ein anderer. Urteilend und selbstsicher sah er in sie hinein.
„Für Geld lasse ich mich nicht fotografieren“, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. „Ich halte nichts von Fotomodels. Models sehen merkwürdig aus. Künstlich.“
Wie krieg’ ich ihn nur dazu ja zu sagen?! Sein Blick fiel auf die neue Ausgabe des KunstmagaZins, das auf dem Tisch lag.
„Sieh mal“, sagte sie und nahm es auf. Das Cover zeigte ein junges Mädchen mit einem blauen Kopftuch, das den Rücken entlang an ihr herabhing, und einer gelblich braunen Jacke mit weißem Kragen. Mit gedrehtem Kopf blickte sie über ihre Schulter, dem Betrachter mit sanftem Gesichtsausdruck entgegen. Von ihrem linken Ohr hing ein Perlenohrring.
„Dieses Mädchen war ein Model.“
„Für wen?“
„Für einen holländischen Maler, der Vermeer hieß. Findest du, dass sie künstlich oder merkwürdig aussieht?“
„Nee.“ Langsam legte der Obdachlose den Kopf von einer Seite zur anderen. „Sie ähnelt meiner Schwester. Ein hübsches Mädchen“, sagte er. „Ich bin das nicht. Also hübsch. Aber schau mal was ich da habe.“ Er drehte seinen Kopf zur Seite und brachte unter dem verfilzten Haar sein rechtes Ohrläppchen zum Vorschein. Ein Ohrring mit einer weißen Perle, genau so weiß und zart, wie die des Perlenmädchens, baumelte von seinem Ohr.
„Das ist der Ohrring ihres rechten Ohres“, sagte er unter einem verlegenen Lächeln. „Ich habe ihn mir geborgt.“
Sie nickte und lächelte, ohne ihm zuzuhören.
„So ein Bild möchte ich gerne von dir schießen“, sagte sie. „Dein Gesicht und den oberen Teil des Oberkörpers.“
Das Gesicht des Mannes verschloss sich. „Ich will nicht fotografiert werden“, sagte er und hüllte den Mantelkragen um seinen Hals. „Ich werde dann mal wieder aufbrechen.“
Er will gehen?!
„Zigarette?“, rief sie beinahe schon ohne zu wissen, ob sie eine im Haus hatte. Notfalls könnte sie zum Automaten runter laufen.
„Ich rauche nicht.“ Er stand auf.
„Mehr Essen? Mehr Schokolade?“
„Ich bin satt.“ Sein Blick fiel auf die Tür.
„Aber … Du zitterst ja. Frierst du?“
„… Ja.“
„Ein Glas Cognac vielleicht – um dich aufzuwärmen?“, hauchte sie aus ihrem Mund, was sie jedoch sofort bereute. Er war bestimmt Alkoholiker.
Seine Augen begannen zu leuchten. „Gerne“, sagte er und folgte ihr zu einem Barschrank. Sie nahm zwei Gläser und eine Flasche Cognac heraus, befüllte eines der beiden Gläser und reichte es ihm. Dann schenkte sie sich selbst ein und trank. Ein Gläschen würde die Konzentration schon nicht beeinträchtigen. Der Obdachlose trank das Glas in einem Zug aus und stellte es bestimmt auf den Schrank. Sie wollte die Flasche gerade wieder abstellen, als er sie ihr aus der Hand riss und die beiden Gläser erneut befüllte. Nervös folgte sie seinen Bewegungen. Jetzt ist es soweit. Jetzt habe ich ihn in meiner Hand! Er reichte ihr ihr Glas.
„Nein, danke!“
„Doch, trink.“
Sie warf einen misstrauischen Blick auf das Glas. Die Hand, die es hielt, war ruhig. Zögernd nahm sie es, setzte es an ihre Lippen und trank es aus. Mit dem Alkohol zog sich ein leichtes Schwindelgefühl durch ihren Körper. Auch der Mann leerte sein Glas, steckte den Stöpsel auf die Flasche, wandte sich ihr zu und sah ihr direkt in die Augen. Es war ihr, als würde er wachsen und er schien auf eine Art und Weise deutlicher zu werden. Zu deutlich.
„Ich möchte fotografiert werden“, sagte er, „aber nicht für 500 Kronen. Ich möchte stattdessen ein warmes Bad nehmen.“ Sein Blick schweifte über die hell erleuchteten Lampen im Atelier, ließ ihn dort einige Zeit verweilen und schwenkte ihn schließlich wieder zurück auf sie.
„Aber zuerst …“ Seine Augen verdunkelten sich und nahmen einen rötlichen Schimmer an.
