Henryk Sienkiewicz

Gesammelte historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Dieser Ritter hier behauptet, die Engländer sowohl wie die Schotten seien als Bogenschützen über alle andern zu stellen.«

      »Bei Wilna habe ich sie kennen gelernt. Hei, fürwahr, ich hörte ihre Pfeile um die Ohren sausen. Aus aller Herren Länder waren dort Ritter versammelt, welche sich rühmten, mit uns hätten sie leichtes Spiel. Gar bald verloren sie aber die Lust dazu, denn mehr als zweimal versuchten sie es nicht, mit uns anzubinden.«

      Schmunzelnd verdolmetschte Macko dem Herrn de Lorche die Worte Zbyszkos.

      »An verschiedenen Höfen hörte ich davon reden,« bemerkte der Lothringer. »Allenthalben lobte man die Tapferkeit Eurer Ritter, dagegen verargte man es ihnen, daß sie die Heiden gegen die Kreuzritter zu schützen suchen.«

      »Wir schützen ein Volk, das sich taufen lassen wollte, gegen Ueberfälle und Ungerechtigkeit. Die Deutschen wollen es im Heldentum beharren lassen, um einen ständigen Vorwand zum Kriege zu haben.«

      »Gott wird darüber richten!« warf de Lorche ein.

      »Und vielleicht in nicht gar zu langer Zeit!« bemerkte Macko aus Turoboje.

      Kaum hatte indessen der Lothringer gehört, daß Zbyszko bei Wilna gewesen war, so wurde er nicht müde, Macko über alle Einzelheiten zu befragen, war doch die Kunde von den dort stattgefundenen ritterlichen Fehden und Kämpfen durch die ganze Welt gedrungen. Vornehmlich jener Kampf, in dem sich vier polnische und vier französische Ritter gegenüberstanden, hatte die Phantasie der Kämpen des Westens stark erregt. War es daher zu verwundern, daß de Lorches Achtung vor Zbyszko, als vor einem Menschen, der an solch ruhmreichen Kämpfen teilgenommen hatte, immer mehr wuchs, daß er sich darob freute, sich mit einem solchen Ritter messen zu können.

      Infolgedessen ritten die beiden in scheinbarem Einvernehmen weiter. An den Haltestellen erwiesen sie sich alle möglichen Höflichkeiten und tranken sich wechselseitig mit dem Wein zu, von welchem de Lorche einen großen Vorrat auf den Wagen mit sich führte. Als indessen schließlich aus dem Gespräche zwischen dem Lothringer und Macko hervorging, daß Ulrika de Elner keine Jungfrau, sondern eine vierzigjährige verheiratete Frau und Mutter von sechs Kindern war, steigerte sich Zbyszkos Entrüstung aufs höchste. Jener wunderliche Fremde hatte es also gewagt, so sagte er sich, »ein altes Weib« mit Danusia zu vergleichen, es über diese zu stellen. Ein solcher Mensch konnte doch unmöglich bei klarem Verstande sein, ihm würden daher eine dunkle Zelle und Stockprügel weit zuträglicher sein, als eine Fahrt in die weite Welt, und dieser Gedanke allein hielt ihn zurück, seiner Entrüstung sofort Ausdruck zu verleihen.

      »Glaubt Ihr nicht, daß der Lothringer den Verstand verloren hat?« fragte er den greisen Führer. »Vielleicht sitzt auch, wie der Wurm in der Nuß, ein Teufel in ihm, der sich des Nachts auf uns stürzt. Jedenfalls müssen wir ein wachsames Auge auf jenen Ritter haben.«

      Wenn nun aber auch Macko aus Turoboje anfänglich den Worten Zbyszkos nur ungläubig lächelnd Gehör schenkte, schaute er doch schließlich etwas ängstlich auf den Lothringer, indem er bemerkte: »Wohl trifft es sich zuweilen, daß einer oder der andere von einem Teufel, ja von mehr als hundert Teufeln besessen ist. Und wird es diesen allgemach zu enge, dann suchen sie sich freilich bei einem andern Menschen einen angenehmeren Aufenthalt aus. Am schlimmsten fährt man aber mit einem Teufel, den man von einem alten Weibe über den Hals geschickt bekommt.«

      Plötzlich wandte er sich hierauf zu de Lorche und sagte: »Gelobt sei Jesus Christus!«

      »Auch ich preise ihn!« erwiderte de Lorche mit sichtlichem Staunen.

      Auf Mackos Antlitz spiegelte sich große Zufriedenheit.

      »Nun werdet Ihr Euch überzeugt haben,« sagte er wieder zu Zbyszko gewendet. »Wenn der lothringische Ritter vom Bösen besessen wäre, würde ihm Schaum auf den Mund getreten, oder er würde zu Boden geworfen worden sein, als ich ihm plötzlich so scharf zu Leibe ging. Wir können ruhig weiter ziehen.«

