Horst Klengel

Isolatoren und Armaturen für Isolatorketten in Starkstrom-Freileitungen


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      0. Einleitung

      Bei der Übertragung elektrischer Energie über größere Entfernungen schaffen Starkstrom-Freileitungen nach wie vor die Voraussetzungen für eine sichere, wirtschaftliche und verbraucherfreundliche Versorgung der Abnehmer mit dieser Energie. Der steigende Verbrauch von Elektroenergie sowie die aktuellen Herausforderungen durch

       - die Liberalisierung des Strommarktes,

       - die Förderung der verteilten Energieerzeugung aus regenerativen Energieformen und

       - die unabhängigen Kraftwerksbetreiber,

      fordern jedoch eine Anpassung der vorhandenen Verteilungs- und Übertragungs-Freileitungsnetze. Die jetzige Infrastruktur der Netze in Deutschland, die in den vergangenen wachstumsstarken Jahren entstand, erreicht zunehmend das Ende ihrer Lebensdauer. Neue Netzstrukturen müssen errichtet und so dimensioniert werden, damit

       - sie den weiteren Ausbau der Windenergieerzeugung bis 2016 durch den Bau von ca. 2000 km neuer Hochspannungs-Freileitungen sichern und

       - sie einen vorhersehbarer Stromimport nicht an der Auslegung des Netzes scheitern lassen.

      Starkstrom-Freileitungen sind elektrotechnische Anlagen zur oberirdischen Fortleitung elektrischer Energie, die aus frei gespannten Leitungsseilen sowie den dafür erforderlichen Stützpunkten (Mast mit Gründung und Erdung) mit speziellen Bauelementen, wie Isolatoren und Armaturen, bestehen. Zur Planung, Berechnung und Ausführung von Starkstrom-Freileitungen sind zahlreiche deutschsprachige Fachbücher erschienen. Hier seien dazu als Beispiele nur die Bücher von Girkmann/Königshofer aus dem Jahre 1952 [37], von Großpetsch von 1965 [26] oder die von Kießling und Mitarbeitern von 1993 [734] und 2001 [735] genannt.

      Die Vielzahl und die Wichtigkeit der in einer Starkstrom-Freileitung eingebauten Isolatoren mit ihren Armaturen sind der Anlaß zu dem Versuch, im vorliegenden Buch in Ergänzung zur vorliegenden Fachliteratur die technische Entwicklung und die Eigenschaften dieser speziellen Bauelemente in den nachfolgenden Abschnitten zu untersuchen und zu beschreiben. Dabei wurde auf eine Betrachtung der Entwicklung und der Eigenschaften der zu einer Starkstrom-Freileitung ebenfalls gehörenden Leitungsseile und Leitungsseil-Armaturen nicht bzw. nur im erforderlichen Umfang eingegangen, da hierfür ein späteres Buch vorgesehen ist.

      Die elektrischen Grundaufgaben eines Isolators bzw. einer Isolatorkette in Starkstrom-Freileitungen sind:

       - Erzielung einer der vorgesehenen Betriebsspannung der Freileitung entsprechenden Isolierstrecke zwischen dem spannungsführenden Leitungsseil und dem geerdeten Stützpunkt (Mast), die in der freien Atmosphäre unter allen Betriebsverhältnissen, wie Regen, Nebel, Verschmutzung, Vereisung u.a., in ausreichendem Maße sicher erhalten bleibt.

       - Wenn infolge widriger Betriebsverhältnisse, wie Überspannungen oder Überbrückung der Isolierstrecke durch Verschmutzung oder durch Fremdkörper, die erforderliche Isolierfähigkeit unterschritten wird und dadurch Lichtbogenüberschläge über der Isolierstrecke entstehen, darf diese Beanspruchung nicht zu solchen Zerstörungserscheinungen an den Isolatoren bzw. Isolatorketten fuhren, die die Betriebssicherheit der Freileitung unzulässig absenken.

      Darüberhinaus müssen die statischen und dynamischen mechanischen Kräfte einer Starkstrom-Freileitung, die durch das Leitungsseil in den Isolator oder die Isolatorkette eingeleitet werden, mit ausreichender Sicherheit von diesen Bauelementen aufgenommen werden.

