ist, steht die Speisekammer sicherlich leer, und im Hause wird es, traun, ebenso an Geräten fehlen, wie an Strohbündeln zum Schlafen – ein Kranker bedarf aber der Fürsorge. Deshalb, wißt Ihr was? Begebt Euch mit mir nach Zgorzelic. Mir liegt daran, daß Ihr einen, daß Ihr zwei Monate bleibt, und während dieser Zeit kann Jagienka an Bogdaniec denken. Beratet Euch nur mit ihr, dann wird Euch der Kopf nicht schmerzen. Zbyszko soll sich der Bewirtschaftung annehmen, den geistlichen Abt aber bringe ich zu Euch nach Zgorzelic, damit Ihr sofort mit ihm ins reine kommt … Eurer, Macko, wird das Mädchen wie eines Vaters warten, für Kranke ist weibliche Pflege besser als jede andere. Nun, zu was entschließt ihr Euch? Erfüllt meine Bitte!«
»Es ist eine bekannte Sache, welch guter Mensch Ihr seid, wie gut Ihr stets wart,« entgegnete Macko, sichtlich gerührt, »aber seht Ihr, wenn ich denn doch durch diese verdammte Eisenspitze sterben muß, die mir zwischen den Rippen steckt, so möchte ich das auf meinem eigenen Grund und Boden. Denn, wenn man auch krank ist, kann man sich doch um manches kümmern, nach manchem fragen und manches erledigen. Wen der Herr ins Jenseits beruft, dem ist nicht mehr zu helfen. Ob ihm nun gute Pflege, ob ihm geringe Pflege zu teil wird, er muß dem Rufe folgen. An Beschwerden sind wir durch den Krieg gewöhnt. Selbst ein Erbsenbündel ist dem angenehm, der einige Jahre auf der nackten Erde schlief. Doch für Eure Güte danke ich Euch von Herzen, und so ich Euch nicht mehr dafür lohnen kann, wird Euch Zbyszko mit Gottes Hülfe dafür lohnen.«
Zych aus Zgorzelic, welcher thatsächlich wegen seiner Güte und seiner Hilfsbereitschaft weithin bekannt war, hörte jedoch nicht auf, den Verwundeten mit Bitten zu bestürmen. Macko aber blieb fest und erklärte stets von neuem, er wolle auf seinem eigenen Gehöfte sterben, wenn er denn doch aus dieser Welt scheiden müsse. Lange Jahre hindurch sei es ihm nicht vergönnt gewesen, Bogdaniec wieder zu sehen, jetzt aber seien sie nicht mehr weit davon entfernt, nichts könne ihn daher zurückhalten, wenn schon er vielleicht nur seine letzte Nacht daselbst zubringen werde. Gott, der Herr, sei gnädig, er gewähre ihm vielleicht seinen Wunsch, auf heimatlicher Erde die Augen zu schließen.
Bei diesen Worten trocknete er die Thränen, welche über seine Wangen flossen, dann schaute er umher und fügte hinzu: »Wenn dies die Wälder des Wilk aus Brzozowa sind, dann erreichen wir schon gegen Mittag die Heimat.«
… auf dem flinken Renner sprengte ein Mädchen auf ihn zu, das wie ein Mann zu Pferde saß, die Armbrust in der Hand hielt, den Jagdspeer über die Schultern trug.
»Des Wilk aus Brzozowa! Die Wälder sind ja gegenwärtig im Besitze des Abtes,« warf Zych ein.
Daraufhin flog ein Lächeln über das Antlitz des kranken Macko, und er bemerkte nach kurzem Sinnen: »Wenn sie der Abt im Besitze hat, dann werden sie vielleicht dermaleinst uns gehören.«
»Ei, ei, vor wenigen Minuten sprach er vom Tode,« rief Zych fröhlich, »und jetzt hofft er auf einmal vom Abte die Wälder zu erhalten.«
»Nicht für mich hoffe ich das, sondern für Zbyszko.«
Zych wollte antworten, doch er hielt plötzlich inne. Ein Hornsignal tönte aus dem Walde wie aus weiter Ferne zu ihnen herüber. Alle lauschten gespannt.
»Wer mag hier jagen?« rief Zych. »Seien wir auf unserer Hut.«
»Vielleicht der Abt. Sehr willkommen wäre es mir, wenn wir mit ihm zusammentreffen würden.«
»Verhaltet Euch still!« wandte sich nun Zych zu dem Gefolge. »Bewegt Euch nicht von der Stelle.«
Diesem Befehle wurde sofort Folge geleistet. Näher und näher klang das Hornsignal, und jetzt, mit einem Male hörte man Hundegebell.
»Ruhig gestanden!« wiederholte Zych. »Sie kommen –«
Zbyszko schwang sich inzwischen vom Pferde, indem er rief: »Reicht mir die Armbrust! Möglicherweise wird ein wildes Tier auf uns gejagt. Rasch, rasch!«
Schnell riß er einem Knechte die Armbrust aus der Hand, stützte sie auf die Erde, stemmte sich mit dem Bauche dagegen, beugte sich vor, drückte den Bügel zum Bogen zusammen, packte mit den Fingern beider Hände die Sehne, spannte sie wie der Blitz auf den eisernen Schneller, legte den Pfeil auf und hielt die Waffe vor sich, gegen den Wald gerichtet.
