ist er?«
»Stan, Baby, beruhige dich.«
»Wo zum Teufel ist Tragic Jack?«
Das war die Zweihundertfünfzigtausend-Dollar-Frage.
Aber warte. Wie One-Night Stan Frank Sinatra wahrscheinlich in den Mund gelegt hätte: Ergründen wir dieses Schwanzgelutsche mal.
Dank ein paar Maulwürfen innerhalb einiger zwielichtiger Gruppierungen in der Stadt war Stan über den Namen eines Mannes gestolpert, der mit dem Transport einer großen Geldsumme von Arschgeige Nummer eins an Arschgeige Nummer zwei beauftragt war. Der Mann wiederum, der dafür verantwortlich gewesen war, dass diese Sache an Stan herangetragen wurde, war jemand, bei dem Stan mit einer ebenso großen Geldsumme in der Kreide stand. Zu den Hobbys dieses Mannes gehörte – rein zufällig – die metaphorische und manchmal auch tatsächliche Kastration von Versagern, die mit ihren Kreditrückzahlungen nicht auf dem Laufenden waren. Da Stans besagte Schuld überfällig war und er nicht das nötige Kleingeld hatte, um sie zu begleichen, war der Name des Truckers – der Name Jack Tradgy – reine, süße Fügung des Schicksals gewesen.
Auftritt Ginger, deren Abartigkeit sie zu einem unausstehlichen Zeitgenossen werden ließ, wenn es zu lange her war, dass sie ein männliches menschliches Wesen körperlich verletzt hatte. Ginger war mit der Aufgabe betraut, die Ware von Jack zu holen. Danach konnte sie sich auf jede Art um ihn kümmern, die sie für angebracht hielt.
Was uns ins Jetzt zurückbringt und die Frage aufwirft: »Wo zum Teufel ist Tragic Jack?«
»Er ist im Whirlpool seines Motels«, sagte Ginger.
Mit dem letzten bisschen Zurückhaltung – seine Sicherung war fürs Durchbrennen berühmt – goss sich Stan eine Rum-Cola an seiner Minibar ein, setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und nippte an seinem Drink.
Frank Sinatra, erinnerte er sich selbst im Stillen. Er warf Ginger einen kalten, ruhigen Blick zu. Frank verdammt noch mal Sinatra. »Ginger«, sagte er. »Sei sehr vorsichtig beim Beantworten der nächsten Frage. Bitte sag mir nicht, ich liege falsch in der Annahme, dass er mit einem Drink in seiner Hand im Whirlpool sitzt und auf die Rückkehr der lieblichen Ginger wartet, sodass er ihr erzählen kann, wo er das Geld aufbewahrt?«
Ginger schluckte. »Ich würde sagen … eher nicht.«
Stan bedeckte sein Gesicht mit einer Hand und atmete durch die Nase ein. »Ginger, du hast diesen Typen doch nicht fertiggemacht, bevor du die Information hattest, oder?«
»Stan …«
»Hast du?«
»Er wollte es mir nicht sagen.«
Das war der Moment, in dem Frank Sinatra den Raum verließ.
»Fuck!«, schrie Stan. Er warf seinen Drink durch das Büro, verfehlte Ginger um Haaresbreite und traf stattdessen das Porträt einer Vagina, das an der Wand hinter ihr hing. »Dir ist klar, dass wir das für Raine erledigen sollten, oder? Scheiß Leonard verfickt noch mal Raine? Dir ist hoffentlich auch klar, wie angepisst er sein wird, wenn ich ihm sage, dass er deinetwegen sein Geld nicht kriegen wird!«
Gingers Herz rutschte ihr so tief in die Hose, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht explosionsartig die Wand hinter sich anzuscheißen. »Das wirst du ihm doch wohl nicht sagen?«
»Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, was ich ihm sagen werde. Ich werde ihn anbetteln, niemanden zu kreuzigen, und ich werde ihm verdammt noch mal alles sagen, was er von mir hören will.«
»Es tut mir leid.«
»Nicht doch! Oh, nein! Eine verdammte Entschuldigung ist nicht genug dafür, dass du mich möglicherweise umgebracht hast. Ich will dich nicht mehr sehen. Verpiss dich von hier und präsentiere den Idioten deine Titten.«
Ginger verbrachte einen Augenblick damit, nach einer beruhigenden Antwort zu suchen, aber als Jack sie noch etwas lauter dazu aufforderte, sich zu verpissen, verließ sie das Büro, um jedem ihre Titten zu zeigen.