      Die erwartete Nutzungsdauer von Freileitungs-Isolierungen beträgt mehrere Jahrzehnte. In dieser Zeit soll der Aufwand für Überprüfung, Instandhaltung und Reparatur minimal sein. Deshalb ist deren Bemessung und Auswahl besonders nach folgenden Kriterien vorzunehmen:

       - elektrische Anforderungen (Isolationspegel),

       - Funkstörfestigkeit, Koronaverhalten,

       - Verhalten unter Verschmutzung (Fremdschicht),

       - Leistungslichtbogenverhalten,

       - mechanische Anforderungen,

       - Dauerhaftigkeit (Alterung, Korrosion, Vandalismus).

      Die Isolatoren und Isolatorketten für Starkstrom-Freileitungen haben als Bauelemente mit der ständigen Weiterentwicklung der Drehstrom-Übertragung zu immer höheren Betriebsspannungen einen besonders großen Wandel erfahren. Antrieb für diese Entwicklung waren die ständig steigenden Anforderungen an deren elektrische und mechanische Festigkeit. Der spätere Übergang zur Gleichstrom-Übertragung über Starkstrom-Freileitungen stellte an die Isolatoren-Hersteller weitere neue Entwicklungsaufgaben, die gegenwärtig noch weitere umfangreiche Arbeiten erfordern.

       1. Bauarten von Isolatoren1.1. Stütz-IsolatorenStütz-Isolatoren sind Isolatoren, die aus einem Isolierkörper bestehen, der mittels einer metallenen Armatur (Stütze oder Kappe) am Mast befestigt wird und an dem sich das Leiterseil durch einen Drahtbund oder durch andere Mittel befestigen läßt.

      Es wird unterschieden in:

      Stützen-Isolatoren (pin type insulators) mit Innenbefestigung der metallenen Armatur.

      Diese besitzen einen aus einem Stück oder mehreren dauerhaft miteinander verbundenen Stücken bestehenden glockenförmigen Isolierkörper mit einem oder mehreren Schirmen. Typisch für diesen Isolator ist die in die Bohrung im Isolierkörper ragende metallene Stütze, die durch Kittung oder auf andere Art fest mit dem Isolierkörper verbunden ist und gleichzeitig zur Befestigung des Stützen-lsolators am Mast dient. Der auf unterschiedliche Weise mit dem Leiterseil verbundene Isolator wird auf Biegung beansprucht, der Isolierkörper auf Druck und Scherung.

      Der Isolierkörper kann aus Porzellan, Glas oder Kunststoff bestehen.

      In elektrischer Hinsicht ist der Stützen-Isolator ein durchschlagbarer Isolator (Typ B).

      Stützen-Isolatoren werden

       * allgemein für Nennspannungen unter 1 kV und

       * auch für Nennspannungen > 1 kV bis zu 70 kV verwendet.

      Freileitungs-Stützer (line-post type insulators) mit Außenbefestigung der metallenen Armatur.

      Diese haben einen zylinderförmigen Vollkern- oder Verbund-Isolierkörper mit mehreren Schirmen. Kennzeichnend für diesen Isolator ist die am unteren Ende des Isolierkörpers aufgekittete metallene Kappe (Fußarmatur), in die Metallteile (Schrauben, Bolzen usw.) zur Befestigung des Freileitungs-Stützers am Mast eingeschraubt werden. Der mit dem Leiterseil auf unterschiedliche Weise verbundene Isolator wird nur auf Biegung belastet.

      Der Vollkern-Isolierkörper kann aus Keramik oder Kunststoff bestehen. Verbund-Isolierkörper bestehen aus zusammengesetzten Kunststoffteilen (GfP-Kern mit aufgesetzten Kunststoffschirmen) und besitzen am oberen Ende des Isolierkörpers zusätzlich eine metallische Kappe (Kopfarmatur).

      In elektrischer Hinsicht ist der Freileitungs-Stützer ein nichtdurchschlagbarer Isolator (Typ A).

      Freileitungs-Stützer werden bis zu Nennspannungen von 500 kV eingesetzt.

       1.1.1. Stützen-Isolatoren

      1891 baute Oskar von Miller die erste deutsche Drehstrom-Fernübertragung über eine Entfernung von 175 km von Lauffen am Neckar nach Frankfurt am Main mit 15 kV bzw. später mit 25 kV Betriebsspannung unter Verwendung von 3282 Holzmasten und der entsprechenden Anzahl von Porzellan-Isolatoren [21], [492]. Man glaubte damals, dass man sich nicht allein auf das