Regina Mars

Frostsklave


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goldenen Ähren geschmückt. In der Mitte des Platzes war das riesige Strohfeuer aufgebaut, das sie um Mitternacht anzünden würden.

      Die Dämmerung nahte, als Lukacs und Gal ankamen. Sie hatten sich auf dem Weg nicht gerade beeilt. Lukacs hatte angeboten, dass sie beide auf dem Schimmel reiten könnten, einer vorne, einer hinten. Aber Gal wäre hinten gewesen und er hatte Angst, dass er sich in Lukacs' Nähe nicht beherrschen könnte. Dass der seinen Hammer an seinem perfekten Arsch spüren würde, bevor das Pferd drei Schritte gemacht hatte. Außerdem wollte er die Zeit genießen. Hier auf dem Fest würden Lukacs' Freunde sein und alle würden Gal anstarren. Auf dem Weg hatte er seinen Freund für sich allein.

      Gals Familie war schon da. Er sah Soos mit Freunden trinken, lachen. Ihre Gesichter glänzten knallrot und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Erste reiherte. Vermutlich Soos, so wie der schwankte.

      Seine Eltern tranken ebenfalls, ernsthaft und schweigend. Sie saßen etwas abseits, an einer krummen Bank mit Tisch und sahen dem Treiben zu.

      »Ich bring das Pferd weg«, sagte Lukacs. »Besorg du das Bier.« Er drückte Gal ein paar Münzen in die Hand. Viel zu viele. »Bursche.«

      »Nur zu gern, edler Herr.« Gal verbeugte sich so tief, dass er fast umkippte. »Ich vermute, Ihr wünscht ein Dunkelbier, so schwarz wie Eure Seele.«

      »Du kennst mich, mein Bester.« Lukacs strich sich über einen nicht vorhandenen Schnäuzer. »Nun denn, wohlan und so weiter. Ich empfehle mich. Bis in Bälde.«

      »Bis denne.«

      Wäre Lukacs mein Mädel, könnte ich ihn küssen, dachte er und versuchte, den Gedanken fortzubrennen. Er blickte Lukacs nach, der in der Menge verschwand, den Gaul neben sich. Fühlte eine sehnsüchtige Leere.

      Er sah sich nach Horvaths Dunkelbierstand um. Wie immer wurde der von Leuten in feinen Kleidern umlagert. Lukacs' Vater zum Beispiel. Gal hatte keine Ahnung, ob er ihn ansprechen sollte. Das Problem erledigte sich, als der Bürgermeister verharrte, als hätte er etwas Furchtbares gerochen, und ihm den Kopf zuwandte. Eine Furche erschien zwischen seinen Augenbrauen. Gal nickte ihm zu.

      Der Bürgermeister sah weg.

      Alles klar, Alter, dachte Gal. Du magst mich nicht. Hast Angst, dass deinem Sohn was passiert, mit einem Verfluchten im Haus. Dass die Leute reden. Aber das treibe ich ihnen aus. Ich werde der verdammt netteste Kerl der Welt sein und der beste Diener überhaupt.

      Ja, er war von seltsamer Zuversicht erfüllt. Trotz der üblichen Blicke, trotz der Leute, die wegsahen und der Kinder, die ihn hinter den Röcken ihrer Mütter hervor anstarrten, war er sicher, dass er sie dazu bringen konnte, ihn zu akzeptieren. Oder wenigstens nicht weiter zu glotzen, als hätte er nicht nur Hörner, sondern auch eine Dämonenfratze, Hufe und sechs Titten wie eine Sau.

      »Zwei Dunkelbier«, sagte er, laut und deutlich, sobald er sich zum Ausschank durchgekämpft hatte. Obwohl es ihn Überwindung kostete, lächelte er die Wirtin an. Sie lächelte zurück, unwillkürlich, aber … nun, sie lächelte. Einen Moment lang. Sie sah ihm sogar in die Augen, als sie sein Geld entgegennahm. Mit zwei Humpen in der Hand drängte er sich durch die Menge, versuchte, freundlich und unverflucht zu schauen. Schließlich schaffte er es, bis zu seinen Eltern zu kommen.

      Er nickte ihnen zu, als er sich gegenüber niederließ. »Ich habe eine Anstellung.«

      Seine Mutter schloss die Augen, nur einen Moment lang. Lang genug, dass er wusste, dass sie sich Sorgen gemacht hatte. Dass er ihr wirklich nicht egal war.

      »Dem Ewigen sei Dank.« Sie griff ihren Humpen fester. »Hatte der junge Andon was für dich?«

      »Hatte er.« Wärme durchflutete Gal. »Ist eine ganz gute Sache, und ich ziehe in die Stadt. Ich werde sein Diener.«

      Beide hoben die Augenbrauen.

