Jascha Bending

Eine Woche Probezeit | Bekenntnisse einer Nymphomanin


Скачать книгу

wirken zu lassen, in der Hoffnung, dass sie diese auch so deutet, wie er es beabsichtigt hat.

      »Du willst mich fesseln?«, fragt sie schließlich. Ihr Tonfall ist eher erstaunt als geschockt.

      Dennoch überkommt Henry das Gefühl des Erklärungsnotstandes. Zögerlich und wortlos nickt er.

      »Wobei Fesseln dabei ein sehr … wie soll ich sagen … oberflächlicher Begriff ist. Glaube mir, ich würde nichts machen oder verlangen, mit dem du nicht einverstanden wärst«, beginnt er dann doch. »Mir geht es dabei nicht um … SM. Es geht mir nicht darum, jemandem Schmerzen zuzufügen. Weder physisch noch psychisch. Ich bin kein Sadist. Ich bin nicht Mister Grey.« Wieder macht er eine Pause. »Sicher hältst du mich für krank«, setzt er fort. »Wie gesagt, du wärst nicht die Erste. Aber vielleicht verstehst du zumindest, warum ich es dir gleich jetzt schon erzähle. Auch wenn ich unendliche Angst vor den Konsequenzen habe. Aber würde ich Schweigen, wäre ich irgendwann vermutlich unzufrieden, ohne dass du den Grund dafür kennst. Darum ist auch Vertrauen so wichtig für mich. Ich liebe dich. So oder so. Gerade deshalb denke ich, dass du es wissen sollst, bevor du später enttäuscht, wütend, geschockt oder alles zusammen bist. Und du dann jemanden in mir siehst, der ich gar nicht bin. Ich bin immer noch Henry. Mein Charakter hat sich deswegen nicht geändert. So schwer es mir fällt, aber ich will dir einfach die Möglichkeit geben, dich vorher zu entscheiden, ob du es trotzdem mit mir versuchen willst und ich dir nicht später etwas beichten muss, was dich wieder von mir trennt.«

      Henry rechnet jetzt mit allem. Dass sie lacht, wegfährt oder gar wütend oder entsetzt reagiert. Oder hysterisch, weil sie offensichtlich auch wegen ihm ihren Freund verlassen hat. Zumindest ein bisschen. Aber nichts dergleichen geschieht. Sie wendet ihren Blick von ihm ab und scheint dafür das Lenkrad untersuchen zu wollen.

      »Sag bitte was«, versucht er, der Situation eine Richtung zu geben. »Aber sag bitte nicht, dass du mich jetzt hasst oder für abnormal hältst.«

      Ohne aufzublicken antwortet Sarah schließlich. »Nein. Ich halte dich weder für abnormal, noch hasse ich dich. Aber dein Geständnis kommt schon … überraschend. Wobei das jetzt nicht wirklich die passende Beschreibung ist. Ich vermute aber, dass es dich sicher sehr viel Überwindung gekostet hat, es mir, insbesondere jetzt schon, zu erzählen. Ich meine, eben noch haben wir uns geküsst, und jetzt reden wir schon über Fesselsex. Das ist ganz schön starker Tobak. Das muss ich erst mal sacken lassen.«

      Henry nickt. »Ich muss zugeben, dass ich jetzt auch überrascht bin. Denn ich habe dich in Gedanken schon schreiend weglaufen sehen.«

      »Na ja«, entgegnet Sarah nach kurzem Zögern. »Vielleicht renne ich deswegen nicht, weil mir Derartiges nicht völlig fremd ist.«

      Henry reißt die Augen auf. »Wie jetzt?«

      »Ich bin mit der Szene, falls ich das mal so nennen darf, bereits in Kontakt gewesen. Darum weiß ich auch, dass das nichts mit Abartigkeit oder so zu tun haben muss. Zumindest nicht das, von dem du sprichst.«

      Henrys Augen werden immer größer.

      »Brian hat mit mir auch schon was ausprobiert, was in diese Richtung geht. Doch es war einfach nur grauenvoll. Es hatte eher was von einer Vergewaltigung. Und das Schlimmste, er hat es nicht gemerkt. Spätestens da war mir klar, dass er unfähig ist zu spüren, was außerhalb seiner emotional beschränkten Welt passiert.«

      Henry kann kaum glauben, was er da hört. Sie ist schon mal gefesselt worden? So viele Zufälle kann es doch gar nicht geben. Gleichzeitig spürt er, dass er offensichtlich noch ein zusätzliches Hindernis zu überwinden hat. Er muss noch Schatten aus Sarahs Vergangenheit besiegen und beweisen, dass er trotz seiner Vorlieben der Richtige für sie ist. Oder vielleicht gerade deswegen?

      »Bei mir wäre es aber nicht so«, flüstert er ihr schon fast voller Verlegenheit zu.

