Höhe, sodass sie mir die Sicht verstellt. »Klingt doch perfekt!«
»Ja, ganz toll, und wahrscheinlich stinkt die ganze Wohnung nach Knoblauch oder was ähnlich Ekligem, wenn sie sich in meiner Küche ausgetobt«, entgegne ich Kelly naserümpfend, wedle abwehrend mit der Hand und schiebe sie beiseite, um mir die Anzeige genauer anzusehen, die mit bunten Comicbildern von Besen, Wischlappen und Kochtöpfen versehen meine Aufmerksamkeit erregt hat. Mein Herz klopft schneller. »Das ist es!«
Meine Hände zittern vor Aufregung, als ich den Zettel von der Wand nehme und genauer studiere. Kelly stellt sich neben mich und wirft ebenfalls einen Blick darauf. »Bestimmt ist die Stelle schon längst vergeben«, meint sie, ohne die Anzeige überhaupt zu lesen, und deutet auf die fast leere Reihe Abreißzettelchen mit der Kontaktnummer. Nur noch ein Zettel ist übrig.
»Das weißt du doch gar nicht«, erwidere ich. Das Angebot klingt perfekt! »Ich will genau diesen Job! Hör doch mal: Ich suche ab sofort eine Haushaltshilfe, die mir an mehreren Tagen in der Woche unter die Arme greift. Klingt anstrengend – das ist es vermutlich auch – dafür bezahle ich aber überdurchschnittlich gut. Melden Sie sich einfach bei Interesse. Genauere Vereinbarungen treffen wir dann bei Ihrer Einstellung.«
Irgendetwas sagt mir, dass das genau das Richtige für mich ist. Kurz entschlossen hole ich mein Smartphone aus der Tasche. »So einfach gebe ich nicht auf«, murmle ich und tippe die Nummer ein. Abwartend lausche ich dem Tuten in der Leitung, Kelly hält den Atem an und beobachtet mich gespannt.
»Palmer?«, meldet sich eine dunkle Männerstimme und wirft mich für einen Moment völlig aus dem Takt. »Ähm, hallo! Ich rufe wegen der Stelle an«, antworte ich perplex. Ich hatte eher mit einer zerbrechlichen alten Frauenstimme gerechnet und nicht mit der sexy Reibeisenstimme eines Kerls.
»Erst einmal würde mich interessieren, mit wem ich spreche«, erwidert er und mir schießt das Blut in die Wangen. Wie peinlich, gleich den ersten Eindruck zu verpatzen! Zum Glück kann er mich nicht sehen. »Entschuldigen Sie, hier spricht Lara Malone. Ist die Stelle denn noch zu haben?« Kelly verzieht unglücklich ihr Gesicht. Fuck, ich bin zu ungeduldig. Zum Glück sieht Jason Palmer mir diese kleine Schwäche mit einem leisen Lachen nach. »Naja, es gibt bereits einige Bewerberinnen ...« – »Bitte«, unterbreche ich ihn. »Ich brauche wirklich ganz dringend einen Job!«
Kelly schüttelt ungehalten den Kopf. Ich hebe abwehrend die Hand. Hätte ich Jason Palmer ausreden lassen, hätte er mir gleich abgesagt. So besteht vielleicht noch der Hauch einer Chance. Tatsächlich seufzt er leise. »Na gut ... Es kann zumindest nicht schaden, wenn Sie sich ebenfalls vorstellen. Sagen wir heute Nachmittag um vier? Ich wohne in der Royal Street 148.«
Stünde er jetzt vor mir, würde ich ihm vor Begeisterung um den Hals fallen. »Ja, super! Ich freue mich!«, sprudelt es aus mir heraus und ich würde mir am liebsten die Zunge abbeißen. Ich klinge nicht gerade professionell. Doch anstatt mir gleich wieder abzusagen, lacht Jason Palmer wieder. Mmh ... Ich mag diesen Ton. »Na, dann bis heute Nachmittag. Ich freue mich auch«, erwidert er fröhlich und legt auf.
»Was war das denn?«, fragt Kelly und mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du hast geklungen wie ein Barbie Girl – ›Ich freue mich auch!‹«, ahmt sie meinen überdrehten Ton grinsend nach.
Ich verstaue das Smartphone in meiner Tasche und remple sie freundschaftlich mit dem Ellenbogen an. »Hör auf, mich nachzuäffen!« Ich fühle mich, als könnte ich vor Freude tanzen. Das könnte sogar richtig gut werden! »Wenn dieser Jason Palmer so nett ist, wie er am Telefon geklungen hat, gibt er mir dank meiner vorlauten Art vielleicht sogar eine Chance!«, erwidere ich Kelly gespielt schnippisch und hake sie unter, um noch schnell mit ihr zur Mensa zu gehen, ehe die letzte Vorlesung für heute anfängt. Und danach heißt es, mich bei Jason Palmer ordentlich ins Zeug zu legen. Ein leises Flattern meldet sich in meiner Magengrube. Wie alt er wohl ist?
***
Fast dreieinhalb Stunden später komme ich völlig abgehetzt in der Royal Street Nr. 148 an. Das moderne Wohnhaus liegt viel weiter die Straße runter als ich dachte, und so musste ich ganz schön in die Pedale meines Fahrrades treten, um nicht zu spät zu kommen. Trotzdem bleibt mir kaum Zeit, um Luft zu holen. Schnaufend presse ich die Hand an meine stechende Seite und klingle.
