Muskelprotze mit schwarzen Masken und Fesselseilen in der Hand, die es auf sie abgesehen hatten. Der Gedanke an die Folterinstrumente, die sie mit dieser Szene verband, war zum Fürchten. Wer weiß, was Manuel mit ihr anstellen würde, wenn sie sein Revier beträte? Nein. Das war in diesen Minuten der unpassendste Gedanke. Emma verwarf die Idee, in seinem Studio vorbeizuschauen.
Sie tauchte aus ihrer Gedankenwelt auf, als sei sie aus dem tiefen dunklen Meer an die Oberfläche gespült worden. Oder war es die Erleuchtung, die sie getroffen hatte? Die Sonne schien hoch am Himmel. Vögel zwitscherten im Geäst und die Luft war frisch und warm. Sie hatte mehr als eine Stunde hier gesessen und nachgedacht. Sie erhob sich von dem uralten Baumstamm, klopfte sich Moos- und Holzreste von der Jeans, verstaute ihre Jacke auf dem Gepäckträger und schwang sich wieder auf ihr Fahrrad.
***
Emma drückte auf Löschen und klickte die ganzen Männer weg.
»Jetzt nicht mehr, ich muss davon loskommen«, sagte sie zu sich selbst und gestand sich ein, den verdammten Computer nicht ausgeschaltet lassen zu können. Es hatte ein gewisses Maß an Suchtpotenzial, das war unmissverständlich. Sie versuchte, sich zu erinnern, wie es früher gewesen war, als sie den Chat noch nicht gekannt hatte. Wie war sie früher Menschen begegnet? Und wo? Und wie sprach man einen Mann an, ohne Hintergedanken zu haben und an Sex zu denken? Plötzlich wurde ihr bewusst, wie tief sie schon in die virtuelle Welt eingetaucht war. Ihr hauptsächliches Leben neben der Arbeit spielte sich nur noch im Swingerclub ab. Sie war dabei, weltfremd zu werden, im richtigen Leben nicht mehr kommunizieren zu können und auch kein Interesse mehr daran zu haben, einem Mann zu begegnen, den sie nicht im Internet kennengelernt hatte. Der Computer hatte sie fest im Griff. Emma musste sich davon losreißen, es gab wohl keinen anderen Ausweg.
Wir sind alle gemeinsam allein, dachte sie traurig, als sie über die Männer im Club nachdachte. Heute hatte sie keine Lust mehr, die Kerle zu reizen, bis sie sich vor dem Bildschirm einen runterholten. Was sollte das Ganze überhaupt? Hatte es einen Sinn? Emma wusste ganz genau, was bei den Männern zu Hause vor dem PC abging, wenn sie es auf die Spitze trieb. Es war immer das Gleiche. Die Chats unterschieden sich kaum noch. Vielleicht, weil Emma bereits alles kannte. Sie konnte mittlerweile jede Antwort voraussagen.
Sie fuhr den Computer herunter und verließ lustlos ihren Sitzplatz. Erst einmal musste sie sich darüber klar werden, ob das Leben wirklich so schlecht war, wie es im Moment schien, oder ob sie nur eine Pechsträhne hatte, die keine Liebe zuließ. Okay, die Erfahrungen hatten auch etwas Gutes. Emma hatte viele sexuelle Besonderheiten kennengelernt und war vielem gegenüber toleranter geworden. Neigungen anderer Menschen – ob in sexueller Hinsicht oder als Lebensanschauung – konnte sie nun viel leichter akzeptieren. Vielleicht war das der Sinn in diesem Spiel, dass sie nicht mehr kleinkariert und spießig denken, sondern mit ihren Beobachtungen und Empfindungen über den Dingen stehen sollte. Sie wusste, dass sie nichts erzwingen konnte und dass das Schicksal nun einmal eigene Wege ging, denen sie einfach folgen musste. Hatte das Leben als Swinger sie etwa schon wie einen Stein abgehärtet? War sie widerstandslos geworden gegen ihre inneren Sehnsüchte nach wahrer Liebe? Aber was sollte sie tun, damit sie sich besser fühlte?
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