Unternehmen. Wirkt sich ein Führungsstil auf einen oder mehrere dieser Faktoren positiv aus, ohne gleichzeitig andere Faktoren zu vermindern, ist er somit erfolgreich und besser als bisherige Führungsansätze. Und die Zusammenhänge verschiedener Ausprägungen innerhalb der Faktoren lassen sich evidenzbasiert und wissenschaftlich korrekt messen.
Solange ich mich mit Führung beschäftige, finde ich alle Untersuchungen eng verzahnt mit der Motivationsforschung vor – die enge Wechselbeziehung bestätigen etliche Studien. Tausende Annahmen werden in den Raum gestellt, bestätigt oder eben nicht. Ich möchte Sie nicht demotivieren, wenn bei Ihnen der Eindruck entsteht, ein klares Führungsbild zu entwickeln wäre aussichtlos. Das ist es nicht! Jedoch möchte ich allen Anhängern eindeutiger Antworten aus der Wissenschaft schon hier den schmerzenden Zahn ziehen. Diese Erwartungshaltung widerspricht nämlich allem, was mir meine Lebenserfahrung zeigt. Nur selten ist etwas für jede Situation eindeutig und generalisierbar gut oder schlecht, richtig oder falsch. Die Welt der Menschen, in der ich lebe, ist divers und komplex. Und dafür bin ich dankbar, das macht ihren Wert aus. Das macht uns aus.
Aus diesem Grund will und werde ich mich nicht den Urhebern vermeintlich einfacher und allgemeingültiger Führungsrezepte anschließen. Und das in Ihrem Sinne: Ich werde nicht in die Falle tappen, ein wohlklingendes, aber falsches Rezept zu verbreiten. Ich ergründe, hinterfrage, sammele Indizien, ziehe in Teilen klare Aussagen und differenziere alles, was im größeren Kontext steht. Doch in einem bin ich mit der Wissenschaft auf einer Wellenlänge: Ich rechne in Wahrscheinlichkeiten und nicht in Wahrheiten. Ich arbeite mit Menschen, eruiere den Grad ihrer Kooperationsbereitschaft und ermesse so ihre Haltung zu lösungsorientiertem und loyalem Verhalten.
Eine Gruppe Menschen zu führen, bedeutet in jedem Fall, unterschiedliche Individuen zu führen, coachend anzuleiten und deren Wertesysteme, kulturelle Hintergründe, Bedürfnisse, ihre aktuelle Verfassung und Situation zu berücksichtigen. Natürlich sind die Organisation selbst, die Unternehmensziele und weitere Rahmenbedingungen ebenso einzubeziehen. Diese Herangehensweise ist als ‚situatives Führen‘ bekannt geworden. Ich finde diesen Ansatz richtig und wichtig; nicht um den Führungskräften hohe An- und Herausforderungen zu stellen, sondern um die grundsätzliche Fähigkeit als Führungspersönlichkeit zu führen, unabhängig von Fachkompetenzen. In Kombination mit meinem Ansatz einer loyalen Führungshaltung steht das Ziel, dass Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz ihre eigenen Potenziale und Stärken erkennen, entwickeln und einbringen können. Um dies zu erreichen, ist ein Umfeld maßgeblich, welches diese Potenzialentfaltung erlaubt und Führungskräfte einschließt, die verstanden haben, dass ihr gelebtes Führungsverhalten Ausschlag gebend ist für die gesamte Arbeitskultur in ihrem Bereich. Die Führung schafft also immer den Nährboden.
Ein schönes Bild, das ich mir von Dr. Matthias Nöllke ausleihe, ist die Betrachtung des Unternehmens als einen Garten. So lassen sich viele Grundannahmen übertragen, die die Gartenliebhaber unter uns schnell verstehen werden. Dazu gehört die Einsicht, dass ein schöner und ertragreicher Garten dem jahreszeitlichen Rhythmus unterliegt. Es liegt auf der Hand, dass ein Garten nicht an 365 Tagen gleichermaßen blühen kann. Im Garten wird der Jahreszeitenwechsel mit seinen Folgen als selbstverständlich hingenommen: Im Winter die Ruhezeit, Abgestorbenes wird abgestoßen, neue Triebe können entstehen. Im Frühling die Knospen und Blütezeit, wenn die Wärme und das Sonnenlicht dieses als äußere Faktoren begünstigen. Im Sommer, die Blütezeit und die erste Ernte und im Herbst die weitere Ernte sowie das Zurückziehen, der Verfall ab- und ausgenutzter Pflanzenteile und Flächen, um wieder neu in die Transformation zu gehen.
