Ludwig Tieck

Franz Sternbalds Wanderungen


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bin ein Maler, sagte Franz, und bin heute morgen aus Nürnberg ausgewandert.

      Ein Maler? rief jener aus, einer von denen, die für die Kirchen und Klöster die Bilder verfertigen?

      Recht, antwortete Franz, mein Meister hat deren schon genug ausgearbeitet.

      Oh, sagte der Schmied, was ich mir schon oft gewünscht habe, einem solchen Mann bei seiner Arbeit zuzusehen! denn ich kann es mir gar nicht vorstellen. Ich habe immer geglaubt, daß die Gemälde in den Kirchen schon sehr alt wären und daß jetzt gar keine Leute lebten, die dergleichen zu machen verstünden.

      Gerade umgekehrt, sagte Franz, die Kunst ist jetzt höhergestiegen, als sie nur jemals war, ich darf Euch sagen, daß man jetzt so malt, wie es die frühern Meister nie vermocht haben, die Manier ist jetzt edler, die Zeichnung richtiger und die Ausarbeitung bei weitem fleißiger, so daß die jetzigen Bilder den wirklichen Menschen ungleich ähnlicher sehen als die vormaligen.

      Und könnt Ihr Euch denn davon ernähren? fragte der Schmied.

      Ich hoffe es, antwortete Franz, daß mich die Kunst durch die Welt bringen wird.

      Aber im Grunde nützt doch das zu nichts, fuhr jener fort.

      Wie man es nimmt, sagte Franz, und war innerlich über diese Rede böse. Das menschliche Auge und Herz findet ein Wohlgefallen daran, die Bibel wird durch Gemälde verherrlicht, die Religion unterstützt, was will man von dieser edlen Kunst mehr verlangen?

      Ich meine, sagte der Gesell, ohne sehr darauf zu achten, es könnte doch zur Not entbehrt werden, es würde doch kein Unglück daraus entstehen, kein Krieg, keine Teurung, kein Mißwachs, Handel und Wandel bliebe in gehöriger Ordnung; das alles ist nicht so mit dem Schmiedehandwerk der Fall, als worauf ich reise, und darum dünkt mich, müßt Ihr mit einiger Besorgnis so in die Welt hineingehn, denn Ihr seid immer doch ungewiß, ob Ihr Arbeit finden werdet.

      Franz wußte darauf nichts zu antworten und schwieg still, er hatte noch nie darüber nachgedacht, ob seine Beschäftigung den Menschen nützlich wäre, sondern sich nur seinem Triebe überlassen. Er wurde betrübt, daß nur irgend jemand an dem hohen Werte der Kunst zweifeln könne, und doch wußte er jetzt jenen nicht zu widerlegen. Ist doch der heilige Apostel Lukas selbst ein Maler gewesen! fuhr er endlich auf.

      Wirklich? sagte der Schmied und verwunderte sich, das hätt ich nicht gedacht, daß das Handwerk schon so alt wäre.

      Möchtet Ihr denn nicht, fuhr Franz mit einem hochroten Gesicht fort, wenn Ihr einen Freund oder Vater hättet, den Ihr so recht von Herzen liebtet, und Ihr müßtet nun auf viele Jahre auf die Wanderschaft gehn, und könntet sie in der langen, langen Zeit nicht sehen, möchtet Ihr denn da nicht ein Bild wenigstens haben, daß Euch vor den Augen stände, und jede Miene, jedes Wort zurückriefe, das sie sonst gesprochen haben? Ist es denn nicht schön und herrlich, wenigstens so im gefärbten Schatten das zu besitzen, was wir für teuer achten?

      Der Schmied wurde nachdenkend, und Franz öffnete schnell seinen Mantelsack und wickelte einige kleine Bilder aus, die er selbst vor seiner Abreise gemalt hatte. Seht hieher, fuhr er fort, seht, vor einigen Stunden habe ich mich von meinem liebsten Freunde getrennt, und hier trage ich seine Gestalt mit mir herum; der da ist mein teurer Lehrer, Albrecht Dürer genannt, grade so sieht er aus, wenn er recht freundlich ist, hier habe ich ihn noch einmal, wie er in seiner Jugend gestaltet war.

      Der Schmied betrachtete die Gemälde sehr aufmerksam und bewunderte die Arbeit, daß die Köpfe so natürlich vor den Augen ständen, daß man beinahe glauben könnte, lebendige Menschen vor sich zu sehn. Ist es denn nun nicht schön, sprach der junge Maler weiter, daß sich männiglich bemüht, die Kunst immer höherzutreiben und immer wahrer das natürliche Menschenangesicht darzustellen? War es denn nicht für die übrigen Apostel und für alle damaligen Christen herrlich und eine liebliche Erquickung, wenn Lukas ihnen den Erlöser, der nicht mehr unter ihnen wandelte, wenn er ihnen Maria und Magdalena und die übrigen Heiligen hinmalen konnte, daß sie sie glaubten mit Augen zu sehen und mit den Händen zu erfassen? Und ist es denn nicht auch in unserm Zeitalter überaus schön, für alle Freunde des großen Mannes, des kühnen Streiters, den wackern Doktor Luther trefflich zu konterfeien und dadurch die Liebe der Menschen und ihre Bewunderung zu erhöhn? Und wenn wir alle längst tot sind, müssen es uns nicht Enkel und späte Urenkel Dank wissen, wenn sie dann die jetzigen Helden und großen Männer von uns gemalt antreffen? O wahrlich, sie werden dann Albrecht segnen und mich auch vielleicht loben, daß wir uns ihnen zum Besten diese Mühe gaben, und keiner wird dann die Frage aufwerfen: wozu kann diese Kunst nützen?