»Er hat sie gespannt! Ohne Kurbel hat er sie gespannt!« flüsterte Zych, von Staunen über diese unvergleichliche Kraft ergriffen.
»Hoho! Das ist ein Riesenbursche!« murmelte Macko voll Stolz.
Mittlerweile kam das Hornsignal und das Hundegekläffe immer näher. Auf der rechten Seite des Waldes wurde schweres Stampfen, das Krachen von Aesten und Sträuchern hörbar, bis plötzlich aus dem Dickicht, wie ein Sturmwind, ein alter zottiger Auerochse hervorbrach, den ungeheuren Kopf tief gesenkt, mit blutunterlaufenen Augen und weit heraushängender Zunge, Schrecken erregend, furchtbar anzuschauen. Das Gehölze auf der andern Seite der Straße zu erreichen suchend, setzte das Tier zum Sprunge an, fiel dabei auf die Vorderfüße, erhob sich jedoch rasch wieder und wollte gerade in das gegenüberliegende Dickicht eindringen, da schwirrte plötzlich, Unglück verheißend, die Sehne einer Armbrust, ein Pfeil sauste durch die Luft, der Auerochse bäumte sich wild auf, zuckte zusammen und stürzte, laut brüllend, wie von einem Blitzstrahle getroffen, zur Erde.
Zbyszko bewaffnete sich mit der Lanze und spannte aufs neue die Armbrust, dann näherte er sich, zum Schusse bereit, dem sich umherwälzenden Tiere, das mit seinen zottigen Beinen die Erde ringsum aufgewühlt hatte.
Nach einem kurzen Blick auf den Auerochsen wandte er sich zu dem Gefolge und rief ihm zu: »Das hat genügt, um ihm den Garaus zu machen.«
»Du bist aber einer!« ließ sich jetzt Zych vernehmen, indem er sich Zbyszko näherte, »ein einziger Schuß genügte?«
»Bah, das Tier kam ja ganz nahe, und so hat der Schuß eine furchtbare Wirkung gethan. Schaut nur her, nicht nur die Spitze, sondern der halbe Pfeil ist in die Schaufel eingedrungen.«
»Die Jäger müssen ganz in der Nähe sein; sicherlich nehmen sie das Tier für sich in Anspruch.«
»Ich gebe es ihnen nicht!« entgegnete Zbyszko. »Es ist auf der Heerstraße erlegt, und die Straße ist keines Herrn.«
»Wenn jedoch der Abt jagen sollte?«
»Selbst wenn es der Abt ist, darf er mir meine Beute nicht nehmen.«
Mittlerweile stürzte eine Meute Hunde aus dem Walde, die sich zuerst auf das Tier warfen, sich aber dann sofort unter einander zu bekriegen begannen.
»Jetzt werden auch die Jäger kommen!« rief Zych. »Oh, schaut nur! Einer von ihnen sprengt den anderen weit voran, doch sie sehen das Tier nicht. Hopp, hopp, hierher, hierher! Hier liegt es, hier!«
Mit einem Male verstummte er jedoch, bedeckte die Augen mit der Hand und bemerkte nach kurzem Schweigen: »Gerechter Gott, was ist das? Bin ich geblendet, weil mich dünkt …«
»Der auf dem Rappen« – warf Zbyszko rasch ein.
Doch Zych rief plötzlich: »Beim Herrn Jesus! Jawohl, das ist Jagienka!«
Und sofort begann er zu rufen: »Jagna! Jagna!«
Dann sprang er vorwärts, doch Zbyszko, der wie rasend dahinflog, überholte ihn, und seinen Augen bot sich der merkwürdigste Anblick in der Welt: auf dem flinken Renner sprengte ein Mädchen auf ihn zu, das wie ein Mann zu Pferde saß, die Armbrust in der Hand hielt, den Jagdspeer über den Schultern trug. Die von dem wilden Ritte aufgelösten Haare umfluteten einen schlanken Hals und ein Gesicht, das an Farbe mit der Morgenröte wetteiferte. Als die Reiterin den jungen Ritter erreicht hatte, hielt sie das Roß an, und während eines Augenblickes spiegelte sich aus ihrem Antlitz wechselsweise Zweifel, Staunen, Freude – schließlich jedoch schien sie Augen und Ohren Glauben zu schenken, denn sie rief mit einer zarten, fast noch kindlichen Stimme: »Vater, geliebtes Väterchen!«
Blitzschnell glitt sie vom Pferde, und als auch Zych zur Begrüßung abstieg, warf sie sich an seinen Hals. Geraume Zeit hindurch hörte Zbyszko nur Küsse und die beiden Worte: »Väterchen! Jagula! Väterchen! Jagula!« in freudigem Entzücken wiederholen.
Von