Feueralarm! Feueralarm! / Spieglein an der Wand /
Feueralarm! Feueralarm! / Wer ist der heißeste Typ im Land? /
Pyro-Manni!
Bauer, Garn & Dyke stehen kurz davor, die großen Hallen nass zu machen. Sie spielen eine realitätsverbiegende »Rockpalast«-Show, aber in der Zwischenzeit war Udo Lindenberg längst aufmerksam geworden und hatte Bauer rekrutiert. Die gut dotierte Arbeit im Panikorchester frisst seine kreativen Ressourcen – und das ist eine der großen Tragödien der bundesrepublikanischen Rockgeschichte. Es kommt einfach kein weiteres Album mehr. Wir haben gewartet bis in die späten Achtziger hinein, mussten uns »Himmel, Arsch & Zwirn« noch einmal kaufen, weil die Nadel irgendwann die Musik rausgekratzt hatte, vor allem natürlich »Pyro-Manni«, mit dem sich jede Party im Harzvorland abfackeln ließ.
KROKUSOne Vice At A Time | Wolfgang Welt |
[Arista, 1982]
Mit mir kann man’s ja machen! Nach Anhören der Möchtegern-Schwermetaller UFO habe ich Blei in den Füßen. Wenn dieser verdammte Sänger Phil Mogg doch nur ein Körnchen Gold in der Stimme hätte – ich ließe mit mir handeln! Wenn Michael Schenker noch bei UFO der Rettungsanker wäre, ich hätte mir »Mechanix« zweimal angehört! Aber am liebsten hätte ich mit einem Vorschlaghammer dieses Rund auf einem Amboss zertrümmert, als ich hörte, wie die sich an Eddie Cochrans »Somethin’ Else« vergriffen. UFO konnten (nicht nur) meines Erachtens noch nie was und werden nie in die Erste Bundesliga kommen. Untalentiert geboren und »Mechanix« dazugelernt!
Da lobe ich mir doch glatt Krokus. Was meine Hitliste in Bezug auf die Schweiz angeht, kommen die gleich nach Ursula Andress, den Alpen und dem Käse. Marc Storace’ Stimme fehlt zwar das Unverwechselbare, aber sie hat doch das gewisse Etwas, ohne das ein Heavy-Metal-Kreischer nicht auskommt. Die Nuancierungen, die Fernando von Arb mit seiner Schlaggitarre setzt (ich bestehe in diesem Zusammenhang auf diesem etwas altmodischen Begriff!), zeugen nicht nur von handwerklichem Geschick, sondern auch von Gespür für das, was aus einem herkömmlichen Riff einen Hieb an den Kopf macht. Der steady-beat, mit dem Freddy Steady eine durchaus passable Version macht, unterstreicht die Versiertheit, mit der dieses Quintett nicht einfach auf Deubel komm raus ein Schwermetallgewitter auf den Hörer hinabblitzen lässt. »One Vice At A Time« reicht zwar nicht an die Klasse der schlechtesten Nummern von Motörhead ran. Irgendwie fehlt doch zum perfekten Heavy-Metal-Genuss noch ein Quentchen mehr Lasterhaftes und die Untugend der Selbstironie.
SCORPIONSBlackout | Holger Adam |
[EMI, 1982]
Ich erinnere mich daran, Ende der 1980er-Jahre bis in die frühen Morgenstunden vor dem Fernseher ausgeharrt zu haben, weil in einem Wochenend-Musik-Nachtprogramm des ZDF ein Scorpions-Video angekündigt war. Ich glaube, es war ein Ausschnitt von »Rock in Rio« (1985) – »Rock You Like A Hurricane« oder »Big City Nights«? –, den ich dann irgendwann zwischen dem ganzen Pop-Schrott zu sehen bekam. Sitzfleisch war nötig, denn die Quellenlage war schlecht – damals auf dem Land: Kein Kabelanschluss, noch keine »Schüssel« auf dem Dach des Elternhauses und das einzige soziale Netzwerk war der Fußball-Verein. Dort gab es einen Mannschaftskameraden, der mir »Savage Amusement« auf Kassette aufgenommen hatte und einen weiteren, der hatte schon Satellitenfernsehen und wurde dauerhaft dazu angehalten, »Hard’n Heavy« mit Annette Hopfenmüller auf Tele 5 aufzunehmen. Die VHS-Kassetten wurden dann gesichtet und dienten zur weiteren Orientierung, welcher Tonträger gekauft wurde, wenn das Taschengeld wieder für eine CD oder Kassette reichte. (Es verstand sich dabei von selbst, dass man nicht kaufte, was andere schon hatten und man sich also überspielen konnte. Keine Ressourcen verschwenden!) Eine der nächsten Kassetten war dann »Blackout« (und auch »World Wide Live«), denn »Savage Amusement« war zwar irgendwie okay, aber was ich im Fernsehen sonst von den Scorpions gesehen hatte, war wesentlich besser, und schon im Vergleich zur lasziv inszenierten Dame mit Stachelschwanz war das Cover von »Blackout« der Knaller. – Und natürlich hielt auch ich das Selbstbildnis von Gottfried Helnwein für eine Abbildung von Rudolf Schenker. Egal, Hauptsache es fetzt! Und wie es fetzte! Rudolf Schenkers rechte Hand, die Rhythmus-Gitarre, die Riffs! Vor allem »Blackout«, »Now« und »Dynamite« – schnell, aber nicht zu schnell und präzise heruntergeschrubbt! Der Traum jedes headbangenden Kinderzimmer-Luftgitarristen, für mich – jedenfalls damals – die Essenz des Albums. Gerade heraus und voll auf die Zwölf. Die Songs drum herum auch schön und gut, aber als 13-Jähriger mit bestenfalls rudimentären Englischkenntnissen bezog ich »You Give Me All I Need«, die von Hermann Rarebell verfasste Ode an die abtrünnige Angebetete, eher auf mein Bedürfnis nach mehr Killer-Riffs und Power-Akkorden. Darüber hinausgehende Gefühlsduseleien waren mir – von vereinzelten, verschämten und vergeblichen Schwärmereien abgesehen – noch fremd. Was in »Arizona« abging, das habe ich also gar nicht erst gecheckt. Und so ist »Blackout« für mich ein Album, das durch eingängige Hardrock-Songs besticht, vor allem die erwähnten drei.
