das dunkle Haar gelockt, so ging sie durchs Dorf, besuchte Lore Dempe, die inzwischen eine quicklebendige Tochter bekommen hatte, und wurde nicht nur von Gustel und Hase-Rosa, sondern eigentlich von jedem im Dorf bewundert und verehrt.
Eines Tages erhielt sie eine Einladung aus Neustadt in Oberschlesien, dem Ort, aus dem ihr Vater stammte. Dort gab es noch viel Verwandtschaft von Haberlands. Fritz Haberland, aus dem Krieg zurück, bewirtschaftete das Stadtgut dort, das die Größe eines Rittergutes besaß; seine Eltern lebten noch, ein Bruder war gerade mit dem Studium der Tierheilkunde fertig, Schwestern gab es auch. Friederike sträubte sich, die Einladung anzunehmen. Sie trug den Eltern immer noch nach, daß diese ihre Verlobung mit jenem jungen Lehrer durchkreuzt hatten, obwohl es keine allzu leidenschaftliche Liebe von ihrer Seite aus gewesen war. Sie weigerte sich zu fahren.
»Du tätest uns einen großen Gefallen«, sagte Vater Haberland, »es sind alles mehr oder weniger nahe Verwandte von uns, und wir haben uns nie um sie gekümmert. Wenn sie uns jetzt die Hand reichen ...«
Er beschäftigte sich in den knappen Stunden, die ihm neben dem Beruf blieben, seit einiger Zeit viel mit Ahnenforschung, und die Haberlands waren eine weitverzweigte Sippe.
»Ihr wollt bloß, daß ich den Fritz heirate«, sagte Friederike wütend, »aber da könnt ihr lange warten. Ich lass’ mir meinen Mann nicht aufzwingen und von den Eltern aussuchen. Wir leben ja nicht mehr im Mittelalter.« Sie las Alexander und Iso abends vor, nun nicht mehr aus dem alten Märchenbuch, sondern aus einer Folge von Bänden mit dem Titel »Am deutschen Herd«, woraus man Geschichte lernte. Da opferten sich die Mädchen für die Eltern, indem sie einen reichen Schwiegersohn anbrachten, den sie nicht liebten, oder sie gingen ins Kloster. Iso fand das alles sehr spannend. Alexander hörte auch zu, aber ihn interessierte mehr die Zeitgeschichte. Er las längst die Zeitungen und focht mit Großvater wilde Debatten aus. Dabei spielten die »Ultramontanen« eine große Rolle. Immer wieder hörte Iso dieses Wort, unter dem sie sich nichts vorstellen konnte, und erlebte die wütende Verzweiflung ihres Großvaters, wenn er die Zeitung gelesen hatte und sie fortwarf.
»Jesses, Rudolf«, hörte sie die Großmutter seufzen.
Und dann kam eines Tages Vater Martin zurück.
Aus dem lustigen Sachsen, der die »Fledermaus« gesungen hatte, war ein ernster, verantwortungsbewußter Mann geworden, der sich um seine Familie sorgte. Nach kurzem Aufenthalt bei den Schwiegereltern, die meinten, er müsse sich erst erholen, fuhr er nach Leipzig und verhandelte mit dem Bibliographischen Institut, das ihn sogleich wieder anstellte. Zu Beginn des neuen Schuljahres würden Geists wieder nach Leipzig ziehen.
Inzwischen hatte sich in Neustadt in Oberschlesien einiges getan. Das Haberlandsche Gut lag am Rande der Stadt, und man betrieb neben der Landwirtschaft feldmäßig Gemüsebau, der viel einbrachte. Das Gut umfaßte über fünfhundert Morgen Land, fünfzig Kühe und sechs Pferde, dazu noch eine Ziegelei. Der junge Landwirt Fritz war groß, breit und weißblond; durch die Kriegsjahre war er erwachsener als andere junge Männer seines Alters. Er verliebte sich auf der Stelle in die ziemlich weitläufig verwandte Cousine, die schöne Arzttochter, die den gleichen Namen trug wie er. Und sie verliebte sich in ihn. Binnen kurzem kam sie für einen Tag nach Hause und rief als erstes den Eltern zu:
»Ich hab’ mich mit Fritz verlobt. Nie hätte ich gedacht, daß ich einen Menschen so liebhaben könnte wie ihn!«
Die Eltern waren zufrieden. So kamen sie doch noch zu dem heißersehnten Sohn Fritz, den sie vor zwanzig Jahren erwartet hatten.
»Wir sind Glückskinder«, dachte Mutter Haberland und faltete die weichen, weißen, gepolsterten Hände.
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