Anne Bronte

Wildfell Hall


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— nichts fürchtend, als ihren verhaßten Entschluß und meine Unfähigkeit, denselben zu besiegen — nichts hoffend — aber halt — ich will Sie nicht mit dem Kampfe meiner Hoffnungen und Befürchtungen — meiner ernsthaften Gedanken und Beschlüsse langweilen.

      Neuntes Kapitel.

       Eine Schlange im Grase.

      Obgleich meine Liebe jetzt gänzlich von Elise Milward abgezogen war, stellte ich meine Besuche im Pfarrhause doch noch nicht ganz ein, weil ich sie, so zu sagen, allmählig fahren lassen wollte, ohne viel Kummer zu erregen oder mich vieler Rachsucht auszusetzen — oder mich zum Gegenstande des Gespräches im Kirchspiel zu machen und weil übrigens, wenn ich ganz ausgeblieben wäre, der Vikar, welcher glaubte, daß meine Besuche hauptsächlich, wo nicht gänzlich ihm galten, sich durch die Vernachlässigung entschieden beleidigt gefühlt haben würde. Als ich aber am Tage nach meinem Gespräch mit Mrs. Graham dort einen Besuch machte, war er zufällig nicht zu Hause — ein Umstand, der mir jetzt keineswegs mehr so angenehm war, als früher. Allerdings befand sich Miß Milward zu Hause, sie galt aber natürlich wenig mehr, als gar nichts; ich entschloß mich jedoch, meinen Besuch kurz zu machen und mit Elisen auf brüderliche, freundschaftliche Art zu sprechen, wie sie durch unsre lange Bekanntschaft gerecht fertigt wurde und die meiner Ansicht nach weder kränken, noch zu falschen Hoffnungen aufmuntern konnte.

      Ich war nie gewohnt gewesen, mit ihr oder sonst Jemandem von Mrs Graham zu sprechen, ich saß aber noch keine drei Minuten da, ehe sie die Dame selbst auf etwas auffallende Weise aufs Tapet brachte.

      »O, Mr. Markham,« sagte sie mit entsetztem Ausdruck und fast flüsternder Stimme — »was halten Sie von den entsetzlichen Gerüchten über Mrs. Graham? — Können Sie uns veranlassen, ihnen den Glauben zu versagen?« —

      »Welche Gerüchte?«

      »Ach, Sie wissen es gewiß!« sie lächelte schlau und schüttelte den Kopf

      »Ich weiß nichts davon; was in aller Welt meinen Sie, Elise?«

      »Ach, fragen Sie mich nicht, ich kann es Ihnen nicht erklären!«

      Sie nahm das Batisttaschentuch, welches sie mit einer breiten Spitzkante zu verschönern angefangen hatte, und that äußerst beschäftigt.

      »Was gibt es, Miß Milward? was meinen Sie?v sagte ich, mich an ihre Schwester wendend, die vom Säumen eines großen, groben Hemdes ganz in Anspruch genommen zu werden schien.

      »Ich Weiß es nicht,« antwortete sie — »wahrscheinlich eine müßige Verleumdung, die Jemand erfunden hat; ich habe selbst nicht eher davon gehört, als neulich, wo mir Elise davon vor schwatzte — wenn mir aber auch das ganze Kirchspiel in den Ohren lüge, so würde ich kein Wort davon glauben — ich kenne Mrs. Graham zu gut.«

      »Ganz recht, Miß Milward! — so geht es auch mir — was es auch immer sein mag.«

      »Nun,« bemerkte Elise mit einem sanften Seufzen, »es ist gut, eine so tröstliche Sicherheit über den Werth derjenigen, welche wir lieben, zu besitzen, — ich wünsche nur, daß Sie Ihr Vertrauen nicht am Ende doch noch übel angebracht finden.«

      Und sie erhob ihr Gesicht und richtete einen solchen Blick bekümmerter Zärtlichkeit auf mich, daß mein Herz wohl davon hätte gerührt werden können. In diesen Augen lauerte aber etwas, das mir nicht gefiel, und ich wunderte mich, wie ich sie je hatte bewundern können, das ehrliche Gesicht und die kleinen grauen Aeuglein ihrer Schwester erschienen mir bei weitem angenehmer — aber ich war in diesem Augenblicke auf Elisen wegen ihrer Infinuationen gegen Mrs. Graham — was sie auch sein mochten — böse; denn diese mußten erlogen sein.

      Ich sagte damals jedoch nichts weiter über den Gegenstand und nur wenig über einen andern; denn da ich fand, daß ich meinen Gleichmuth nicht wohl wiedererlangen konnte, stand ich bald nachher auf, und nahm unter dem Vorwande von Geschäften auf dem Gute, Abschied — und nach dem Gute begab ich mich, ohne mich im mindesten über die mögliche Wahrheit dieser geheimnißvollen Gerüchte zu beunruhigen, sondern nur verlangend, zu wissen, worin sie bestanden, von wem sie ausgingen und auf welchen Gründen sie beruhten — und wie sie am besten zum Schweigen gebracht, oder als falsch erwiesen werden könnten.

