Durste geplagt, daß ich während des Gehens stehen bleiben und das sumpfige Wasser vom Boden trinken mußte.
Endlich kam ich, mehr tot als lebendig, zur Bai zurück. Auf den ersten Blick schien es mir, daß die Stange ein wenig weiter draußen war, als wo ich sie gelassen hatte. Ich ging also zum drittenmal ins Meer. Der Sand war glatt und fest und fiel allmählich ab, so daß ich so weit hinauswaten konnte, bis mir das Wasser beinahe bis an den Hals reichte und mir die kleinen Wellen ins Gesicht spritzten. Aber bei dieser Tiefe angelangt, fing ich zu rutschen an und wagte nicht, weiter hinein zu gehen. Was die Stange anbelangt, sah ich sie etwa zwanzig Fuß vor mir, friedlich schaukeln.
Bis zu dieser letzten Enttäuschung hatte ich mich ganz tapfer gehalten. Aber jetzt, als ich ans Ufer zurückkam, warf ich mich auf den Sand nieder und weinte bitterlich.
Die Zeit, die ich auf der Insel zubrachte, ist mir noch heute in so entsetzlicher Erinnerung geblieben, daß ich trachten will, schnell darüber hinweg zu kommen. In allen Büchern, die ich gelesen habe, hatten Leute, die verschlagen worden waren, stets entweder die Taschen voll Werkzeug, oder es wurde eigens eine Kiste voll Sachen mit ihnen ans Land geschwemmt. Mein Fall war ein ganz anderer. Ich hatte nichts in meinen Taschen, außer Geld und Alans Silberknopf, und – als einem auf dem Lande aufgewachsenen Burschen – fehlte es mir an Kenntnissen ebenso sehr wie an Mitteln.
Ich wußte nur, daß man Muscheltiere essen könne und fand auch zwischen den Felsen der Insel eine Menge Tellermuscheln, die ich anfangs kaum von ihren Plätzen schlagen konnte, da ich nicht wußte, daß man dazu sehr flink sein müsse. Außerdem waren da noch viele kleinere Muscheln, die wir Herzmuscheln nennen, ich glaube Uferschnecken ist der richtige Name. Diese beiden erkor ich mir als Nahrungsmittel und verzehrte sie roh und kalt, wie ich sie fand. Ich war so hungrig, daß sie mir anfangs köstlich schmeckten.
Vielleicht war es nicht die richtige Jahreszeit, oder vielleicht war das Meerwasser um meine Insel schuld daran, aber kaum hatte ich meine erste Mahlzeit eingenommen, als ich von Schwindel und Krämpfen befallen wurde, heftig erbrechen mußte und lange Zeit wie tot dalag. Ein zweiter Versuch mit derselben Nahrung (denn ich hatte keine andere) gelang besser und belebte meine Kräfte wieder ein wenig. Aber solange ich auf der Insel war, wußte ich nie, was ich nach einer Mahlzeit zu erwarten hätte. Manchesmal ging alles gut und manchesmal wurde ich elendiglich krank. Auch lernte ich niemals unterscheiden, welche Tiere es waren, die mich krank machten.
Den ganzen Tag regnete es in Strömen. Die ganze Insel war wie ein Brei. Es war kein trockener Fleck zu finden. Und als ich mich abends zwischen zwei Steinen hinlegte, die eine Art Dach bildeten, steckten meine Füße in einem Sumpf.
Am nächsten Tag durchkreuzte ich die Insel nach allen Seiten. Es war überall dasselbe und an keiner Stelle besser, als an irgend einer anderen. Die Insel war öde und felsig, nichts Lebendes darauf zu finden außer Vögel, die zu töten ich keine Möglichkeit hatte, und eine beträchtliche Anzahl Möwen, welche die weiter draußen liegenden Felsen umkreisten. Die Bucht, durch welche die Insel vom Festlande, der Grafschaft Roß, abgeschnitten war, erweiterte sich nach Norden zu einer Bai, und diese wieder mündete in den Sund von Jona. Die Nachbarschaft eben dieses Ortes erwählte ich mir zur Heimstätte, obwohl ich in Tränen hätte ausbrechen müssen, wäre mir an solcher Stelle auch nur der Gedanke an das Wort Heim gekommen.
Ich hatte gute Gründe für meine Wahl. Auf dieser Seite der Insel stand eine Art kleiner Hütte, wie ein Schweinekober beiläufig, wo die Fischer zu schlafen pflegten, wenn sie ihr Geschäft hieher führte. Aber das Moosdach war ganz eingebrochen, so daß mir die Hütte wenig nützte und geringeren Schutz bot als meine Felsen. Von größerer Bedeutung war hingegen, daß die Muscheltiere, von denen ich lebte, dort in großer Menge vorhanden waren. War die Flut vorüber, so konnte ich einen ganzen Haufen auf einmal sammeln und das war gewiß eine Annehmlichkeit. Aber ich hatte noch einen tieferen Grund. Ich hatte mich noch keineswegs an die grauenhafte Einsamkeit der Insel gewöhnt, sondern sah immer noch nach allen Seiten aus (wie einer, der verfolgt wird), zwischen Angst und Hoffen, ob ich nicht ein menschliches Wesen kommen sähe. Nun konnte ich vom Hügel aus, ein Stückchen oberhalb der Bai, einen Ausblick auf die große, alte Kirche und die Dächer der Wohnhäuser in Jona gewinnen. Und auf der anderen Seite sah ich aus den tiefer liegenden Orten von Roß morgens und abends den Rauch aufsteigen, wie aus einer Heimstätte im Innern der Erde.
