Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel


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      »Eine private Angelegenheit, die Sie nichts angeht.«

      Frost hob die Hände und signalisierte damit, dass sie ihn nicht weiter bedrängte. Sie hatte damit gerechnet, dass er nicht einfach so mit ihr kommen würde, trotzdem wollte sie versuchen, ihn dazu zu überreden. Sie sah Cecilia Paynes ernstes und besorgtes Gesicht vor sich. Die Frau vertraute darauf, dass sie ihr ihren Ehemann zurückbrachte.

      Frost spürte das metallene Summen der Kugel, bevor sie den Schuss hörte. Blitzschnell sprang sie auf und packte den Pinkerton am Arm.

      »Runter!«

      Gleichzeitig zerbarst die Scheibe neben ihrem Tisch. Der Schuss verfehlte Payne um Haaresbreite. Sofort brach im Pub Panik aus, und mehrere Personen duckten sich unter ihre Tische.

      »Was zum Teufel?« Payne glitt vom Stuhl und ging neben Frost in die Hocke.

      »Freunde von Ihnen?« Sie deutete mit dem Kinn auf die beiden Männer, die auf das Lokal zukamen. Beide hielten ein Gewehr in den Händen. »Meine sind es jedenfalls nicht.«

      Payne linste über den Rand des Tisches und fluchte.

      »Ich rate mal, die Leute von diesem Russen?«, murmelte Frost und schaute sich nach einem Hinterausgang um. »Kommen Sie mit.« Ein weiterer Schuss peitschte durch den Pub und schlug in die Wand hinter der Bar ein. Flaschen barsten.

      Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Frost geduckt zum Schanktresen. Hinter der Bar befand sich die Küche, und Küchen hatten normalerweise eine Tür, die nach draußen führte. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass der Pinkerton ihr tatsächlich folgte. Sie machte sich eine geistige Notiz, dass es umherfliegende Kugeln brauchte, damit der Mann tat, was man ihm sagte.

      Als sie durch die Küche rannten, bemerkte Frost, dass Sie ihre Umhängetasche mit dem Folianten unter dem Tisch hatte liegen lassen. »Warten Sie hier«, schärfte sie Payne ein und rannte zurück in den Schankraum. Die meisten Gäste hatten inzwischen das Weite gesucht. Frost hielt den Kopf unten, als sie zwischen den Tischen zu ihrem Platz ging. Schnell warf sie sich ihre Umhängetasche über die Schulter und griff dann nach ihrem Mantel.

      Die Männer mussten sie im Fenster gesehen haben, denn sogleich fielen abermals Schüsse. Frost fluchte und rannte geduckt zurück in die Küche. »Diese Leute scheinen es ernst zu meinen«, sagte sie zu Payne, während sie in den Mantel schlüpfte. Sie hatte keine Lust, sich bei der Kälte etwas einzufangen. »Was haben Sie angestellt, Pinkerton?« Und wie hatte sie es verdient, dass gleich zweimal am selben Tag auf sie geschossen wurde?

      »Nur meinen Job«, knurrte Payne sie an. Dann warf er ihr einen Revolver zu. »Hier, für Sie.«

      »Woher …?«

      »Lag unter der Bar. Der Wirt sichert sich gerne gegen unhöfliche Gäste ab«, antwortete Payne lakonisch und überprüfte den Revolver, den er aus seiner Manteltasche holte. »Ich hoffe, Sie können schießen.«

      Frost schnaubte und ließ den sarkastischen Ton unkommentiert. Stattdessen suchte sie nach einem Weg aus dem Hinterhof. Da es keine direkte Gasse zurück zur Hauptstraße gab, entschied sie sich für das Gebäude genau gegenüber. »Hier entlang, Pinkerton.«

      Diesmal folgte ihr der Mann ohne Widerrede. Er war also lernfähig, bemerkte sie amüsiert. Die mit Eisen beschlagene Tür war fest verschlossen. Frost zögerte einen Moment. Sollte sie so tun, als würde sie das Schloss manuell knacken? Was, wenn der Pinkerton sah, was sie wirklich tat? Konnte sie das Risiko eingehen?

      Lärm aus dem Haus hinter ihnen nahm Frost die Entscheidung ab. Wenn diese Fremden sie hier erwischten, saßen sie wie die Karnickel in der Falle. »Ach, scheiß drauf«, brummte sie und ging in die Hocke. Als sie die Hand auf das eiserne Schloss legte, spürte sie sogleich die kribbelige Wärme durch ihre Finger schießen.

      »Was tun Sie da?«

      »Ich suche uns einen Ausgang.« Frost richtete sich wieder auf und drehte den Türknopf. Mit quietschenden Angeln öffnete sich die Tür. »Na bitte, ich kann es also doch noch«, murmelte sie vor sich hin, als sie das Haus betrat. Binghams Türschloss schien ein Einzelfall gewesen zu sein.