So verfolgt auch kein Gärtner dauerhaft das Ziel, seinen Garten perfekt haben zu wollen. Wer dem natürlichen Unkraut nicht nachgibt, kommt um Pestizide nicht herum. Oder andersherum: Ein wenig darf sich die echte Natur im Garten zeigen und wir nehmen die Gegebenheiten an.
Wir alle wissen, dass vor der Ernte die Blütezeit kommt. Selbstverständlich muss der Apfelbaum erst blühen, bevor wir die Frucht genießen können. Alles in der Natur hat seine Reihenfolge, eine Abkürzung gibt es nicht.
Und wer sich über einen längeren Zeitraum mit dem Garten- und Landschaftsbau beschäftigt, weiß Artenvielfalt zu schätzen. Denn erst die unterschiedliche oder abwechselnde Bestellung des Ackers schafft eine ausgeglichene Bodenkultur.
Der Natur gestehen wir den biologischen Rhythmus zu. Ganz selbstverständlich nehmen wir die Tatsachen an und kritisieren sie nicht. Nur leider ist uns diese natürliche Haltung zwischenmenschlich, spätestens in der Zusammenarbeit, in vielerlei Hinsicht verloren gegangen. Spätestens im Arbeitsleben wird Perfektion angestrebt, oft werden Erholungszeiten Schlappschwänzen zugeschrieben und hinter Diversity steckt in vielen Unternehmen der bunt bedruckte Mantel, unter dem sich dann doch Gleichmacherei verbirgt.
Wir Menschen sind Teil der Natur. Und meiner Meinung nach sollten wir uns schnellstens selbst diese Einsicht, diese wohlwollende Grundhaltung und die nicht permanent fordernde, sondern auch schonende Behandlung wieder zukommen zu lassen. Das verstehe ich unter Loyalität.
In meinem Buch Royal führen, loyal handeln beschreibe ich einige bittere Erfahrungen und kann Ihnen mit Blick auf mein gesamtes bisheriges Leben sagen: Es gibt schwarze Schafe – auf beiden Seiten des Tisches. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können echte Entwicklungsbremsen sein. Ich habe mir trotz mancher Tiefschläge mein positives Weltbild erhalten bzw. wiederaufgebaut. Lassen Sie uns Menschfreunde sein. Das macht so Vieles leichter, ganz besonders unseren Umgang miteinander und damit unsere Möglichkeiten.
Ich glaube, dass im Grunde genommen alle Menschen einen guten Kern haben. So habe ich für mein Menschenbild ein paar Grundannahmen aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) übernommen (mehr dazu in Kapitel 3.3, Seite 88):
Wir alle sind mit einem Blumenstrauß an sozialen Eigenschaften auf die Welt gekommen. Durch Erziehung, Prägung und unsere Erfahrungen haben wir gelernt, was in unserem Umfeld erwünscht und was versagt ist. Dadurch haben wir uns bestimmte Verhaltensweisen antrainiert, mit dem Ziel, gut durchs Leben zu kommen. Auch heute bedienen wir uns täglich dieser antrainierten Verhaltensweisen, oft unbemerkt, weil unbewusst. Erst durch das regelmäßige Reflektieren werden wir aufmerksam auf die vielen ‚Geschenke‘, die wir im Laufe des Lebens angesammelt haben und heute kritisch hinterfragen dürfen, ob sie uns dienen, zu unseren Zielen und zu unserem Lebensweg passen.
Inhalt
1Herausforderungen – Das Fundament für Führung
1.1Neue Führung entsteht beim Führen