardin, Constantin Berli, Andreas Filippi
3 Nahttechniken in der Oralchirurgie
4 Schnittführungen und Lappentechniken
Jochen Jackowski, Hendrik Zeiß, Korbinian Benz
6 Präoperative Röntgendiagnostik
Dorothea Dagassan-Berndt
7 Techniken der Zahnentfernung
Andrea Zürcher
8 Explantation
Sebastian Kühl
9 Operative Zahnentfernung
Sebastian Kühl
10 Operative Entfernung und Koronektomie von Weisheitszähnen
Marc Joos, Fabio Saccardin, Dorothea Dagassan-Berndt, Andreas Filippi, Sebastian Kühl
11 Verschluss eröffneter Kieferhöhlen
Fabio Saccardin, Sebastian Kühl
12 Bandexzisionen
Silvio Valdec, Bernd Stadlinger
13 Exzisions- und Inzisionsbiopsien am Weichgewebe
Zeynab Ahmed, Irène Hitz Lindenmüller
14 Medikamentöse Vor- und Nachbehandlung
Petra Rugani, Stephan Acham, Norbert Jakse
15 Verhalten nach oralchirurgischen Eingriffen
Andreas Filippi
16 Mundhygiene nach oralchirurgischen Eingriffen
Cornelia Filippi
17 Komplikationen nach oralchirurgischen Eingriffen und deren Management
Bernd Stadlinger, Silvio Valdec
18 Evidenzbasierte Aspekte der Oralchirurgie
Frank Peter Strietzel
Vor jeder (zahn-)medizinischen Therapie und Nachsorge steht die Anamnese. Da nur wenige Zahnärztinnen und Zahnärzte eigene Erfahrungen mit schweren Zwischenfällen in der Praxis gemacht haben, ist das Bewusstsein für solche Risiken leider nur wenig ausgeprägt. Allerdings ist aus der Medizin bekannt, dass ein Großteil der Arztfehler auf eine unzureichende Anamnese zurückzuführen ist. Der Zahnarzt kann also seiner Verantwortung, bezogen auf eine komplikationslose Behandlung der Patienten, nur durch das Beachten der Anamnese gerecht werden. Wenn die Anamneseerhebung gut organisiert ist und der Patient mit einbezogen wird, kann diese unkompliziert in den Praxisalltag intergiert werden, Komplikationen verhindern und die Patientenbindung durch aufgebautes Vertrauen optimieren. Eine fundierte Anamnese bildet somit die Grundlage einer jeden Diagnosestellung, ist zentral für die Therapieplanung und ermöglicht es auch, in der Nachsorge gezielte Anpassungen der Verlaufskontrollen oder gar weitere therapeutische Maßnahmen einzuleiten.
Der Begriff „Anamnese“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Gedächtnis bzw. Erinnerung. In der zahnärztlichen Praxis wird die Anamnese in der Regel mit standardisierten Fragebögen durchgeführt (Abb. 1-1), die in ausgedruckter Form oder auch digital („online“) durch den Patienten ausgefüllt werden. Die Patientenangaben zur medizinischen/zahnmedizinischen Vorgeschichte sollten immer in einem gezielten Gespräch zwischen Therapeut und Patient nachgefragt bzw. überprüft werden. Nicht selten fehlen relevante Angaben zu vorhandenen Erkrankungen oder der aktuellen Medikation, da der Patient die Fragen im Anamnesebogen nicht richtig versteht, die Medikamentennamen nicht kennt oder diese einfach vergessen hat. Dank der Anamnese wird zudem ein Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient aufgebaut, das einen wichtigen Grundstein für die weiteren diagnostischen und therapeutischen Schritte bildet.
Abb. 1-1 In der zahnärztlichen Praxis und auch an Universitätskliniken wird die Anamnese in der Regel mittels standardisierter Fragebögen vor der eigentlichen Konsultation durchgeführt. Das hier gezeigte Anamneseblatt (a und b) wird am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB verwendet.
Eine Anamnese ist kein statischer bzw. einmaliger Vorgang. Im Gegenteil: Man sollte die Anamnese als opportunistischen Aspekt bei Diagnosefindung, Therapie(-Planung) und Nachsorge in der Zahnmedizin und besonders auch in der Oralchirurgie verstehen. Das heißt, eine Anamnese sollte bei der initialen Befundung ausführlich und detailliert erfolgen, was auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen kann. Danach sollte die Anamnese bei jeder sich bietenden Gelegenheit kurz geprüft und falls nötig angepasst werden, was den opportunistischen Charakter der Anamnese unterstreicht. Somit ist die Anamnese als dynamischer Prozess in der oralchirurgischen Therapie zu verstehen.
Eine Anamnese wird nach folgenden Teilaspekten strukturiert:
■die medizinische bzw. allgemeine Anamnese,
■die Sozial- und Familienanamnese und
■die spezifische zahnärztliche Anamnese, welche die aktuellen Beschwerden und auch den Grund des Arzt-/Zahnarztbesuchs (subjektiver Patientenwunsch) erfassen soll.
Bei Patienten mit Demenz sollte die Anamnese idealerweise unter Hinzuziehung einer für den Patienten verantwortlichen Person erfolgen. Bei Verständigungsproblemen (beispielsweise bei Migranten/Asylsuchenden) sollte ein Dolmetscher organisiert werden. Bei Minderjährigen ist eine erziehungsberechtigte Person einzubeziehen. Im Folgenden soll auf die einzelnen Aspekte der Anamnese im Detail eingegangen und deren Bedeutung für die Diagnosestellung, Therapieplanung und auch Nachsorge zur Vermeidung von Komplikationen dargestellt und diskutiert werden.
Die allgemeine Anamnese: Erfassung der medizinisch relevanten Diagnosen und Medikation
Die allgemeine Anamnese wird meist primär in Form von standardisierten Fragebögen