Stan ging zurück zur Minibar und goss sich eine weitere Rum-Cola ein, diesmal ohne Cola. Er meditierte einen Augenblick lang über dem Polaroid von Sinatra, das in den Rahmen des Spiegels gesteckt war.
Er nahm das Foto und den Drink mit zu seinem Schreibtisch, wo er sich hinsetzte und in Franks Augen stierte.
»Was soll ich machen, Frank?«, murmelte er.
Seine Gedanken wanderten zum Revolver, der an der Unterseite seines Schreibtischs befestigt war. Einen Wimpernschlag lang dachte er daran, ihn sich in den Mund zu stecken, aber dafür war es noch zu früh. Irgendwo in dieser Stadt waren noch immer zweihundertfünfzigtausend Dollar in einer Tasche, und in seiner Knarre waren fünf Kugeln übrig – die eine für ihn nicht mitgezählt.
KAPITEL 4
22:35 Uhr
Zieh dir etwas Salz in die Nase, drück dir Limettensaft ins Auge, trinke einen Tequila und bringe einen Freund dazu, dir ins Gesicht zu boxen. Das nennt man einen »Man Shot«. Und du bist kein Mann, solange du keinen davon hattest. Caleb hatte heute Nacht drei Man Shots getrunken und Jeremy keinen. Dank mehrerer Kurzer billigen Tequilas, einem Joint, den sie auf der Männertoilette geraucht hatten – was, wie Jeremy entschieden hatte, nicht als Rauchen zählte – und einem Scheck von Calebs Mutter, der mit der Monatsmiete hatte aushelfen sollen, waren die beiden mittlerweile hackedichte, zugebrezelte, sternhagelvolle, Schlagseite habende, bescheuerte Besoffene.
Nachdem er den kompletten Scheck von Mami ausgegeben hatte, wurde Caleb von seinem schlechten Urteilsvermögen überwältigt, sodass er sie anrief – hauptsächlich, weil er sich für witzig hielt. Er hinterließ ihr eine Nachricht, die so lautete: »Hallo Mama, ich hab bloß durchgeklingelt, um dir zu sagen, dass ich dich schon immer für eine Fotze gehalten habe. Okay, bye.«
Das löste bei den Jungs in ihrem hochgradig betrunkenem Zustand raues Gelächter aus.
»Ernsthaft?«, sagte Jeremy. »Alter, du hast Nerven.«
Caleb starrte auf sein Handy, plötzlich von dem Gerät verblüfft.
»Denkst du manchmal über Telefone nach?«, fragte er. »Ich meine, die sind wie eine andere … ich weiß auch nicht. Die Leute sind nicht da, aber du redest mit ihnen. Es wie … was zur Hölle? Weißt du?«
»Ja, keine Privatsphäre und so«, sagte Jeremy und verfehlte dabei komplett den existenzialistischen Standpunkt, den auszudrücken Caleb einen lausigen Versuch gemacht hatte.
»Ich weiß!«, sagte Caleb, ohne zu realisieren, dass sie jetzt bei einem völlig andern Thema waren. »Wie scheiß Telefonverkäufer und so. Rufen immer an, wenn du auf dem Klo sitzt.«
»Verdammte Arschlöcher.«
»Ich weiß. Trotzdem, Scheiße, das ist irgendwie – was wollte ich sagen? Oh – du machst so was« – er ahmte mit Daumen und kleinem Finger ein Telefon nach, so wie betrunkene Leute denken, dass man es tun müsse, wenn man eine Geschichte erzählt – »du sagst: Hey, ich bin total interessiert, aber bleib mal kurz dran. Und dann legst du den Hörer hin und wartest ab, wie viel verdammte Geduld die haben!«
Jeremy lachte. »Oder du könntest irres Zeug rufen und sie erschrecken oder so was.«
»Ja, vielleicht«, sagte Caleb. »Wie mit diesem schwulen Arschloch, das die falsche Nummer hatte. Ruft verdammt noch mal bei mir an. Scheißkerl. Okay, also der so: Ist Julie da? Ich so: Nein, Wichser, Julie wurde gekillt! Von einem scheiß Bären!«
Über die Vorstellung, eine x-beliebige Person glauben zu machen, dass ein geliebter Mensch von einem Grizzlybären zerfleischt worden sei, mussten die beiden so heftig lachen, dass Jeremy das Gleichgewicht verlor und von seinem Barhocker fiel. Er schlug mit dem Gesicht auf dem Stuhl neben sich auf und riss sich dabei die Lippe blutig.
In dem Moment – wie es nach zu vielen Drinks oft der Fall war