Ted Chiang

Geteilt durch Null


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Flechtkörbe aus Schilfrohr, Ballen mit Leinen, Stühle und Tische aus Holz. Auch gab es einen gemästeten Ochsen und eine Ziege, denen einige Priester Hauben über den Kopf stülpten, damit die Tiere nicht nach links oder rechts schauen konnten und Angst vor dem Aufstieg bekamen. Sie würden geopfert, sobald der Zug die Spitze erreichte.

      Dann waren da Karren, die mit Hämmern, Spitzhacken und allem Nötigen für eine kleine Schmiede beladen waren. Ihr Vorarbeiter hatte auch für eine Anzahl Karren mit Holz und Schilfrohrbündeln gesorgt.

      Lugatum stand neben einem Karren und zurrte die Seile fest, die das Holz hielten. Hillalum ging zu ihm. »Von wo stammt dieses Holz? Ich habe keine Wälder gesehen, seit wir Elam verlassen haben.«

      »Nördlich von hier gibt es einen Wald, den man gepflanzt hat, als man mit dem Turmbau begann. Das gefällte Holz wird mit Flößen den Euphrat hinuntergebracht.«

      »Ihr habt einen ganzen Wald gepflanzt?«

      »Als man anfing, den Turm zu errichten, wussten die Architekten, dass man mehr Holz zum Befeuern der Brennöfen brauchen würde, als sich in der Ebene finden ließ, also haben sie einen Wald anlegen lassen. Arbeiter kümmern sich um dessen Bewässerung, und es ist ihre Pflicht, für jeden gefällten Baum einen neuen zu pflanzen.«

      Hillalum war verblüfft. »Und das reicht für all das Holz, das benötigt wird?«

      »Für das meiste jedenfalls. Viele weitere Wälder im Norden sind gerodet und ihr Holz den Fluss hinabgebracht worden.« Lugatum besah sich die Räder des Karrens, entkorkte eine kleine Flasche, die er bei sich trug, und träufelte ein wenig Öl zwischen Rad und Achse.

      Nanni kam zu ihnen und blickte hinunter auf die Straßen Babylons, die sich vor ihnen ausbreiteten. »So weit oben, um auf eine Stadt herabblicken zu können, war ich noch nie.«

      »Ich auch nicht«, sagte Hillalum, doch Lugatum lachte nur.

      »Kommt mit mir. Die Wagen sind bereit.«

      Bald darauf wurden die Männer in Zweiergruppen jeweils einem Wagen zugeteilt. An jedem Karren gab es zwei Zugstangen mit Seilschlaufen, und die Männer standen zwischen den Stangen. Um ihr Tempo zu gewährleisten, wechselten sich die Karren der Bergarbeiter mit denen der gelernten Karrenzieher ab. Lugatum und ein weiterer Mann zogen den Wagen gleich hinter Hillalum und Nanni.

      »Denkt daran«, sagte Lugatum. »Bleibt immer zehn Ellen hinter dem Karren vor euch. Der Mann rechts zieht alleine, wenn ihr um eine Ecke biegt, und ihr wechselt euch jede Stunde ab.«

      Ein Karren nach dem anderen rollte die Rampe hinauf. Hillalum und Nanni knieten nieder und legten sich die Schlaufen ihres Wagens über die Schulter, der eine über die rechte, der andere über die linke. Dann richteten sie sich gleichzeitig auf und hoben das Vorderteil ihres Wagens an.

      »Und jetzt zieht«, rief Lugatum.

      Sie stemmten sich in die Seile, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Rollte der Karren erst einmal, schien er gar nicht so schwer, und sie machten sich auf den Weg um die Plattform. Sie erreichten die Rampe, und wieder mussten sie sich kräftig ins Zeug legen.

      »Das soll ein leichter Wagen sein?«, murmelte Hillalum.

      Die Rampe war breit genug, damit ein Mann an einem Wagen vorbeigehen konnte. Der Boden war mit Steinen gepflastert, in die Wagenräder im Laufe der Jahrhunderte zwei tiefe Furchen gegraben hatten. Über ihnen spannte sich die Decke in Form eines Karggewölbes, dessen breite, rechteckige Steine sich überlappten, bis sie sich in der Mitte trafen. Die Säulen zu ihrer Rechten waren breit genug, um die Rampe fast in einen Tunnel zu verwandeln. Schaute man nicht dorthin, hatte man kaum noch den Eindruck, sich auf einem Turm zu befinden.

      »Wenn ihr im Berg schuftet, singt ihr dann?«, fragte Lugatum.

      »Wenn der Stein weich ist«, sagte Nanni.

      »Dann singt eines eurer Bergwerkslieder.«

      Die Aufforderung machte die Runde durch die Reihen der anderen Bergarbeiter, und kurz darauf sang der ganze Trupp.