      »Sein Diener?« Sein Vater lachte meckernd, warf den Kopf zurück und zeigte, wie viele Zähne ihm fehlten. »Sein Diener? Verarschst du uns, Junge?«

      »Ne.«

      »Echt?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Wärst besser Söldner geworden, Junge. Du bist so ein Trampel, die schmeißen dich sofort wieder raus. Und dann stehst du im Winter auf der Straße.« Er deutete auf den krummen Stand mit dem Banner des Herzogs, an dem die Anheurer rege Gespräche führten und Bier ausschenkten. An dem sich die überzähligen Söhne der ganzen Gegend herumdrückten. Die, die keine Anstellung gefunden hatten, die, die gern Helden wären und die, die zu besoffen waren, um zu kapieren, was sie da unterschrieben.

      »Ich werde ein scheißguter Diener«, behauptete Gal. »Ihr werdet schon sehen.«

      »Einen Dreck werden wir.« Mürrisch starrte sein Vater in den Humpen. »Zurück nehmen wir dich nicht, wenn's schief geht. Das Essen reicht kaum, um über den Winter zu kommen.«

      »Ich komm nie wieder zurück«, sagte er. »Höchstens, um bei der Ernte zu helfen, wenn's nicht anders geht. Was macht der Rücken, Vati?«

      Die Antwort war ein Grunzen. Gal sah zum Anheurer-Stand. Zwei Männer, beide lachend, redeten auf einen Burschen ein. Sie sahen aus wie Raubtiere. Ein Wolf und ein Wiesel. Oder dachte er das nur?

      Lukacs schien es ähnlich zu gehen. Er warf den beiden einen angewiderten Blick zu, als er an ihnen vorbeikam. Und strahlte, als er Gal sah.

      Das war's, dachte Gal. Ich kann ihn nicht enttäuschen. Nie. Ich werd total freundlich und nett sein. Zu allen. Immer. Das macht ein Diener, oder?

      »Andon. Für dich.« Er hob einen der Humpen. Der Schaum war schon ein wenig zusammengefallen, aber Lukacs nahm ihn entgegen, als wäre er der Kelch des Ewigen.

      »Danke.« Er ließ sich auf die Bank fallen und prostete Gals Eltern zu. »Danke, dass Sie mir Ihren Sohn überlassen. Er wird es gut bei mir haben.« Der Mistkerl zwinkerte sogar.

      »Danke, Herr Andon.« Die Stimme von Gals Mutter war verdächtig rau. Wagte sie es jetzt, Gefühle zu zeigen? Jetzt, da Gal versorgt war und sie nicht länger hart sein musste? »Ich danke Ihnen.«

      »Ja, vielen Dank.« Sein Vater hustete. Stieß mit Lukacs an und ließ sich zu einem schwachen Lächeln hinreißen. Der Schönling kriegte eben alle rum.

      Die Sonne sank und Wunder geschahen. Lukacs blieb an Gals Seite. Menschen setzten sich zu ihnen. Sogar neben Gal. Lukacs erzählte und lachte, fragte und schmeichelte. Es lag in seiner Natur, geliebt zu werden, dachte Gal. Er gab allen ein gutes Gefühl, und jeder, der mit ihm sprach, lächelte.

      Er war gesegnet, nicht verflucht. Kein Monster. Bestimmt würden sie ihn weiter lieben, auch wenn sie wüssten, dass er ein Kalter war. Bestimmt.

      Mit einem unbehaglichen Gefühl sah Gal zum Pranger, der heute mit Ähren geschmückt war. Nein, niemand würde Lukacs Andon dort anketten. Er hörte ihn lachen, warm und wohlig an seiner Seite. Sie leerten schon das dritte Bier und der Rausch ließ Gal nur noch entspannter werden.

      »Lukacs!« Eins von den anderen Söhnchen kam auf sie zu. Ein Söhnchen mit rotem Gesicht und rotem Hut. Erstaunlicherweise nickte es Gal zu. »Hallo, Biest.«

      Hä?

      »Hallo«, sagte Gal langsam.

      »Lukacs.« Der junge Mann deutete aufgeregt auf etwas, das weit hinter der Menschenmenge geschehen musste. »Komm mit! Es geht los!«

      Lukacs' Augen blitzten. Er sprang auf. Und packte Gals Arm. »Komm mit.«

      Gal ließ sich mitziehen. Vorbei an brutzelnden Spanferkeln und streitenden Säufern. Die Dunkelheit hatte sich über die Stadt gesenkt und die ersten Fackeln brannten. Ihr Licht tanzte über Lukacs Andons Haare.

      Das Schönste auf der Welt, dachte Gal, halb besoffen, halb verliebt.

      Verliebt?

      Er stolperte. Fing sich wieder. Rannte weiter hinter Lukacs her, der ihn nicht losließ.

      War es das? Liebe? Durfte er es so nennen? Schließlich wusste niemand davon, nur der Ewige.