      Und das thaten sie auch. Von Ciechanow nach Przasnysz war es nicht allzu weit. Während des Sommers hätte ein Bote auf gutem Pferde den Weg zwischen den beiden Plätzen leicht in zwei Stunden zurücklegen können. Jetzt aber kamen die beiden Ritter mit ihrem Gefolge trotz des guten Führers nur langsam vorwärts, wie dies in dunkler Nacht und bei den im Wald liegenden Schneemassen nicht anders zu erwarten war. Sie erreichten daher, trotzdem sie um Mitternacht ausgebrochen waren, erst um die Morgendämmerung den fürstlichen Jagdhof, welcher nahe bei Przasnysz am Rande des Waldes lag. Vor dem aus Holz erstellten, langgestreckten Bau mit Fensterscheiben aus runden Glasstückchen befanden sich ein Ziehbrunnen und zwei Schuppen für die Pferde. Rings um den Jagdhof standen Hütten, die rasch aus Fichtenzweigen errichtet worden waren, und Zelte aus Fellen. Weithin war der Glanz des vor den Zelten lodernden Feuers sichtbar, um welches Treiber in Schafpelzen, in Pelzen von Füchsen, Wölfen und Bären standen. Dem Herrn de Lorche dünkte es, er sehe zweibeinige wilde Bestien vor dem Feuer, denn die Mehrzahl jener Leute trug Mützen, aus Tierköpfen verfertigt. Etliche der Männer stützten sich auf Speere, andere auf ihre Armbrust, verschiedene waren damit beschäftigt, Stricke in ungeheuere Netze zu ziehen, mehrere brieten am Feuer mächtige Stücke von Auerochsen und Elentieren, die augenscheinlich als Morgenimbiß dienen sollten. Der Schnee glitzerte in dem Schein der Flammen. Grell beleuchtet wurden auch zuweilen die wilden Gestalten, die zeitweise von dem Rauche des Feuers, von dem Dunste und Brodem der saftigen Fleischstücke gänzlich verhüllt waren. Im Hintergrunde stiegen, rötlich schimmernd, riesige Fichtenstämme empor, zwischen denen sich eine weitere Schar von Männern aufhielt. Die große Zahl der aufgebotenen Mannen setzte den eines solchen Jagdgetriebes ungewohnten Lothringer in höchstes Staunen.

      »Eure Fürsten scheinen sich ja wie zu einem Kriegszuge ausgerüstet auf die Jagd zu begeben.«

      »Ihr könnt nun sehen,« antwortete Macko aus Turoboje, »daß es ihnen weder an Jagdgeräten, noch an Leuten fehlt. Die meisten sind fürstliche Treiber, doch fehlt es auch nicht an solchen, welche sich des Marktes wegen in dieser Wildnis eingefunden haben.«

      »Was soll ich beginnen?« warf jetzt plötzlich Zbyszko ein. »In dem Jagdhof schläft noch alles.«

      »Ei nun, wir warten geduldig auf das Erwachen,« entgegnete Macko. »Ich werde doch nicht an das Thor klopfen und den Fürsten, unsern Herrn, erwecken!«

      So sprechend führte er sie an das Feuer, vor dem ihnen Kurpen Felle von Auerochsen und Bären ausbreiteten, dann wurden die Ankömmlinge rasch mit dampfendem Fleische bewirtet. Kaum hatten jedoch die Kurpen die fremde Sprache vernommen, so traten sie zusammen und starrten unentwegt auf den Deutschen. Als sie aber gar von Zbyszkos Mannen vernahmen, daß jener Ritter von »weit überm Meere« herstamme, da drängten sie sich so nahe an den Lothringer heran, daß der Herr aus Turoboje sein ganzes Ansehen aufbieten mußte, um den Fremdling vor allzu großer Neugierde zu schützen. De Lorche, der zu seinem Staunen bemerkte, daß sich inmitten der Männerschar auch Frauen befanden, die fast alle mit Pelzen bekleidet waren und sich durch ihren schönen Wuchs, ihre blühende Gesichtsfarbe auszeichneten, fragte sofort den greisen Führer, ob sich denn auch Weiber an der Jagd beteiligten. Macko verneinte dies, erklärte aber, daß die Frauen sich teils aus Neugierde den Treibern anschlössen, teils des Marktes wegen, auf dem sie städtische Waren kauften und die Erträgnisse ihrer Wälder verkaufen konnten. Dies war auch thatsächlich der Fall. Das fürstliche Gehöfte bildete selbst zur Zeit der Abwesenheit des Fürsten den Mittelpunkt für die Verkaufsstellen der Städter und Wäldler. Die Kurpen verließen gar ungern ihre Wälder, war es ihnen doch nur wohl, wenn die Wipfel der Bäume über ihren Häuptern rauschten. Infolgedessen führten die Bewohner von Przasnysz nicht nur ihr berühmtes Bier an den Waldesrand, sondern auch das in den Windmühlen der Stadt oder in den Wassermühlen Ungarns gemahlene Mehl, das in jener Wildnis schwer zu bekommende und sehr begehrte Salz, eiserne Geräte, Lederwerk, kurz alle möglichen Erzeugnisse menschlichen Fleißes. Dagegen erhielten sie im Tausche Felle, kostbare Pelze, getrocknete Pilze, Nüsse, heilsame Kräuter oder Stücke von Bernstein, an denen es unter den Kurpen nicht mangelte. Stets ging es daher sehr lebhaft auf dem Jahrmarkte zu, der während der fürstlichen Jagden noch an Ausdehnung gewann, weil dann die Stadtbewohner ebenso häufig durch Neugierde, wie durch die zwingende Notwendigkeit des Handels in die Waldwildnis getrieben wurden.

      Nachdem