      Während sie höher und höher hinaufstiegen, wurden die Schatten immer kürzer. Geschützt vor der Sonne, umgeben nur von klarer Luft, war es hier viel kühler als in den engen Gassen der Stadt, wo die Mittagshitze Eidechsen umbringen konnte, die über die Straße krochen. Blickten sie zur Seite hinaus, konnten die Bergarbeiter den dunklen Euphrat und die sich weithin ausbreitenden grünen Felder sehen, die von im Sonnenlicht glitzernden Kanälen unterteilt wurden. Die eng beieinanderliegenden Straßen und mit Gips verputzten Gebäude Babylons bildeten ein komplexes Muster, vom dem sich umso weniger erkennen ließ, je näher es sich scheinbar an den Turm schmiegte.

      Als Hillalum wieder einmal auf der Randseite an der rechten Schlaufe zog, vernahm er von der aufwärtsführenden Rampe unter ihnen einiges Geschrei. Er dachte schon daran, stehen zu bleiben und über den Rand hinunterzublicken, aber er wollte die Kolonne nicht aus dem Schritt bringen und hätte die untere Rampe sowieso nur undeutlich gesehen. »Was geht dort unten vor sich?«, rief er zu Lugatum.

      »Einer von euren Bergarbeitern hat Angst vor der Höhe. Unter denen, die zum ersten Mal den Turm erklimmen, gibt es hin und wieder einen solchen Mann, der sich an den Boden klammert und nicht weiter aufwärts gehen kann. Nur wenige überkommt es allerdings schon so früh.«

      Hillalum konnte das nachvollziehen. »Wir kennen eine vergleichbare Angst unter denen, die Bergarbeiter werden möchten. Manche Männer ertragen es nicht, in die Minen hinabzusteigen, aus Furcht, sie könnten verschüttet werden.«

      »Wirklich?«, rief Lugatum. »Davon habe ich noch nie gehört. Wie kommst du mit der Höhe zurecht?«

      »Ich spüre nichts.« Aber er warf Nanni einen Blick zu, und sie beide wussten es besser.

      »Du spürst ein nervöses Kribbeln in den Handflächen, nicht wahr?«, flüsterte Nanni.

      Hillalum rieb sich die Hände an den rauen Fasern des Seils und nickte.

      »Ich habe es auch gespürt, vorhin, als ich dem Rand näher war.«

      »Vielleicht sollten wir auch Scheuklappen tragen, wie der Ochse und die Ziege«, murmelte Hillalum im Spaß.

      »Denkst du, uns überkommt die Angst auch, wenn wir noch höher steigen?«

      Hillalum überlegte eine Weile. Es gefiel ihm nicht, dass einer ihrer Kameraden schon so früh die Nerven verlor. Er schob den Gedanken beiseite; Tausende stiegen ohne Furcht auf den Turm, und es wäre dumm, wenn sie sich alle von der Angst eines Mannes anstecken lassen würden. »Wir sind es nur nicht gewohnt. Uns bleiben noch Monate, um mit der Höhe vertraut zu werden. Haben wir erst einmal die Spitze des Turmes erreicht, werden wir uns wünschen, er wäre höher.«

      »Nein«, sagte Nanni. »Ich glaube nicht, dass ich mir jemals wünschen werde, den Karren noch weiter ziehen zu müssen.« Sie lachten beide.

      Abends aßen sie eine Mahlzeit aus Gerste, Zwiebeln und Linsen und schliefen in den engen Korridoren, die ins Innere des Turmes führten. Als sie am nächsten Morgen erwachten, waren die Bergarbeiter kaum in der Lage zu gehen, so sehr taten ihnen die Beine weh. Die Karrenzieher lachten und gaben ihnen eine Salbe, um ihre Muskeln damit einzureiben, und sie schichteten die Fracht auf den Karren so um, dass die Bergarbeiter weniger zu ziehen hatten.

      Wenn Hillalum jetzt an der Seite des Turmes hinabschaute, wurden ihm die Knie weich.

      In dieser Höhe blies ein stetiger Wind, und er ahnte, dass er stärker werden würde, je höher sie kamen. Er fragte sich, ob jemals einer der Arbeiter in einem unachtsamen Augenblick vom Turm geweht worden war. Und der Sturz – ein Mann hätte genug Zeit, um ein Gebet zu sprechen, bevor er auf dem Boden aufschlug. Hillalum schauderte bei dem Gedanken.

      Der zweite Tag war wie der erste, vom Muskelkater in den Beinen der Bergarbeiter einmal abgesehen. Sie konnten nun viel weiter blicken, und die Größe des Landes war überwältigend; jenseits der Felder wurden die Wüsten sichtbar, und Karawanen schienen kaum mehr zu sein als Linien aus Insekten. Kein weiterer Bergarbeiter fürchtete die Höhe so sehr, dass er nicht weitergehen konnte,