      »Was können Sie noch?«, fragte Payne hörbar neugierig. Mit schnellen Schritten gingen sie durch die Räume des Hauses. Regale, vollgestopft mit Waren aller Art, reihten sich aneinander. Frost vermutete, dass sie sich in einem Laden befanden oder zumindest in dessen Lager.

      »Türen öffnen«, sagte sie und lächelte Payne über die Schulter an. »Deswegen nennt man mich die Schlüsselmacherin.« Der Amerikaner machte sich nicht die Mühe, beeindruckt auszusehen.

      Sie hatten die Ladenfront erreicht – zum Glück war das Geschäft um die Uhrzeit bereits geschlossen – und duckten sich hinter dem Schaufenster. Sie befanden sich in einer schmalen Seitengasse, und nur wenige Fußgänger waren unterwegs. Die Luft schien rein zu sein. Wieder ging Frost vor der Tür in die Hocke und presste die Hand auf das Schloss, bis sie das leise Klicken hörte.

      »Wir müssen diese Männer irgendwie loswerden«, sagte sie zu Payne, während sie über die Schulter blickte. Payne ging neben ihr und wirkte sehr angespannt.

      »Diese Männer sind mein Problem, nicht Ihres, Miss Frost«, knurrte er.

      Frost blieb stehen. »Nicht mein Problem? Zum einen wurde ich eben fast erschossen, so nebenbei: zum zweiten Mal heute, und zum anderen habe ich den Auftrag, Sie heil zu Ihrer Frau zu bringen – und das gedenke ich auch zu tun. Und falls die Kerle hinter meinem Buch her sind, dann haben wir beide ein Problem.«

      Payne schaute Frost lange an. »Wo befindet sich Ihre Agentur?«, fragte er, als Frost schon glaubte, gar nichts mehr aus ihm herauszubekommen.

      »Leather Lane, Holborn«, antwortete sie sofort und setzte sich in Bewegung. Zu Fuß war es von hier aus ziemlich weit, aber vielleicht erwischten sie eine der Straßenbahnen in die Chancery Lane. Payne sah nicht so aus, als würde er einen Eilmarsch dorthin schaffen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er sich die linke Seite hielt. Obwohl er so viel getrunken hatte, schien er bei erstaunlich klarem Verstand zu sein. Dennoch sah er äußerst angespannt aus und … War das Blut da auf seinem Hemd?

      Drei Straßen weiter hörte Frost das vertraute Knistern der Straßenbahn. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie die blauen Blitze auf der Oberleitung tanzen. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie die Station und sprangen auf den zweiten Wagen auf.

      »Alles in Ordnung bei Ihnen, Mr. Payne?«, fragte Frost und musterte ihr Gegenüber. Payne atmete stoßweise, und die Hand, die er an die Seite gepresst hatte, war verkrampft.

      »Mir geht’s gut«, brummte er, vermied aber ihren Blick. »Kümmern Sie sich lieber darum, wie wir heil in Ihrer Agentur ankommen.«

      »Scheint, als hätten wir sie abgehängt.« Frost lehnte sich hinaus und schaute die Straße zurück. Nichts deutete darauf hin, dass sie verfolgt wurden, weder zu Fuß, zu Pferd noch mit einem Fahrzeug.

      Beide verfielen in brütendes Schweigen. Frost bemerkte die Müdigkeit, die sich bleiern über ihre Glieder legte. Sie hatte sich diesen Tag wahrlich anders vorgestellt. Ihre Hand wanderte zur Tasche, in der das wertvolle Buch sicher verstaut lag. Wie hoch waren ihre Chancen noch, Madame Yueh mit dem Buch zu erpressen, nun, da die Organisation wusste, dass sie es hatte?

      »Wir bekommen Gesellschaft«, hörte sie Payne sagen. Frost drehte sich um und folgte seinem Blick.

      »Verdammt.« Sie erstarrte. Die Straßenbahn war voll besetzt. Wenn ihre Verfolger anfingen zu schießen, würde es ein Blutbad geben. »Fährt dieses Ding denn nicht schneller?«, rief sie aus und musste sich gleich darauf an einer der Stangen festhalten, als die Straßenbahn ruckelnd in eine Kurve bog.

      Über das elektrische Knistern hinweg konnte sie die dröhnenden Motoren der beiden Aetherbikes hören. Die Straßenbahn fuhr gemächlich durch die Häuserzeilen. Payne hatte sich ans hintere Ende des Wagens begeben und lehnte mit gezücktem Revolver in der Ecke zwischen der Heckscheibe und der Seitenwand neben der hinteren Tür. Frost spürte, wie das Adrenalin