»Miss Malone, Sie kommen auf die Minute genau. Sie scheinen den Job wirklich unbedingt zu wollen«, empfängt Jason Palmer mich durch die Gegensprechanlage. An der Belustigung in seiner Stimme kann ich erkennen, dass er mich auf den Arm nimmt. Sehr witzig! »Ja, mit der Pünktlichkeit nehme ich es wirklich ganz genau. Deshalb komme ich auch nie zu früh«, erwidere ich sarkastisch und höre wieder dieses angenehme Lachen. »Na, dann kommen Sie hoch. Dritter Stock.« Der Türsummer wird betätigt und ich trete ein.
Wow! Bereits nach den ersten Schritten ins Innere des Hauses sehe ich mich beeindruckt um. Die Bude wirkt nicht nur von außen ziemlich gediegen, auch das Treppenhaus ist elegant. Blank geputzte Hochglanzfliesen zieren den Boden, das Gestänge des Treppengeländers besteht aus kunstvoll in sich gedrehten Streben aus glänzendem Metall. Gespannt auf die Wohnung, die ich in Zukunft hoffentlich putzen darf, drücke ich auf den Knopf des Aufzuges und fahre wenige Augenblicke später nach oben. Mit einem leisen Pling kommt er im dritten Stock an und die Türen öffnen sich.
Fuck! Ich schwöre, dass mein Herz für einen Schlag aussetzt, ehe es heftig klopfend seine Tätigkeit wieder aufnimmt. Wenn das Jason Palmer ist, dann drehe ich durch. Nervös streiche ich mein langes Haar nach hinten und starre den Kerl an, der in der direkt dem Aufzug gegenüberliegenden Wohnungstür steht.
»Wenn Sie das sind, Miss Malone, dann sollten Sie aussteigen, ehe der Aufzug weiterfährt ...«
Oh mein Gott, er ist es wirklich. Ein erregtes Kribbeln breitet sich in meinem Nacken aus, als ich in den Gang trete. Meine Sneakers geben ein leises Quietschen von sich. Hätte ich nur Zeit gehabt, noch nach Hause zu radeln und mich umzuziehen!, schießt mir durch den Kopf. Doch anstatt mich richtig anzuschauen, starrt Jason Palmer an mir vorbei. Irritiert werfe ich einen Blick über meine Schulter, doch da ist niemand. Sein Blick ist seltsam, irgendwie leer. Ganz langsam dämmert mir, warum der Mann nach einer Haushaltshilfe sucht.
Fasziniert lege ich den Kopf in den Nacken, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit vor ihm stehe. Er ist so groß, dass ich mit meinen eins siebzig zu ihm aufsehen muss, um sein attraktives Gesicht genauer unter die Lupe zu nehmen. Ungeniert mustere ich ihn. Seine Augen sind schön – von einem goldenen Braunton mit hellen Sprenkeln. Unglaublich lange, dunkle Wimpern verleihen ihnen eine noch hellere Note. Doch sie scheinen völlig nutzlos zu sein.
»Mister Palmer?«, hake ich unsicher nach, als er nicht auf mich reagiert. Er hätte mich zumindest kommen hören müssen ... »Miss Malone«, erwidert er einfach. Er lächelt und auf seinem hübschen Gesicht geht die Sonne auf. Ein elektrisiertes Kribbeln rieselt durch mich hindurch. Er ist unglaublich schön, wenn er so lächelt.
»Sie dürfen ruhig meine Hand schütteln. Ich beiße nicht.« Sein Lächeln wird breiter. Ich räuspere mich verlegen. In meiner Verzauberung habe ich gar nicht bemerkt, dass er sie mir entgegenstreckt. Wie peinlich ... Schnell ergreife ich sie und schüttle sie zur Begrüßung. Kleine Feuerzungen rasen über meine Haut und brennen sich in mich.
»Kommen Sie doch rein«, fordert Jason mich auf und tritt aufmerksam einen Schritt beiseite. Als ich an ihm vorbei durch die Tür schlüpfe, legt er eine Hand zwischen meine Schulterblätter. Wie zuvorkommend! Es fühlt sich unaufdringlich an, dennoch erschaudere ich von der Wucht, mit der die Berührung mich trifft. Jason ist einfach der Hammer, und von einem Kerl wie ihm angefasst zu werden, ist vermutlich der Traum eines jeden Collegemädchens.
»Gehen Sie einfach geradeaus durch ins Wohnzimmer. Da können wir uns am gemütlichsten unterhalten«, meint er und dirigiert mich mit seiner Hand im Rücken den ausladenden Flur entlang. Es ist seltsam, aber es fühlt sich an, als wäre ich diejenige, die nicht sehen kann, so sicher schreitet Jason voran. Ich trete in einen offenen Wohnbereich und sehe mich staunend um.
Das hier ist eine völlig andere Welt. Ich dachte, die fünfzig Quadratmeter meiner Wohnung seien großzügig, doch im Vergleich zu Jasons Wohnung sind sie geradezu lächerlich. Allein