Bei symptomatischen HIV-infizierten Patienten ist dagegen vor einem apikalchirurgischen Eingriff eine Konsultation des behandelnden Arztes obligat.
Patienten mit Diabetes
Diabetes mellitus betrifft weltweit mehr als 240 Millionen Menschen. In den USA lag die Zahl der Diabetiker im Jahr 2015 bei 12,2 % (d. h. 30,2 Millionen) der erwachsenen Bevölkerung (über 18-Jährige). Patienten mit instabilem Diabetes oder solche mit hochdosierter Insulintherapie (Typ-1-Diabetes) unterliegen einem erhöhten Risiko für postoperative Infektionen.
Das Infektionsrisiko wird nach dem Nüchternblutzucker beurteilt. Für chirurgische Maßnahmen besteht bei einem Nüchternwert von unter 206 mg/dl (2,06 g/l) kein erhöhtes Risiko für eine postoperative Infektion. Bei einem Nüchternwert zwischen 207 mg/dl (2,07 g/l) und 229 mg/dl (2,29 g/l) wird von einem um 20 % erhöhten Risiko ausgegangen. Bei Nüchternwerten über 230 mg/dl (2,30 g/l) ist das Risiko für postoperative Infektionen um 80 % erhöht6,7. Obwohl diese Werte aus Untersuchungen zur Risikoprognose bei nicht zahnärztlichen Operationen stammen, sollte der Zahnarzt die Regulierung des Blutzuckerspiegels bei Patienten, die sich einem apikalchirurgischen Eingriff unterziehen, beachten.
Patienten mit nicht eingestelltem Diabetes sollten vor der Operation zum Einstellen an einen Arzt verwiesen werden. Dieser sollte einen Blutglucosespiegel von unter 200 mg/dl (2 g/l) anstreben, um das Infektionsrisiko zu reduzieren.
Bei Notfallbehandlungen sind Patienten mit Diabetes als Risikopatienten für postoperative Infektionen zu betrachten. Hier ist vor dem Eingriff eine perioperative Antibiotikatherapie zu verschreiben.
Bei gut eingestellten Patienten, die ohne antibiotische Prophylaxe behandelt wurden und eine Infektion entwickeln, wird eine geeignete systemische Antibiotikatherapie angeordnet.
Patienten unter TNF-α-Inhibitor-Therapie
Eine Inhibition des Tumor-Nekrose-Faktors Alpha (TNF-α-Inhibitoren-Therapie) ist bei der Behandlung von Patienten mit autoimmunen Entzündungserkrankungen, wie rheumatoider Arthritis, Spondylarthritis, Morbus Crohn oder Schuppenflechte, indiziert.
Bei solchen Patienten besteht häufig eine Multimedikation und damit ein hohes Risiko für Wechselwirkungen der Medikamente, das zu beachten ist.
Ist hier eine Wurzelspitzenresektion erforderlich, sollte die TNF-α-Inhibitoren-Therapie mindestens 15 Tage vor dem Eingriff ausgesetzt werden, sofern der Patient Etanercept einnimmt, und bis zu 4 Wochen präoperativ, wenn Infliximab, Adalimumab, Certolizumab oder Golimumab zum Einsatz kommen. Zudem wird eine antibiotische Prophylaxe empfohlen8.
Das Risiko einer postoperativen Infektion wird während des Beratungstermins bewertet. Ergeben sich Fragen, muss eine Konsultation beim Hausarzt des Patienten eingeplant werden. In den meisten Fällen sind apikalchirurgische Eingriffe bei immunsupprimierten Patienten mit Antibiotikaprophylaxe oder systemischer Antibiotikatherapie durchführbar.
B. Kontraindikationen aufgrund eines Blutungsrisikos
Die Blutgerinnung ist ein Prozess, der als Reaktion auf die Verletzung von Blutgefäßen einsetzt. Die lokale Aktivierung von Thrombozyten führt zur verstärkten Anlagerung der Thrombozyten aneinander und an das Endothel des geschädigten Blutgefäßes (primäre Hämostase). Gleichzeitig wird dieser primäre Thrombus durch Fibrin stabilisiert, das die Thrombozyten untereinander vernetzt und mit der verletzten Gefäßwand verbindet (sekundäre Hämostase). Thrombozytenaggregationshemmer verhindern die primäre Hämostase, während Antikoagulanzien auf der Ebene der Gerinnungsfaktoren inhibierend wirken (sekundäre Hämostase)9.
