wenig Geld zu holen. Und was jene Gutsherren des Hochlandes anbelangte, so sprach man ganz allgemein davon, was für Entbehrungen ihre Pächter sich auferlegten, um ihnen Geld zu schicken, wie sich ihre Clansmänner den Soldaten widersetzten, um ihnen dieses Geld zukommen zu lassen und durch die Reihen unserer Marine Spießruten liefen, um es hinüberzuschaffen. All dies hatte ich natürlich erzählen hören und jetzt sah ich mit eigenen Augen einen Mann, dessen Leben aus all diesen Gründen verwirkt war und noch mehr; denn er war nicht nur ein Rebelle und ein Steuerschmuggler, sondern er war auch in den Dienst König Ludwigs von Frankreich getreten. Und als wäre dies alles noch nicht genug, trug er noch einen Gürtel voll Geld um die Mitte. Welcher Ansicht ich auch immer war, so konnte ich einen solchen Mann nicht anders als mit dem lebhaftesten Interesse ansehen.
»Ihr seid also ein Jakobite?« sagte ich, als ich das Essen vor ihn hinstellte.
»Ja«, sagte er und fing zu essen an. »Und du, nach deinem langen Gesicht zu urteilen, bist wohl ein Whig?«
»So dazwischen und daneben«, sagte ich, um ihn nicht zu ärgern, denn ich war in Wirklichkeit ein so guter Whig, wie Herr Campbell nur einen aus mir hatte machen können.
»Und das ist gar nichts«, sagte er. »Aber Herr Dazwischen-und-Daneben,« fügte er hinzu, »diese Flasche da ist leer; und wenn ich schon sechzig Guineen bezahlen muß, so darf man doch zumindest nicht mit einem Schluck Schnaps an mir sparen.«
»Ich gehe den Schlüssel holen«, sagte ich und stieg hinaus auf Deck.
Der Nebel war so dick wie nur je, aber die Wellen gingen nicht hoch. Sie hatten das Schiff verankert, da sie nicht genau wußten, wo sie waren und der Wind (das wenige, was noch davon übriggeblieben) ihrem Kurs nicht dienlich war. Der Kapitän und die beiden Offiziere waren im Mitteldeck und steckten die Köpfe zusammen. Es fuhr mir plötzlich durch den Sinn, ich weiß selbst nicht weshalb, daß sie nichts Gutes vorhätten und das erste Wort, das ich hörte, als ich mich leise näherschlich, bestärkte mich in meiner Annahme nur allzu sehr.
Herr Riach rief, als ob ihm plötzlich der Gedanke gekommen wäre, aus: »Könnten wir ihn nicht aus der Kajüte herauslocken?«
»Er ist ganz gut doch, wo er ist,« antwortete Hoseason, »er hat dort zu wenig Platz, um sein Schwert zu gebrauchen.«
»Ja, das ist wahr,« sagte Riach, »aber man kommt ihm schwer nahe.«
»Ach, was!« sagte Hoseason, »wir können ihn in ein Gespräch ziehen und, jeder von einer Seite, an beiden Armen festhalten; oder, wenn das nicht geht, von beiden Türen gleichzeitig hereinstürzen und ihn unter die Hände kriegen, ehe er Zeit hat zu ziehen.«
Als ich dies hörte, erfaßte mich Angst und Zorn zugleich ob dieser verräterischen, blutgierigen Männer, mit denen ich segeln mußte. Mein erster Gedanke war davonzulaufen, mein zweiter war kühner.
»Kapitän,« sagte ich, »der Herr wünscht einen Schluck Schnaps und die Flasche ist leer. Wollt Ihr mir, bitte; den Schlüssel geben?«
Sie fuhren alle auf und drehten sich nach mir um.
»Ah, da haben wir eine Möglichkeit, die Schießwaffen zu bekommen!« rief Riach aus, und zu mir: »Höre, David,« sagte er, »weißt du, wo die Pistolen sind?«
»Ja, ja,« warf Hoseason ein, »David weiß es, David ist ein braver Bursche. Siehst du, David, mein Junge, dieser wilde Hochländer da ist eine Gefahr für unser Schiff und außerdem, da er ein entschiedener Feind König Georgs ist, mag ihm Gott beistehen!«
Ich war niemals zuvor so bedavided worden, seitdem ich an Bord kam. Aber ich sagte ja, als ob alles selbstverständlich wäre.
»Die Schwierigkeit ist,« sagte der Kapitän zusammenfassend, »daß alle unsere Schießwaffen, große und kleine, in der Kajüte sind, gerade vor seiner Nase; und ebenso das Pulver. Wenn nun ich oder einer von den Offizieren hinginge, um sie zu holen, fiele ihm das sicherlich auf. Aber ein Bursche wie du, David, könnte leicht ein Pulverhorn und eine Pistole oder zwei erwischen, ohne bemerkt zu werden. Und wenn du das schlau machen könntest, so will ich es dir gedenken, wenn es einst gut sein wird für dich, Freunde zu haben, und zwar, wenn wir nach den Karolinen kommen.«
Herr Riach flüsterte ihm etwas zu.
