Hindernisse überwältigt und erstaunliche Thaten verrichtet, wenn auch durch große Körperanstrengung und auf Gefahr einiger späteren Müdigkeit, oder der, welcher den ganzen Tag auf seinem Stuhle sitzt und nichts Mühsameres zu thun hat, als das Feuer zu schüren und seine Nahrung zum Munde zu führen? — Wenn Sie wollen, daß Ihr Sohn ehrenvoll durch die Welt geht, so dürfen Sie nicht versuchen, ihm die Steine aus dem Wege zu räumen, sondern ihm lehren, fest darüber hinwegzugehen; nicht darauf bestehen, ihn an der Hand zu führen, sondern ihn allein dahinzuschreiten lernen lassen.«
»Ich werde ihn an der Hand führen, Mr. Markham, bis er Kraft hat, allein zu gehen, und so viele Steine, als ich kann, auf seinem Pfade räumen und ihm lehren, die übrigen zu vermeiden, oder, wie Sie sagen, fest darüber zu wandeln; denn wenn ich mein Aeußerstes in dieser Beziehung gethan habe, wird immer noch genug vorhanden sein, um alle Gelenkigkeit, Festigkeit und Umsicht, die er je besitzen wird, in Anspruch zu nehmen. — Es ist ganz gut, wenn man von edlem Widerstande und Prüfungen der Tugend spricht, aber zeigen Sie mir von fünfzig — oder fünfhundert Männern, die der Versuchung unterlegen sind, nur einen einzigen, der die Tugend behauptet, um zu widerstehen. Und warum sollte ich es für sicher halten, daß mein Sohn eine Ausnahme von Tausenden sein wird — und mich nicht lieber auf das Schlimmste vorbereiten und annehmen, daß er wie sein — wie die übrigen Menschen sein wird, wenn ich nicht Sorge trage, es zu verhindern?«
»Sie sprechen höchst schmeichelhaft für uns,« bemerkte ich
»Von Ihnen! das ich nicht wüßte; ich spreche von denjenigen, die ich kenne — und wenn ich sehe, wie das ganze Menschengeschlecht — mit wenigen seltenen Ausnahmen — auf dem Pfade des Lebens hinstolpert und schwankt, in jede Grube sinkt und sich die Schienbeine an jedem Hindernisse, welches auf seinem Wege liegt, zerstößt, soll ich da nicht alle Mittel in meiner Macht anwenden, um ihm einen ebeneren und sicheren Weg zu verschaffen?«
»Ja, aber das sicherste Mlttel dazu würde sein, ihn wo möglich gegen die Versuchung zu stärken, nicht aber sie aus seinem Wege zu räumen.«
»Ich will Beides thun, Mr Markham. — Gott weiß, daß er von Versuchungen, innern sowohl wie äußern, genug bestürmt werden wird, wenn ich auch Alles gethan habe, was ich kann, um das Laster für ihn so uneinladend zu machen, als es seinem eignen Wesen noch verabscheuenswerth ist. Ich selbst habe allerdings nur wenige Verlockungen zu dem, was die Welt Laster nennt, gehabt, aber doch Versuchungen und Prüfungen anderer Art erfahren, die bei vielen Anlässen mehr Wachsamkeit und Widerstandsfähigkeit erfordert haben, als ich bisher gegen sie aufzubieten im Stande gewesen bin, — und dies, glaube ich, werden die Meisten anerkennen, die an das Nachdenken gewöhnt sind und gegen ihre angeborene Verderbniß zu kämpfen wünschen.«
»Ja,« sagte meine Mutter, die nur halb verstand, worauf sie zielte, »Sie werden aber einen Knaben nach sich selbst beurtheilen wollen — und, meine liebe Mrs. Graham, lassen Sie sich bei Zeiten — noch vor dem Irrthume, — dem verderblichen Irrthume, wie ich ihn nennen kann, selbst die Erziehung des Knaben zu übernehmen, warnen. — Sie können sich, weil sie in einigen Dingen talentvoll und gut unterrichtet sind, für die Aufgabe gewachsen halten, sind es aber wirklich nicht, und glauben Sie mir, daß Sie, sobald Sie auf dem Versuche bestehen, es bitterlich bereuen werden, wenn das Unglück geschehen ist.«
»Ich werde ihn also wohl in die Schule schicken sollen, damit er die Autorität und Liebe seiner Mutter verachten lernt?« sagte die Dame mit etwas bitterem Lächeln.
