brachte für die Polit-Desperados gleich zweifachen Nutzen: Er schadete den Ölscheichs, die sicher keine Kommunisten waren – auch wenn sie solche bezahlten, um sie sich vom Leib zu halten –, und er legte die westliche Wirtschaft lahm. Terrortrupps, die bereit waren, unter Einsatz ihres Lebens dieses dreckige Geschäft mit dem Schwarzen Gold zu besorgen – sei es für Moskau oder auf Rechnung irgendeiner wahnwitzigen Splittergruppe –, gab es in Nahost im Dutzend.
Nunmehr hatte unsere Organisation erfahren, daß Selbstmordkommandos aus der Wüste unterwegs waren, um in Zusammenarbeit mit deutschen Terroristen, die bei den Fällen Ponto, Buback und Schleyer gezeigt hatten, daß sie vor nichts zurückschreckten, in Deutschland – und simultan in anderen westlichen Ländern – Anschläge planten, die ein unvorstellbares Chaos auslösen könnten.
Es gab nicht nur Schwierigkeiten und Drohungen aus dem nahöstlichen Untergrund, wir mußten auch Fehlreaktionen im eigenen Lager befürchten, die den Dritten Weltkrieg zünden konnten. Wir mußten zum Beispiel versuchen, die gefährlichen Spielereien eines hohen NATO-Diplomaten zu stoppen. »Wenn wir Libyen besetzen«, hatte er laut gedacht, »werden die Russen wohl kaum den Atomkrieg riskieren.«
Ein Spiel mit dem Tod. In Millionenzahl. Ich betrachte es als eine Aufgabe unserer Organisation, Wege zu finden, die weniger verlustreich, weniger gewaltsam, weniger blutig und weniger verbrecherisch sind.
Und trotzdem erfolgreich.
4
Gegen 16.30 Uhr kam der General persönlich in mein Apartment. Er war hier gewissermaßen der Hausherr, doch er klopfte höflich an und wartete auf meine Antwort, vielleicht nur, weil er nicht allein erschienen war. Zuerst erkannte ich nur ihn; seine massige Gestalt verdeckte seine Begleiterin.
Dann sah ich rot.
Oder besser: blond.
Ich hatte noch keinen Tropfen aus der Hausbar genascht, aber ich starrte in das Gesicht Dianas, meines Flirts von heute morgen.
Sie lächelte, und an meiner Wahrnehmung war nicht länger zu zweifeln, und so stand außer Frage, daß sie von meiner eigenen Organisation auf mich angesetzt worden war. Dieser Unfug war Usus bei uns, natürlich eine original amerikanische Idee.
Da gab es zum Beispiel einen Elektro-Multi, dessen leitende Manager einmal im Jahr jeweils bei ihrem unmittelbaren Vorgesetzten in einem Gespräch unter vier Augen eine Art profaner Ohrenbeichte ablegen mußten. Dabei war alles aufs Tapet zu bringen, was intim und peinlich war: Daß die Ehe lahmte, weil die Midlife-crises den Hausherrn Bocksprünge machen ließ, daß der Jüngste wegen Latein sitzengeblieben sei und die Tochter sich mit einem türkischen Studenten herumtrieb.
So ähnlich ist es mit den Inspektionen, die unser Verein bei seinen Männern im Außendienst leistet. Sicher war es in meinem Fall nicht darum gegangen, mir meinen Malus gegenüber den Schönen anzukreiden, sondern um meine Beobachtungsgabe zu testen.
Ich betrachtete diese perfide Unschuld namens Diana; ihre fast schulterlangen Haare fielen zur Seite, der blonde Gesichtsvorhang war weit aufgezogen. Des Vizes Helferin trug einen türkisfarbenen, hinreißend geschnittenen Hosenanzug, genau auf die Farbe ihrer Augen abgestimmt. Im Gegensatz zu heute morgen spürte ich keine Ausstrahlung von kühler Hitze, sondern witterte bewährte Unnahbarkeit.
Es war wenig sinnvoll, in meiner Situation den Steher im Ring zu mimen, den kein Boxhieb zeichnet. Meine morgendliche Halb-Eroberung hatte mir einen ganz schönen Tiefschlag versetzt.