»Ja, gut, Herr«, sagte der Kapitän und dann zu mir gewendet: »Und siehst du, David, jener Mann hat einen Gürtel voll Geld und ich gebe dir mein Wort, daß du hineingreifen wirst dürfen.«
Ich sagte ihm, daß ich tun werde, was er verlangte, obwohl ich tatsächlich nach Luft schnappen mußte. Daraufhin gab er mir den Schlüssel vom Schnapskasten und ich ging langsam zurück in die Kajüte. Was sollte ich tun? Sie waren Hunde und Diebe, sie hatten mich vom Land weggeschleppt, sie hatten den armen Ransome umgebracht; und nun sollte ich das Licht halten für einen neuerlichen Mord? Anderseits aber stand die Todesangst ganz deutlich vor mir, denn was vermochten ein Bub und ein Mann, und wären sie tapfer wie Löwen, gegen eine ganze Schiffsmannschaft?
Ich erwog noch immer hin und her und konnte zu keiner Klarheit kommen, als ich in die Kajüte trat und den Jakobiten sah, der unter der Lampe sein Nachtmahl aß. Und da hatte ich auf einmal einen Entschluß gefaßt. Ich habe kein Verdienst an der Sache, denn es war nicht meine freie Wahl, sondern wie unter einem Zwang schritt ich geradewegs auf den Tisch zu und legte meine Hand auf seine Schulter.
»Wollt Ihr umgebracht werden?« sagte ich.
Er sprang auf die Füße und sah mich fragend an, so deutlich, als hätte er gesprochen.
»Oh,« rief ich, »alle hier sind Mörder, das ganze Schiff ist voll. Sie haben schon einen Buben ermordet, jetzt kommt Ihr dran.«
»Ja, ja,« sagte er, »aber Sie haben mich noch nicht.« Dann sah er mich eigentümlich an. »Willst du zu mir halten?«
»Das will ich«, sagte ich. »Ich bin kein Dieb, auch kein Mörder bis jetzt. Ich will zu Euch halten.«
»Gut, also,« sagte er, »wie heißt du?«
»David Balfour«, sagte ich und dann überlegend, daß ein Mann in so feinen Kleidern gerne feine Leute um sich hätte, fügte ich zum erstenmal in meinem Leben hinzu, »von Shaws«.
Es fiel ihm gar nicht ein, meine Worte anzuzweifeln, denn ein Hochländer ist gewohnt, große Edelleute in großer Armut zu sehen, aber da er seinen Grundbesitz hatte, stachelten meine Worte seine geradezu kindische Eitelkeit auf.
»Mein Name ist Stewart«, sagte er sich aufrichtend. »Alan Breck nennt man mich. Der Name eines Königs ist gerade gut genug für mich, obwohl ich ihn schlicht trage und nicht den Gutsnamen irgend eines Misthaufens hinten anzuhängen habe.«
Und nachdem er mir diesen Verweis erteilt hatte, als wäre es eine Sache von höchster Wichtigkeit, wandte er sich der Untersuchung unserer Verteidigungsmöglichkeiten zu.
Die Offizierskajüte war sehr fest gebaut, um dem Ansturm der Wellen standzuhalten. Von den fünf Öffnungen, die sie hatte, waren nur das Dachfenster und die beiden Türen groß genug, um einem Mann Einlaß zu gewähren. Die Türen konnten außerdem fest verschlossen werden, sie waren aus starkem Eichenholz, liefen in Schienen und waren mit Eisenhaken versehen, um sie nach Bedarf entweder geöffnet oder geschlossen halten zu können. Die eine, die bereits geschlossen war, versicherte ich in dieser Art, aber als ich daranging, die andere zuzuschieben, hielt mich Alan zurück.
»David,« sagte er, »ich kann mir nämlich den Namen deines Grundbesitzes nicht merken und ich bin daher so frei, dich David zu nennen – wenn diese Tür offen ist, ist dies der beste Platz zu meiner Verteidigung.«
»Es wäre doch besser, sie wäre zu«, sagte ich.
»Nicht so, David«, sagte er. »Ich habe nur ein Gesicht, siehst du. Aber sobald die Tür offen ist und ich mein Gesicht ihr zugewendet habe, wird der größte Teil meiner Feinde mir gegenüber stehen und dort eben finde ich sie am liebsten.«
Dann reichte er mir einen Degen vom Gestell herüber (es waren außer den Schießwaffen einige dort), er wählte ihn sorgfältig aus, schüttelte den Kopf und sagte, er habe in seinem ganzen