      Wenige Tage nachher hatten wir wieder eine von den prunklosen, kleinen Gesellschaften, zu denen die gewöhnlichen Freunde und Nachbarn eingeladen wurden, und unter ihnen befand sich auch diesmal Mrs. Graham. Sie konnte sich jetzt nicht mehr unter dem Vorwande finsterer Abende oder unfreundlichen Wetters zurückziehen, und erschien zu meinem großen Troste auch wirklich. Ohne sie würde mir die ganze Sache unerträglich langweilig gewesen sein; mit dem Augenblicke ihrer Ankunft kam ein neues Leben in das Haus, und obgleich ich die übrigen Gäste unsertwillen nicht vernachlässigen, noch einen zu großen Theil ihrer Unterhaltung für mich in Anspruch nehmen durfte, so erwartete ich doch einen ungewöhnlich angenehmen Abend.

      Mr. Lawrence kam ebenfalls; er langte erst einige Zeit, nachdem die Uebrigen versammelt waren, an. Ich war neugierig, wie er sich gegen Mrs. Graham benehmen würde. Eine leichte Verbeugung war Alles, was bei seinem Eintritt zwischen ihnen gewechselt wurde, und nachdem er die übrigen Mitglieder der Gesellschaft höflich gegrüßt, setzte er sich fern von der jungen Witwe zwischen meine Mutter und Rosa.

      »Haben Sie wohl je solche Schlauheit gesehen,« flüsterte Elise, die meine Nachbarin war, »sollten Sie nicht sagen, daß sie einander vollkommen fremd wären?«

      »Fast so — aber was wollen Sie damit sagen?« —

      »Was ich damit sagen will? — Sie können doch nicht thun, als ob Sie unwissend darüber wären?« —

      »Unwissend, über was?« fragte ich so scharf, daß sie zusammenschrak und antwortete: »O still und sprechen Sie nicht so laut!«

      »Nun, so sagen Sie mir es denn,« sagte ich mit leiserer Stimme, »was meinen Sie? ich hasse die Räthsel.«

      »Nun, Sie wissen, ich kann mich für die Wahrheit nicht verbürgen — in der That, weit davon entfernt, — haben Sie aber nicht gehört?« —

      »Ich habe nichts gehört, außer von Ihnen.« —

      »Dann müssen Sie absichtlich taub sein, denn jedermann kann Ihnen sagen, daß — aber ich sehe, daß ich Sie nur erzürne, indem ich die Sache wiederhole, und will daher lieber den Mund halten.«

      Sie schloß die Lippen und faltete die Hände, mit der Miene gekränkter Unschuld, vor sich.

      »Wenn Sie mich nicht zu erzürnen wünschen, so hätten Sie gleich von Anfang an den Mund halten, oder Alles, was Sie zu sagen hatten, deutlich und ehrlich aus sprechen sollen.«

      Sie wendete sich ab, zog ihr Taschentuch heraus, stand auf und ging an das Fenster, wo sie, offenbar in Thränen zerfließend, eine Zeitlang stehen blieb. Ich war erstaunt, ärgerlich, beschämt — nicht so wohl über meine Härte, als über ihre kindische Schwachheit; sie schien jedoch von Keinem beachtet zu werden, und kurz nachher wurden wir zum Theetisch berufen, da es in unserer Gegend gebräuchlich war, sich zum Thee um den Tisch zu versammeln und das Teetrinken als eine Mahlzeit zu betrachten; denn wir aßen zeitig zu Mittag.

      Als ich Meinen Stuhl nahm, fand ich auf der einen Seite Rosa und auf der andern einen leeren Platz.

      »Darf ich mich neben Sie setzen«i fragte eine sanfte Stimme hinter mir.

      »Wenn Sie wollen,« war die Antwort, und Elise schlüpfte auf den leeren Stuhl, blickte dann mit halb trübem, halb schelmischem Lächeln in mein Gesicht auf und sage:

      »Sie sind so streng, Gilbert.«

      Ich reichte ihr den Thee mit etwas verächtlichem Lächeln hin, und sagte nichts, denn ich hatte nichts zu sagen.

      »Womit habe ich Sie beleidigt?« sagte sie klagender, »ich wollte, ich wüßte es.«

      »Da, trinken Sie Ihren Thee, Elise, und seien Sie keine Thörin,« antwortete ich, indem ich ihr den Zucker und Rahm hinhielt.

      In diesem Augenblicke entstand