Nataly von Eschstruth

Ewige Jugend


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      Nataly von Eschstruth

      Ewige Jugend

      Roman

      Saga

      Ewige Jugend

      German

      © 1920 Nataly von Eschstruth

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711472927

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Erstes Kapitel

      In goldenen Sonnenschein gebadet lag die Welt.

      Reich üppig, zauberhaft schön, — verschwenderisch in alle Pracht und Farbenglut getaucht, mit der der erste südliche Lenz seinen Malkasten aus des lieben Herrgotts Überfluss gefüllt.

      „Lobelia! Hast du dich auch nicht auf den hohen Thermometerstand verlassen und an warme Kleidung für den Heimweg gedacht?“

      Der ältere Herr, der mit fröhlich kraftvoller Stimme die Worte gerufen, blieb stehen und atmete in tiefen Zügen die köstliche Himmelsluft. Schon auf zehn Schritte weit sah man ihm den pensionierten Offizier, den kernigen Soldaten an.

      Ein scharf gezeichnetes Profil, graumelierter, starker Schnurrbart, noch etwas altmodisch wagrecht gedreht, ein Sportanzug, der einen leichten Einschlag in das Weidmännische hatte, und den Ferngucker am Riemen, um den Hals gehängt, war das äussere Signalement des Oberst von Welten, des Onkels der früh verwaisten Nichte Lobelia, die ihn sowohl wie Tante Adele zum Winteraufenthalt nach Meran begleitet hatte.

      Herr Alois Sturmlechner, der freundliche alte Hagestolz und Villenbesitzer in Obermais, der Herrn von Welten im Café an der Gilf kennengelernt und sich als leidenschaftlicher Naturschwärmer und Lokalpatriot der Familie für Ausflüge in die Umgebung Merans zur Verfügung gestellt hatte, repräsentierte den dritten im Bund von der tatenlustigen kleinen Partie, die heute den Kurs nach Schönna, resp. der Masulschlucht genommen. — Er war gross und hager, hatte enorm lange Beine und kleidete sich mit Vorliebe echt tirolisch, ein wenig mit „Salonbeigeschmack“, ohne jedoch gigerlhaft zu übertreiben. Es waren überraschend frühe Lenzestage in das gottgesegnete Blütental Meran eingezogen.

      Die Sonne stand am tiefblauen Himmel und zauberte auf der Gilfe ein wahrhaft italienisches Leben hervor — das Wintergrün in den Gärten stand dunkel gesättigt im grellen Licht, und drunten auf den sammetigen Rasenflächen begann es zu knospen und zu blühen, zu duften und zu maien, als ob alle Glocken von nah und fern den Siegeseinzug von Lenz und Liebe in seligen Akkorden verkünden wollten.

      Herr von Welten stand einen Augenblick auf der Strasse von Obermais still, um noch einmal nach dem Parkhotel, den Fenstern seiner erholungsbedürftigen Frau zurückzuwinken und alsdann den Blick voll Entzücken über das ideale Landschaftsbild schweifen zu lassen.

      „Ja, es ist ein herrliches Erdenfleckchen, dieses Meran!“ nickte der Oberst, und er wandte sich und sah der Nichte mit beinah schalkhaftem Blick in das morgenfrische, süsse Mädchengesicht: „so ganz dazu angetan, Jugend und Schönheit in seinen Grenzen aufzuspeichern! — Da drunten die Löselbuben, mit den flatternden Bändern und Sträusslein am Hut, und hier die wandelnden Blumen in Menschengestalt!“

      Herr Sturmlechner verneigte sich wie in selbstverständlicher Huldigung vor Lobelia. „Da hat der Herr Onkel recht, Gnädigste! Küss die Hand! Wie ich zum erstenmal Ihren schönen Namen Lobelia gehört habe, gedachte ich meiner Mutter selig, die so viel schöne Lobeliablüten in ihrem Garten gepflegt hat! Akkurat so rosig und sammetweich, wie Ihre Wangen sind!“

      Das junge Mädchen lachte.