Bei Patienten, die aufgrund verschiedenster Indikationen mit einfacher oder dualer Plättchenhemmung, Vitamin-K-Antagonisten oder direkten oralen Antikoagulanzien behandelt werden, ist in der apikalen Chirurgie das Risiko unkontrollierter perioperativer Blutungen zu beachten.
1. Absolute Kontraindikationen
Patienten mit instabilen kardiovaskulären Erkrankungen und/oder angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen sowie Patienten mit dualen oder Kombinationstherapien, die mehr als ein Antikoagulans oder plättchenhemmendes Medikament einnehmen, haben ein höheres Blutungsrisiko als Patienten mit einfacher Medikation9.
Die Behandlung solcher Patienten muss in interdisziplinärer Zusammenarbeit erfolgen und ist in der Zahnarztpraxis absolut kontraindiziert.
2. Relative Kontraindikationen
Thrombozytenaggregationshemmer (TAH)
Patienten mit plättchenhemmender Medikation zeigen verlängerte Blutungszeiten. Im Fall einer dualen Plättchenhemmung ist dies ausgeprägter als unter einfacher plättchenhemmender Medikation10.
Gegenwärtig existiert kein Test, der eine zuverlässige Prognose des Blutungsrisikos von Patienten liefert, die TAH einnehmen. Die Blutungszeit ist nicht aussagekräftig11.
Eine präoperative Aussetzung der plättchenhemmenden Medikation wird nicht empfohlen. Mit geeigneten lokalen Maßnahmen zur Hämostase lassen sich bei solchen Patienten intraoperative Blutungen in der apikalen Chirurgie kontrollieren.
Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
Wird der Patient mit VKA (Warfarin o. Ä.) behandelt, ist der behandelnde Arzt zu konsultieren. Eine Unterbrechung der Medikation wird nicht empfohlen. 24 Stunden vor dem Eingriff sollte die International Normalized Ratio (INR) bestimmt werden.
Apikalchirurgische Eingriffe können bei einem stabilen INR-Wert von unter 3,5 durchgeführt werden. Patienten mit einer INR von über 3,5 sind zur Dosisanpassung für invasive Maßnahmen an ihren Arzt zu überweisen12.
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
Die INR ist nicht dazu geeignet, die Koagulation bei mit DOAK behandelten Patienten zu beurteilen13.
Verglichen mit normalen Vitamin-K-Antagonisten zeigen DOAK einen schnellen Wirkungseintritt (2 bis 4 Stunden) und eine kurze Halbwertszeit (5 bis 13 Stunden). Diese kurze Halbwertszeit ermöglicht eine relativ rasche Verringerung der gerinnungshemmenden Wirkung.
Patienten, die DOAK einnehmen und apikale Chirurgie benötigen, können vom Zahnarzt aufgefordert werden, am Tag des Eingriffs die morgendliche Dosis auszulassen oder zu verschieben (abhängig von der Halbwertszeit des verwendeten Medikaments)9.
C. Kontraindikationen aufgrund des Risikos einer Kieferosteonekrose
Bei der Kieferosteonekrose handelt es sich um eine ischämische Nekrose des Ober- oder Unterkieferknochens. Sie kann nach Zahnbehandlungen auftreten, insbesondere nach Maßnahmen, die mit einer Knochenremodellierung einhergehen (Extraktion, Implantation, apikale Chirurgie)14. Das Risiko, nach einer Wurzelspitzenresektion eine Kieferosteonekrose zu entwickeln, ist in der Allgemeinbevölkerung sehr gering. Es gibt jedoch zwei Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko.
1. Risiko einer strahlungsbedingten Kieferosteonekrose
Patienten, die im zu operierenden Kieferbereich eine Strahlentherapie erhalten haben, sind Kieferosteonekrose-Risikopatienten. Grund sind histologische Veränderungen im bestrahlten Knochen, die zu einer herabgesetzten