»O nein; wenn Sie aber wollen, daß ein Knabe seine Mutter verachten soll, so muß sie ihn zu Hause behalten und ihr Leben damit zubringen, ihn zu verzärteln und seinen Thorheiten und Launen sklavisch zu; genügen.«
»Darin stimme ich Ihnen vollkommen bei Mrs. Markham; aber, von meinen Grundsätzen und meinem Verfahren kann nichts entfernter sein, als solche verbrecherische Schwäche.«
»Nun, Sie behandeln ihn aber wie ein Mädchen, Sie werden ihm den Muth rauben und eine Mamsell aus ihm machen — das werden Sie gewiß thun, Mrs. Graham, was Sie auch denken mögen. Ich muß aber nur Mr. Milward veranlassen, mit Ihnen darüber zu sprechen — er wird Ihnen die Folgen davon auseinandersetzen, er wird es Ihnen sonnenklar hinstellen und Ihnen sagen, was Sie thun sollen und so weiter — und ich zweifle nicht, daß er im Stande sein wird, Sie in einer Minute zu überzeugen.«
»Es ist unnöthig, den Vikar zu bemühen,« sagte Mrs. Graham mit einem Blicke auf mich, — ich werde sowohl über das unbegrenzte Vertrauen meiner guten Mutter zu dem alten Herrn gelächelt haben — »Mr. Markham hier hält seine Ueberzeugungsfähigkeit für der Mr. Milwards wenigstens gleich. Wenn ich nicht auf ihn höre, würde ich mich auch nicht überzeugen lassen, und wenn Jemand von den Todten auferstände, möchte er Ihnen sagen. — Nun, Mr. Markham, da Sie behaupten, daß ein Knabe nicht vor dem Bösen beschirmt, sondern hinausgeschickt werden soll, um dagegen allein und Beistandslos zu kämpfen, nicht gelehrt werden soll, die Fallstricke des Lebens zu vermeiden, sondern kühn in dieselben hin, oder über dieselben weg, wie es sich nun eben trifft, zu stürzen — die Gefahr eher aufzusuchen, als sie zu vermeiden und seine Tugend von der Versuchung zu nähren, —wollen Sie — «
»Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie unterbreche« Mrs. Graham, aber Sie gehen zu weit. Ich habe noch nicht gesagt, daß man einem Knaben lehren solle, sich in die Fallstricke des Lebens zu stürzen oder selbst mit Willen die Lockung aufzusuchen, um seine Tugend durch die Ueberwindung derselben zu üben; ich sage nur, daß es besser ist, Ihren Helden zu bewaffnen und zu kräftigen, als den Feind zu entwaffnen und zu schwächen, und wenn Sie ein Eichbäumchen in einem Gewächshaus aufziehen, es Tag und Nacht sorgfältig pflegen und vor jedem Windhauche beschirmen wollten, so können Sie nicht er warten, daß es ein kräftiger Baum wird wie der, welcher draußen auf dem Bergabhange aller Einwirkung der Elemente ausgesetzt und selbst nicht vor der Macht des Sturmes geschützt, aufgewachsen ist.«
»Zugegeben — würden Sie aber das Gleiche in Bezug auf ein Mädchen sagen?«
»Nein keinesfalls.«
»Nein, Sie möchten sie zärtlich und vorsichtig pflegen lassen, wie eine Gewächshauspflanze — ihr lehren, sich an Andere zu schmiegen, um sich lenken und stützen zu lassen und sie so viel als möglich schon vor der bloßen Kenntniß des Bösen bewahren. Wollen Sie aber so gut sein, mir zu sagen, weshalb Sie diese Unterscheidung machen? Denken Sie etwa, daß sie keine Tugend hat?«
»Sicherlich nicht.«
»Nun, aber Sie behaupten, daß Tugend nur durch die Versuchung hervorgerufene wird, und Sie denken, daß ein Frauenzimmer nicht zu wenig der Versuchung ausgesetzt, oder mit dem Laster oder irgend einem demselben nahe kommenden Gegenstande bekannt gemacht werden kann, — Sie müssen es also entweder für so wesentlich Verderbt oder so schwach halten, daß es der Versuchung nicht widerstehen kann — und wenn es auch rein und unschuldig ist, so lange es in Unwissenheit und Zwang gehalten wird, so muß, da es der ersten Tugend ermangelt, wenn man ihr lehrt, wie man sündigt, eben so viel sein, als es zu einer Sünderin zu machen, und je größer sein Wissen, je weiter seine Freiheit ist, desto tiefer wird seine Schlechtigkeit sein, während das edlere Geschlecht eine angeborene Neigung zur Tugend besitzt und von einer größeren Stärke beschirmt wird, die sich durch Prüfungen und Gefahren nur um so mehr entwickelt —«
»Der Himmel bewahre mich, so zu denken,« fiel ich endlich in die Rede.
»Nun wohl, so müssen Sie denn denken, daß sie beide schwach und zum Irren geneigt sind, daß aber der höchste Schatten eines Unrechts das Weib ins Verderben stürzt, während der Charakter des Mannes durch einige praktische Bekanntschaft mit verbotenen Dingen gekräftigt und verschönert und seine Erziehung dadurch gehörig beendigt wird. Eine solche Erfahrung wird für ihn — um ein ideales Bild zu gebrauchen — wie der Sturm für die Eiche sein, die er, wenn er auch die Blätter abreißt und die kleinen Zweige zerbricht, doch in ihren Wurzeln nur noch fester macht und in ihren Fasern abgehärtet und verdichtet. Sie verlangen, daß unsere Söhnen Alles durch eigene Erfahrung erproben sollen, während unsere Töchter nicht einmal von der Erfahrung Anderen Vortheil ziehen sollen. Ich möchte aber, daß beide von der Erfahrung anderer und den Lehren einer höheren Gewalt solchen Vorteil ziehen sollen, daß sie im Voraus das Böse