      Sie nimmt seine Hand. »Da bin ich mir sicher.«

      »Und jetzt?«, fragt er eine Spur beruhigter.

      Sie zuckt mit den Schultern. »Ich hatte für heute echt einen Plan.«

      »Der wie genau aussah?«

      »Dir zu sagen, was ich für dich empfinde«

      »Na, das hast du ja wohl auch getan.«

      »Er war damit eigentlich auch noch nicht beendet.«

      Er spürt ein Kribbeln in der Magengegend. »Und das heißt?«

      »Ist das nicht offensichtlich?«

      »Hm. Und ich habe deinen Plan jetzt vereitelt.« Die Betonung drückt aus, dass es sich eher um eine Feststellung als um eine Frage handelt.

      »Zumindest bin ich verunsichert.«, so Sarah.

      »Bitte komm mit rein«, beginnt er fast bettelnd. »Ich möchte heute einfach nur genießen, dass du in meiner Nähe bist. Mehr nicht. Ich will dich nicht eben erst gefunden haben und dann gleich schon wieder verlieren. Ich bin immer noch der Henry, den du geküsst hast. Gib mir eine Chance. Findest du nicht, dass wir uns das nach unseren gegenseitigen Geständnissen auch verdient haben?«

      Ein paar Sekunden lang reagiert Sarah nicht. Dann blickt sie ihn an. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Viele Sekunden. Dann steigt sie aus. Henry macht es ihr gleich, nimmt Sarah in den Arm und sie gehen gemeinsam ins Haus.

       Sonntag

      Als Henry die Augen öffnet, sieht er als Erstes langes braunes Haar. Den Bruchteil einer Sekunde später wird ihm klar, dass er den gestrigen Abend nicht geträumt hat. Neben ihm liegt Sarah. Es ist nichts weiter geschehen, als dass sie gemeinsam eingeschlafen sind. Er war vielleicht ein wenig angetrunken, aber keinesfalls betrunken genug, um sich nicht an Sex zu erinnern. Dennoch prüft er nach, was er denn so an hat, und beruhigt stellt er fest, dass er seine Boxershorts noch immer trägt. Nicht, dass er es nicht gern anders gehabt hätte. Aber nicht unter dem Umstand, sich nicht mehr daran erinnern zu können. Insofern hat schon alles seine Richtigkeit.

      »Guten Morgen«, hört er eine Stimme verschlafener Zufriedenheit.

      Was hat sie eigentlich an? Die Erinnerung kehrt zurück. Sie trägt eines seiner T-Shirts, weil er sie nicht gleich am ersten Abend dazu nötigen wollte, in Unterwäsche oder gar nackt zu ihm ins Bett zu steigen. Das Shirt ist aber so lang, dass es als Nachthemd locker durchgeht. Warum auch immer hatte er gestern noch diese Eingebung, bevor die Müdigkeit ihn völlig übermannte.

      »Wie hast du geschlafen?«, fragt er sanft.

      »Fantastisch«, antwortet sie sich streckend in diesem riesigen Bett. Dabei lässt sie ihren Blick durch das Zimmer streifen. »Also, man könnte tatsächlich meinen, dass du das Mittelalter irgendwie magst.«

      Sarah steht auf, um sich genauer umzuschauen. Natürlich ist es ihr gestern schon aufgefallen. Wer hat schon ein mittelalterliches Schlafzimmer? Aber sie wollte der ohnehin schon merkwürdigen Stimmung nicht noch Fragen hinsichtlich des nicht alltäglichen Interieurs hinzufügen. Da ist morgen früh auch noch Zeit für, hat sie sich gedacht.

      »Ja«, entgegnet Henry. »Ich wollte zumindest einen Raum haben, der an eine mittelalterliche Burg erinnert, wenn ich selbst schon keine besitze. Und da dachte ich, dass sich das Schlafzimmer am ehesten anbieten würde. Denn ein Wohnzimmer im schottischen Stil einer Burg mit Flachbildschirm und Stereoanlage, ich weiß nicht.« Er steht ebenfalls auf und gesellt sich zu ihr.

      Sarah schaut sich weiter um. An der Wand befinden sich mehrere Kerzenhalter. Viele Bilder zeigen Szenen aus längst vergangenen Tagen. Dazu Schwerter, Schilde und andere Reliquien, die dieser Epoche zuzuordnen sind. Und massive Möbel aus schwerem Holz. Inklusive des riesigen Bettes, in dem sie sich gerade noch befunden haben.

      »Schon immer hat mich diese Ära der Menschheit fasziniert. Die Legenden, die Mythen, die Architektur. Ich finde diese Epoche sehr aufregend und auch inspirierend. Wenn man von der unsagbaren Brutalität mal absieht.« Er macht eine kurze Pause. »Es könnte aber auch was mit meinen schottischen Wurzeln zu tun haben.«

      »King Henry«, entgegnet ihm Sarah schmunzelnd.