Anne Bronte

Wildfell Hall


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sie begann zu zaudern, zu zittern und falsche Striche zu machen und dann trat plötzlich eine Pause ein, in der die Eigenthümerin lachend ihr Gesicht zu dem meinen emporrichtete und mir sagte, daß ihre Skizze durch mein Zusehen nicht gewinne.

      »Dann,« sagte ich, »will ich mit Arthur plaudern, bis Sie fertig sind.«

      »Ich möchte einmal reiten,« Mr. Markham, wenn mich die Mama lassen will,« rief das Kind.

      »Worauf« mein Junge?«

      »Dort ist ja ein Pferd auf dem Felde,« antwortete er, nach der kräftigen, schwarzen Stute zeigend, welche die Walze zog.

      »Nein, mein Arthur, es ist zu weit,« wendete seine Mutter ein

      Ich versprach ihn aber wohlbehalten zurückzubringen, wenn er ein paar mal auf der Wiese hin und hergeritten sein würde, und als sie sein begieriges Gesicht sah, lächelte sie und ließ ihn gehen.

      Es war das erste Mal, daß sie mir gestattet hatte, ihn auch nur ein halbes Feld weit von ihrer Seite zu entführen.

      Auf seinem riesenhaften Rosse thronend und feierlich auf der großen steilen Wiese auf und ab reitend, sah er wie die Inkarnation stiller, heiterer Zufriedenheit und Freude aus. Das Walzen war jedoch bald zu Ende; als ich aber den wackeren Reiter herabnahm und seiner Mutter wieder zustellte, schien sie etwas unwillig zu sein, daß ich ihn so lange zurückgehalten habe. Sie hatte ihr Skizzenbuch geschlossen und wahrscheinlich seit einigen Minuten schon ungeduldig auf seine Rückkehr gewartet.

      Es war jetzt sehr Zeit, nach Hause zu gehen, »wie sie sagte und wollte mir guten Abend wünschen; ich hatte aber noch keine Lust, sie zu verlassen und begleitete sie daher halbwegs den Berg hinauf. Sie wurde geselliger und ich fing an, mich sehr glücklich zu fühlen, als sie aber die düstere, alte Halle erblickte, stand sie still und wendete sich im Sprechen zu mir, als erwarte sie, daß ich nicht weiter gehen, sondern daß das Gespräch hier enden und ich jetzt Abschied nehmen werde, — wozu es in der That auch Zeit war, denn der helle, kalte Abend brach schnell herein, die Sonne war untergegangen und die Mondsichel wurde am blassen, grauen Himmel sichtlich glänzender, aber ein Gefühl fast des Mitleids nietete mich an die Stelle fest.

      Es schien hart zu sein, sie nach einem so einsamen, unfreundlichen Hause gehen zu lassen; ich schaute hinauf, es erhob sich schweigend und düster vor uns. Aus den unteren Fenstern des einen Flügels schimmerte ein schwaches, rothes Licht — alle übrigen Fenster aber waren dunkel und viele zeigten schwarze Glas- und rahmenlose Fenster höhlen.

      »Finden Sie es nicht öde, dort zu wohnen?« fragte ich nach einem Augenblicke schweigender Betrachtung.

      »Mitunter!« entgegnete sie; »an Winterabenden, wenn Arthur zu Bett ist und ich dort allein sitze und den kalten Wind um mich her heulen und in den verfallenen, alten Gemächern seufzen höre, kann kein Buch, keine Beschäftigung die trüben Gedanken und Befürchtungen, welche sich mir aufdrängen, unterdrücken. Ich weiß aber, daß es thöricht ist, solcher Schwäche nachzugehen — Wenn Rahel mit einem solchen Leben zufrieden ist, muß ich es auch sein — ich kann wirklich Gott für ein solches Asyl nicht genug danken, so lange es mir bleibt.«

      Der letzte Satz wurde halblaut gesprochen und eher an sie selbst als an mich gerichtet. Hieran bot sie mir guten Abend und entfernte sich.

      Ich war auf meinem Heimwege noch nicht weit gekommen, als ich Mr. Lawrence auf seinem hübschen grauen Pony den unebenen Heckenweg, welcher über den Hügel führte, heraufreiten sah. Ich ging ein Stück von meinem Pfade ab, um mit ihm zu sprechen, denn wir hatten einander seit einiger Zeit nicht getroffen.

      »War das Mrs. Graham, mit der Sie so eben sprachen?« fragte er, nachdem die ersten Begrüßungsworte zwischen uns Vorüber waren.