      Wenn Ihr es so betrachtet, sagte der Schmied, so habt Ihr ganz recht, und wahrlich, das ist dann ganz etwas anderes, als Eisen zu hämmern. Schon oft habe ich es mir auch gewünscht, so irgend etwas zu tun, das bliebe, und wobei die künftigen Menschen meiner gedenken könnten, so eine recht überaus künstliche Schmiedearbeit, aber ich weiß immer noch nicht, was es wohl sein könnte . . . Doch warum, lieber Maler, sieht man nur immer Kreuze und Leidensgeschichten und Heilige? Warum findet Ihr es denn nicht auch der Mühe wert, Menschen, wie wir sie in ihrem gewöhnlichen Wandel vor uns sehn, selbst mit ihren Possierlichkeiten und wunderlichen Gebärden abzuschildern? Aber freilich wird dergleichen wohl nicht gekauft; auch malt Ihr ja meistens für Kirchen und heilige Örter. Doch darin denkt Ihr gerade wie ich, ja, mein Freund, Tag und Nacht wollt ich arbeiten und mich keinen Schweiß verdrießen lassen, wenn ich etwas zustande bringen könnte, das länger dauerte wie ich, das der Mühe wert wäre, daß man sich meiner dabei erinnerte, und darum möcht ich gern etwas ganz Neues und Unerhörtes erfinden oder entdecken, und ich halte die für sehr glückliche Menschen, denen so etwas gelungen ist.

      Bei diesen Worten verlor sich der Zorn des Malers völlig, er ward dem Schmiedegesellen darüber sehr gewogen und erzählte ihm noch mancherlei von sich und Nürnberg; er erfuhr, daß der junge Schmied aus Flandern komme. Wollt Ihr mir einen großen Gefallen tun? fragte der Fremde.

      Gern, sagte Franz.

      So schreibt mir einige Worte auf und gebt sie mir an Euren Meister und Euren jungen Freund mit, ich will sie dann besuchen, und sie müssen mich bei ihrer Arbeit zusehen lassen, weil ich es mir gar nicht vorstellen kann, wie sich die Farben so künstlich übereinander legen: dann will ich auch nachsehn, ob Eure Bilder da ähnlich sind.

      Das ist nicht nötig, sagte Franz, Ihr dürft nur so zu ihnen gehen, von mir erzählen und einen Gruß bringen, so sind sie gewiß so gut und lassen Euch einen ganzen Tag nach Herzenslust zuschauen. Sagt ihnen dann, daß wir viel von ihnen gesprochen haben, daß mir noch die Tränen in den Augen stehen.

      Sie schieden hierauf, und ein jeder ging seine Straße . . .

      Fünftes Kapitel

      Wir treffen unseren jungen Freund vor einem Dorfe an der Tauber wieder an. Er hatte einen Umweg durch das blühende Frankenland gemacht, um einige Meilen von Mergentheim seine Eltern zu besuchen. Er war als ein Knabe von zwölf Jahren zufälligerweise nach Nürnberg gekommen und auf sein inständiges Bitten bei Meister Albrecht in die Lehre gebracht; wenige Bekannte und wohlhabende weitläuftige Verwandte ließen ihm einige Unterstützung zufließen, die er aber kaum bei seinem großmütigen Meister bedurfte. Es war schon lange gewesen, daß er von seinen Eltern, schlichten Bauersleuten, keine Nachricht bekommen hatte.

      Es war noch am Morgen, als er vor dem Wäldchen stand, das sich vor dem Dorfe ausbreitete. Hier war sein Spielplatz gewesen, hier hatte er oft in der stillen Einsamkeit des Abends voll Nachdenken gewandelt, indem die Schatten dichter zusammenwuchsen und das Rot der sinkenden Sonne tief unten durch die Baumstämme äugelte und mit zuckenden Strahlen um ihn spielte. Hier hatte sich zuerst sein Trieb zur Kunst entzündet, und er trat in den Wald mit einer Empfindung, wie man einen heiligen Tempel betritt. Er hatte vor allen einen Lieblingsbaum gehabt, von dem er sich oft kaum hatte trennen können; diesen suchte er jetzt eifrig mit zunehmender Rührung auf. Es war eine dicke Eiche mit vielen weit ausgebreiteten Zweigen, welche Kühlung und Schatten gaben. Er fand den Baum, er war in seiner alten Schönheit, und der Rasen am Fuße noch ebenso weich und frisch als ehemals. Wie vieler Gefühle aus seiner Kindheit erinnerte er sich an dieser Stelle: wie er