„Ja? Was denn? Was willst du?“
„Dich. Jetzt.“
Ein Stechen zuckte durch ihren Körper. Sie schluckte ein paarmal, trippelte von Bein zu Bein, schluckte noch einmal und sagte schließlich: „Das Bad nimmst du nach dem Foto, sind wir uns einig?“
Verwundern machte sich in seinem Gesicht breit, verblasste dann jedoch wieder. Er nickte.
„Dann haben wir einen Deal“, sagte sie und presste ihre Lippen zusammen, sodass ihre Stimme nicht nachbebte.
Plötzlich sah der Mann verlegen, ja, gar unsicher aus, als wisse er nicht genau, was er nun mit ihr anstellen sollte. Sie standen sich genau gegenüber, wie zwei Holzfiguren, bis sie auf ihn zuging. Punkt eins des Deals. Nun konnte er sie nehmen, wenn er mochte.
Er zog seinen Mantel aus, ließ ihn fallen und ging auf sie zu. Ein Fluchtreflex ließ ihre Beine erbeben, den sie zu vertreiben versuchte, indem sie sein Gesicht betrachtete und sich vorstellte, wie außergewöhnlich schön das Bild werden würde. Das perfekte Bild. Ohne jeden Zweifel.
Er umfasste ihren Arm und zog sie an sich.
„Du bist schön“, sagte er und hob sie hoch. Sie blickte ihm direkt in die Augen, die ihr rötlich entgegen leuchteten und mitten in dem Rot saßen die Pupillen wie zwei klitzekleine Sterne.
Er umarmte sie. So fest, dass sie kaum atmen konnte. Er berührte sie wie ein Mensch, der nie zuvor einen anderen Menschen berührt hatte, oder wie einer, der vergessen hat, wie man so etwas macht. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, grob und zögerlich. Anstatt sie zu berühren, betatschte er sie, anstatt sie zu liebkosen, drückte er, grapschte. Lass ihn machen, wiederholte sie immer wieder für sich selbst. Wie haben einen Deal.
Ab und zu hielt er inne und sah sie prüfend an, öffnete den Mund, als würde er etwas sagen wollen, sagte dann aber nichts. So ging das noch eine ganze Weile, mit seinem Suchen und Fühlen aber langsam veränderten sich seine Berührungen, wurden ruhiger und sanfter. Er legte seine Hände um ihren Kopf und sie sah ihm in die Augen, dorthin, wo die beiden Sterne saßen. Er befühlte ihr Gesicht, erst mit den Fingerspitzen, dann mit der ganzen Hand, die über ihre Stirn, über ihre Wangenknochen, ihren Mund, weiter über ihren Hals, um ihren Nacken glitten und schleichend überfiel sie ein Gefühl der Erregung. Seine Hände und Finger waren lang, groß und besonders weich hinter ihrer rauen Oberfläche. Nun bewegten sie sich nach oben, fuhren durch ihr Haar, zogen leicht und befühlten es.
Er senkte den Kopf, legte sein Ohr an ihre Brust und lauschte ihrem Herzen. Eine Mischung aus belegten Broten, Kaffee, Cognac und Dreck stieg ihr ins Nasenloch.
Er fiel auf seine Knie, griff um ihren Unterleib, legte sein Ohr an ihren Bauch und lächelte. Mein Herz schlägt auch dort unten, dachte sie und wünschte sich nichts anderes, als genauso hier stehen zu bleiben. Er langte nicht nach den üblichen erogenen Zonen, er bahnte seine eigenen Wege, berührte sie mit seinen großen Händen am ganzen Körper. Die Bewegungen waren stockend, nicht fließend und doch vorsichtig auf ihre eigene Art. Nachdenkliche Liebkosungen. Er ging auf Entdeckungsreise entlang ihrem menschlichen Aussehen, lernte sie kennen, mit Haut und Haar und Gewand.
Er nahm sie in seine Arme, hob sie auf und trug sie in den Landschaften ihrer Wohnung umher, aufrecht, mit zähen, langen, stolzen Schritten.
Nun stellte er sie wieder auf den Boden und zog seine Kleider aus – all seine obdachlosen Schichten – bis er im zerlumpten Hemd und lose hängenden Hosen dastand. Dann schob er ihren Rock hoch und zog ihr den Schlüpfer aus. Jetzt war ihr Unterleib nackt.
„Bleib stehen“, sagte er mit heiserer Stimme, während er an seinem Hosenschlitz fummelte. Die Spitze seines Schwanzes tauchte auf und zeigte geradlinig in ihre Richtung. Und schon war er ganz zu sehen, steif und geschwollen. Einen Augenblick lang blickte er nach unten und sah ihn mit dankbarem Blick an, dann umfasste er ihr Gesäß mit festem Griff und