      »Ja.«

      »Hm, ich dachte es mir.«

      Er blickte bei den Worten die Mähne seines Gaules nachdenklich an, als habe er ernstlichen Grund, mit ihr oder etwas Anderem unzufrieden zu sein

      »Nun, was ist weiter dabei?«

      »O nichts!« antwortete er; »Ich dachte nur, daß sie Ihnen mißfiel,« fügte er ruhig hinzu, indem sich seine klassische Lippe zu einem leichten, sarkastischen Lächeln kräuselte.

      »Nun, wenn dem auch so gewesen wäre, kann man seine Ansicht bei näherer Bekanntschaft nicht ändern?«

      »Ja natürlich,« entgegnete er, während er vorsichtig einen Knoten in der rauhen, üppigen Mähne des Ponys auflöste.

      Hierauf wendete er sich plötzlich zu mir, heftete seine scheuen, braunen Augen mit Einem festen, durchdringenden Blicke auf mich und fügte hinzu:

      »Sie haben also Ihre Ansicht verändert?«

      »Das kann ich gerade nicht sagen, — nein, ich denke, daß ich, noch meiner früheren Ansicht über sie bin, — sie aber etwas verbessert habe.«

      »O!« — Er sah sich um, um etwas ausfindig zu machen, worüber er sprechen könne, blickte zum Monde auf und machte eine Bemerkung über die Schönheit des Abends, welche ich, als nicht zur Sache gehörig, nicht beantwortete.

      »Lawrence,« sagte ich, ihm ruhig ins Gesicht blickend; »sind Sie in Mrs. Graham verliebt?«

      Statt hiervon tief beleidigt zu sein, wie ich mehr als halb erwartet hatte, folgte dem ersten Anfall des Erstaunens über eine so kühne Frage, ein kicherndes Lachen, als sei er von der Idee höchlich belustigt.

      »Ich in sie verliebt?« wiederholte er, »was bringt Sie auf einen solchen Gedanken?«

      »Nach dem Interesse, welches Sie an den Fort schritten meiner Bekanntschaft mit der Dame und der Veränderung meiner Ansicht über sie nehmen, dachte ich, Sie könnten etwa eifersüchtig sein.«

      Er lachte von Neuem.

      »Eifersüchtig? — nein! — aber ich dachte, daß Sie im Sinne hätten, Elise Milward zu heirathen.«

      »Dann haben Sie falsch gedacht; ich habe, so viel ich weiß, nicht im Sinne, die Eine oder die Andere zu heirathen.«

      »Dann, denke ich, würden Sie am besten thun, sie ungeneckt zu lassen.«

      »Haben Sie im Sinne, Jane Wilson zu heirathen?«

      Er erröthete und spielte von Neuem mit der Mähne, antwortete aber:

      »Nein, ich denke nicht.«

      »Dann würden Sie am besten thun, sie ungeneckt zu lassen.«

      Er hätte sagen können, sie läßt mich nicht ungeneckt, aber er machte nur ein verlegenes Gesicht und sagte etwa eine halbe Minute lang nichts, worauf er einen neuen Versuch machte, das Gespräch abzulenken, und diesmal ließ ich es so hingehen, denn er hatte bereits genug ertragen. Noch ein weiteres Wort über den Gegenstand würde das Stäubchen gewesen sein, welches den Rücken des Kameels gebrochen hätte.

      Es war zu spät zum Thee, aber meine Mutter hatte die Theekanne und das Weißbrod heißgestellt und nahm, obgleich sie mich ein wenig ausschalt, meine Entschuldigungen bereitwillig genug an, und als ich mich über den Geschmack des Thees, welcher zu lange gezogen hatte, beklagte, schüttete sie das Uebrige aus und trug Rosa auf, frischen in die Kanne zu thun und neues Wasser zu kochen, was mit bedeutender Geschäftigkeit und unter gewissen auf fallenden Commentaren vor sich ging.

      »Nun! — wenn ich es gewesen wäre, so würde ich gar keinen Thee erhalten haben, wäre es selbst Fergus gewesen, so würde er sich mit dem haben begnügen müssen, welcher da war und man hätte ihm gesagt, daß er dafür dankbar sein solle, denn er wäre noch zu gut für ihn, aber Du — für Dich können wir nie zu viel thun. — So geht es immer — wenn es bei Tische etwas besonders Gutes gibt, so blinzelt und nickt mir die Mama zu, mich dessen zu enthalten, und wenn ich darauf nicht achte, so flüstert sie: — Iß nicht zu viel davon, Rosa — Gilbert wird es gern zum Abendbrod genießen: ich bin ganz und gar nichts — im Wohnzimmer heißt es: — Komm Rosa, räume Deine Sachen auf und mache das Zimmer hübsch nett, daß sie sich freuen, wenn sie nach Hause kommen, und schier das Feuer gut, Gilbert sieht es gern,