»Seien Sie nicht kindisch, Ferry«, sagte der Quadrat-Schädel: »Wir mußten diesen kleinen Test mit Ihnen anstellen.« Sein Lächeln war vergiftet wie Großstadtluft. »Unseren Freund hier«, nickte er Diana zu, »kann man ohne weiteres in die Hölle schicken, aber nicht ungeprüft einem Harem aussetzen.«
»Sir«, griff ich ihn an. »Mir steht keine Kritik an Ihren seltsamen Methoden zu, aber erlauben Sie mir bitte die Feststellung, daß ich Sie für unfair halte.«
»Unsere Gegenspieler sind auch nicht fair«, schnippte der Vize meinen Einwand weg. »Nun regen Sie sich schon ab, Ferry. Sie haben übrigens eine ganz gute Figur gemacht und das Examen bestanden.«
»Mag sein«, konterte ich spitz. »Aber Ihre fünfte Kolonne mit den Sex-Attributen ist bei mir durchgefallen.« Ich attackierte Diana: »Wenn Sie wieder einmal Straßen-Theater spielen, Miß«, sagte ich gönnerhaft, »dann sollten Sie den Autoreifen richtig herzhaft durchstechen, statt bloß das Ventil aufzuschrauben.«
»Warum sind Sie heute bloß so begriffsstutzig?« beendete unsere Nr. Zwo die Debatte. In seinen Mundecken saßen Spottfalten wie Spatzennester. »Gerade das sollten Sie trotz der hübschen Augen Dianas feststellen und der Organisation melden.« Er nickte mir zu. »Gratuliere. Und jetzt wollen wir sachlich werden.«
Er ging an die Wandbar, öffnete sie. »Whisky oder Cognac?« fragte er.
»Milch«, erwiderte ich. Falls das noch eine Prüfung sein sollte.
Der General machte für sich und mich kleine braune Jungs zurecht und mixte, ohne zu fragen der Dame einen Gin-Tonic. »Wir bleiben bei den internen Bezeichnungen Diana Sontag und Ferry Wessen«, begann er. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist unverschlüsselter Klartext. Unsere freundliche Helferin«, er nickte Diana zu, »ist im Libanon aufgewachsen. Sie hat an der amerikanischen Universität in Beirut studiert, Wirtschaftswissenschaft und Jura. Verbessern Sie mich bitte, Diana, wenn ich etwas durcheinanderbringe.« Ohne einen Einwand abzuwarten, fuhr er fort: »Sie spricht englisch, deutsch und französisch. Und dazu noch arabisch. Diesem Umstand verdanken Sie ihre Bekanntschaft«, unterbrach er sich kurz, um gleich fortzufahren: »Sie beide werden Zusammenarbeiten. Zunächst einmal hier theoretisch, später im arabischen Untergrund. Diana wird Ihnen in einem Schnellverfahren alles beibringen, was Sie über die Sitten und Unsitten Ihres Einsatzgebietes wissen müssen. Sie wird Ihnen in den nächsten Tagen genauso viele arabische Sprachkenntnisse eintrichtern, wie Lothar Grenzlein aufweist.«
»Wissen Sie denn schon, wieviel?« fragte ich.
»Sie haben Glück, Ferry«, versetzte der Quadrat-Schädel, »ziemlich wenig. Der Bursche ist faul. Das schaffen Sie in einer Woche, falls der linke Vogel uns nicht blufft. Morgen werden wir das wissen. Spätestens übermorgen – es wird gerade ausgelotet.«
»Wie lange haben wir eigentlich Zeit?« fragte ich.
»Überhaupt keine«, erwiderte der General. »Das ist unser Manko, aber wir haben nur die Wahl, den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis vielleicht der Bundestag in die Luft fliegt, oder – entgegen unserer Art – ziemlich unvorbereitet in die Aktion einzusteigen.«
»Wie sicher ist denn die Warnung aus dem Morgenland?« fragte ich.
»Das kann Bluff sein, eine Falle, eine Wichtigtuerei – aber es kann auch stimmen«, erwiderte der Quadrat-Schädel, »und dann ist es eine verdammt heiße Kiste. Und wie immer werden wir uns auf jede Möglichkeit einstellen.« Er sah, daß sein Mitarbeiter skeptisch blieb und erläuterte: »Ich weiß nicht, ob wir diesen Grenzlein-Trick je inszenieren, aber wir bereiten ihn vor, wie hundert andere Dinge auch, von denen wir dann 99 verwerfen. Aber mit Sicherheit liegt Ihr nächstes Operationsgebiet fest, deshalb muß ich Sie wirklich bitten, Ihre Nachhilfestunden bei Diana mit Nachdruck zu betreiben.«
»Ich werde mich bemühen, Sir«, erwiderte ich und riskierte die Frage: »Und dann geht meine Arabisch-Lehrerin wieder nach Beirut zurück?«
»Ja«, entgegnete der Vize. »Und zwar wird sie an der Französischen Botschaft als Sachverständige für Erdöl arbeiten. Sie hingegen treten als Einzelgänger auf. Aber Sie werden natürlich nicht allein sein. Wir gehen diese Geschichte von mehreren Seiten an. Wenn alle Stricke reißen sollten, ist Diana Ihr Notausstieg. Sie kennt halb Beirut. Sie ist sehr beliebt bei den Libanesen und den anderen Arabern. Mitunter tritt sie auch als Party-Girl auf, wenn auch am Schluß nach der Melodie: »The party is over.« Er lächelte Diana an. »Wenn sie der Versuchung widersteht, einen Ölscheich zu heiraten, ist sie für uns die Idealbesetzung.«
»Ich werd’ mich beherrschen«, versprach sie lachend.