Ich pflegte diesem Rauche nachzublicken, wenn ich naß und erfroren war und die Einsamkeit mir den Kopf verdrehte, und ich sah in Gedanken ein lustiges Herdfeuer flackern und Menschen daran sitzen, bis mir das Herz vor Sehnsucht brannte. Ebenso ging es mir mit den Dächern von Jona.
Immerhin hielt dieser Anblick menschlicher Behausungen, obwohl er meine Qualen noch erhöhte, die Hoffnung in mir wach und half mir meine rohen Muscheln essen (die mir bald zum Ekel wurden) und rettete mich vor dem Gefühl des Grauens, das ich empfand, wenn ich mich inmitten toter Felsen allein fühlte, mit den Vögeln, dem Regen und dem kalten Meer.
Ich sage, dies hielt die Hoffnung in mir wach, und wirklich schien es mir unmöglich, daß ich an den Ufern meines Heimatlandes und im Anblick eines Kirchturmes und des Rauches menschlicher Wohnungen dem Tode preisgegeben sein sollte. Aber der zweite Tag verging, und obwohl ich, solange es hell war, weite Umschau hielt über den Sund nach Booten oder nach Leuten, die auf Roß vorübergingen, kam mir keine Hilfe nahe. Es regnete noch immer. Ich kroch hinein um zu schlafen, so naß wie nur je und mit einem grausam schmerzenden Hals, aber doch ein klein wenig getröstet, weil ich meinen Nachbarn, den Leuten von Jona, Gutenacht wünschen konnte.
Es war mitten im Sommer, aber es regnete mehr als vierundzwanzig Stunden ununterbrochen. Erst am Nachmittag des dritten Tages klärte es sich auf. Dies war der Tag der Ereignisse. In der Früh sah ich ein Rotwild mit schönem Geweih oben auf dem Hügel im Regen stehen, aber kaum sah es mich unter meinem Felsen herauskriechen, so sprang es nach der anderen Seite davon. Ich vermutete, daß es die Enge durchschwommen hätte; aber was irgend ein Wesen nach Earraid führen sollte, war mehr, als ich erraten konnte.
Ein Weilchen später, als ich meinen Tellermuscheln nachsprang, sah ich zu meinem Erstaunen ein Goldstück vor mir über den Felsen rollen und glitzernd ins Meer fallen. Als mir die Matrosen mein Geld zurückgegeben hatten, behielten sie nicht nur ungefähr ein Drittel der ganzen Summe, sondern auch die Lederbörse meines Vaters, so daß ich von jenem Tage an meine Goldstücke lose in der Tasche trug, die nur mit einem Knopfe verschlossen war. Ich sah nun, daß ein Loch in der Tasche sein müsse und griff schnell mit der Hand hin. Aber das hieß die Stalltüre versperren, nachdem der Hengst gestohlen war. Ich hatte in Queens Ferry das Ufer mit beinahe fünfzig Pfund verlassen; jetzt hatte ich nicht mehr als zwei Guineestücke und einen Silberschilling.
Ich fand zwar kurz nachher noch einen dritten Guinee, der glitzernd am Boden lag und das machte zusammen ein Vermögen von drei Pfund und vier Schillingen englischer Währung für einen jungen Menschen, den rechtmäßigen Erben eines großen Grundbesitzes, der jetzt am äußersten Ende des wilden Hochlandes auf einer Insel verhungerte.
Dieser Stand meiner Angelegenheiten warf mich noch mehr nieder, und wirklich war die Lage, in der ich mich an diesem dritten Morgen befand, höchst jammervoll. Meine Kleider gingen in Fetzen, insbesondere waren meine Strümpfe ganz zerrissen, so daß meine Beine nackt waren. Meine Hände waren von der Nässe ganz aufgeweicht, mein Hals ganz wund, meine Kräfte hatten nachgelassen und mein Magen war so angewidert von der schrecklichen Nahrung, die ich einzunehmen verdammt war, daß mir der bloße Anblick schon Übelkeiten verursachte.
Und doch war das Schlimmste noch nicht gekommen.
Im Nordwesten von Earraid befindet sich ein ziemlich hoher Felsen, den ich (da er oben flach war und den Sund weit überragte) oft zu besuchen pflegte.
Nicht daß ich etwa, außer während des Schlafens, jemals an einem Platze blieb, denn mein Elend ließ mir keine Ruhe. Tatsächlich rieb ich mich mit diesem ewigen, zwecklosen Hin- und Hergehen im Regen vollkommen auf.
Sobald jedoch die Sonne hervorkam, legte ich mich oben auf dem Felsen flach auf den Boden, um mich trocknen zu lassen. Die Wohltat des Sonnenscheins ist etwas, das ich nicht beschreiben kann. Ich fing wieder an, die Möglichkeit einer Befreiung zu erhoffen, obwohl ich bereits daran verzweifelt hatte, und wieder spähte