Das kann ich allerdings erst so hinschreiben, seit ich die obligatorische, post-adoleszente »Um Gottes Willen, die Scorpions!«-Phase überwunden habe. Seit 1990 (»Crazy World«, nein danke) waren sie mir (und gewissermaßen objektiv) peinlich, bis ich 2010 Markus Kavkas Interview mit Meine, Schenker und Jabs für das kurzlebige Fernsehformat »Number One« (Kabel 1) sah – und die Scorpions mit anderen Augen. Die Platten seit einschließlich »Crazy World« bleiben immer noch verzichtbar, aber mir dämmerte allmählich, wie interessant die Karriere der Band verlaufen war und wie stark der Eindruck ist, den sie nicht nur bei mir hinterlassen haben. Zunächst näherte ich mich vorsichtig – zu irgendwas muss ein abgeschlossenes Studium ja gut sein – aus akademischer Distanz: Eine kleine Kulturgeschichte des Rock’n’Roll in Deutschland und darüber hinaus lässt sich anhand der Bandgeschichte erzählen. Mittlerweile, mit meiner musikalischen Metal-Landei-Sozialisation im Reinen, kann ich auch ohne akademischen Überbau eine Lanze für die Band brechen. Vor allem – Michael Schenker hin, Uli Jon Roth her – für die Goldenen 1980er-Jahre, deren Höhepunkt »Blackout« markiert.
DIOHoly Diver | Sebastian Graf |
[Mercury, 1983]
Genau kann ich den Zeitpunkt nicht mehr beziffern, aber es muss sich irgendwann in den 80ern zugetragen haben: meine erste Begegnung mit Heavy Metal. War meine bisherige Beschäftigung mit der Musikrichtung nur auf Hardrock begrenzt gewesen, so war der Erstkontakt mit den härteren Genrevertretern so etwas wie eine Initialzündung. Doch auch für mich kam Metal nicht über Nacht, genauso wenig ist er vom Himmel gefallen. Nein, er stand einfach vor mir. Im Kaufhaus Schneider, im Verkaufsdisplay, dem Kundenfänger am Ausstieg der Rolltreppe. Da sprang es mir ins Auge, jenes epochale Album von Dio namens »Holy Diver«, und zwar als MC, einem Tonträgerformat, das neulich schon als ausgestorben galt – wenn man von dessen tristem Hörspielkassettendasein in heimischen Kinderzimmern einmal absieht –, bis es jüngst seine Wiederbelebung durch die Hipster-Kultur erfahren hat.
Das Cover-Artwork hatte für mich einen hohen Wiedererkennungswert, weil es bei meinem Mitschüler Horst bereits seit Wochen auf einem schwarzen Sweatshirt prangte und in den endlosen Schulhof-Diskussionen über den besten Gitarristen, den charismatischsten Sänger oder die lauteste Band zur Untermauerung seines Fachwissens diente. Kompetenzzuschreibung über Bekleidung war damals nicht nur im Berufsleben eine unverzichtbare Tugend, denn anhand des Bandshirts wusste man immer gleich, mit wem man es zu tun hatte. So gut wie niemals wäre beispielsweise ein Popper auf die Idee gekommen, aus modischen Gründen einen Metalschriftzug auf der Brust zu tragen. Damals jedenfalls konnte ich nach kurzer Rücksprache mit meinem Bruder zwecks Zusammenlegen der Ersparnisse für den Kassettenkauf den »Holy Diver« mein Eigen nennen, und zwar im Original (ausnahmsweise!) und nicht überspielt. Daheim angekommen, war die erste Amtshandlung jedoch nicht etwa das Anhören, sondern das Beschriften von Tape und Hülle mit meinem Vor- und Zunamen. Später bin ich dazu übergegangen, in dieser Angelegenheit den Vorgang auf die