      „Wenn ich Sie heut aus der Tauf’ heben sollte, Gnädigste, so würde ich den Schalk im Nacken haben und Ihnen einen gar absonderlichen Blumennamen geben.“

      „Hört, hört! Jetzt werden Sie wohl galant, Freund Loisl!“

      „Na, so gar schmeichelhaft ist er am End’ nit! — Ich schaute mir nur grad das flotte, kurze Gewandel mit dem vieltaschigen Jopperl an, und das Grünhütel, na, und nit grad zum Schluss den prallen kleinen Rucksack, den die Baroness’ sich umgeschnallt haben; da wär’ zu den Löselbuam wohl ein Blümerl passend, das man bei uns dahier ‚Hirtentäschel‘ nennt!“

      Onkel und Nichte lachten hell auf, und Herr Sturmlechner freute sich, dass er einen Witz gemacht hatte.

      „Heut nehmen wir kein’ Umweg, wenn wir in die Masulschlucht wollen. Da ist ein so gottherrlicher Weg, den sonst kein Fremder zu sehen kriegt. Ein bisserl abseits in die Schluft hinein. Droben weiss ich eine Senne. Möglicherweise sind schon Leute droben, dann haben wir auch gute Einkehr!“

      Fröhlicher Gesang schallte ihnen entgegen. Weinselige Stimmen.

      Ein Trupp Löselbuben, die jungen österreichischen Rekruten, die zur Ausmusterung in die Stadt beordert sind.

      Junge, stramme Alpner, flotte, wetterfeste Burschen, sehnig und gebräunt, aus den südlich gelegenen Tälern, die Hüte keck auf einem Ohr, Sträusse und flatternde Bänder und glühheisse Gesichter, aus denen grell die Zähne blitzen.

      „Angetrunken sind sie alle!“ lachte Herr Alois, „aber an Schaden tuen’s nit!“

      Die Strasse sperrend, schwanken und stampfen sie heran.

      Aller Augen richteten sich auf Lobelia.

      Das Entzücken über ihre reizende, jugendfrische Schönheit flammt in den Augen auf.

      „Grüass di Gott, du sakrisch, blitzsauberes Dirndel!“ grölt der eine, und ehe sich das junge Mädchen versieht, haben sie zwei starke Arme gefasst und mit einem Jodler in die Luft geschwenkt. — So ist es beim Schuhplattler Sitte, wenn der Tänzer seine Partnerin hoch emporhebt, in urwüchsiger Freude zu zeigen, wie das Madel des Burschen Höchstes und Liebstes ist, das er noch über sich selbst erhebt.

      Auch bei den Löselbuben herrscht diese verliebte Sitte, aber sie kam der völlig ahnungslosen jungen Dame so überraschend, dass sie einen lauten Schrei des Schreckens ausstiess.

      Herr von Welten glaubte auch nicht anders, als dass es sich um die kecke Ungehörigkeit eines angetrunkenen Burschen handele; er sprang jäh herzu und hob den Arm, seine Nichte an sich zu reissen, um sie vor weiteren Frechheiten zu schützen. Da stellte der Rekrut aber sein ‚I-Tipferl‘ fein säuberlich und sogar recht sanft auf den Erdboden zurück, sah dem reizenden Mädchen mit blitzenden Augen in das heiss erglühte und erschreckte Antlitz und schwenkte sein Grünhütel so übermütig lachend in der Luft, dass die metallenen Zitternelken zwischen dem farbigen Band lichte Funken sprühten.

      „Nix für ungut!“ rief er. „Mir san heut all ausser Rand und Band, und so an Liebeserklärung an ein rosetes Madel is unser gutes Recht ... Koan Larifari! „I hab’ kein’ Rauschika! I siech alleweil noch sehr genau, wo so zwa Sterndel am Himmel zum Schatz leuchten!“

      Wieder ein brausendes Hallo seiner beiden Begleiter, alle wirbelten die Hüte mit Spielhahn, Rosetten und Buschen wie in harmloser und versöhnlicher Biederkeit auch gegen die Herren.

      „Der Vinzenz hat recht! — Itz kennet ma den Weg!“

      Und dann setzten die frischen, weinfeuchten Kehlen ein:

      „Zwoa Sterndel am Himmel,

      Die leuchten zusamm,

      Der oan leucht zum Dierndel

      Der andre leucht hoam!“

      Und nun ein Jodler, so schneidig, so köstlich frisch, echt und gewaltig,