Christian Efing

Semantik für Lehrkräfte


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      Christian Efing / Thorsten Roelcke

      Semantik für Lehrkräfte

      Linguistische Grundlagen und didaktische Impulse

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      Prof. Dr. Christian Efing lehrt germanistische Linguistik und Sprachdidaktik an der RWTH Aachen.

      Prof. Dr. Thorsten Roelcke lehrt Deutsch als Fremd- und Fachsprache am Institut für Sprache und Kommunikation der Technischen Universität Berlin.

      © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Internet: www.narr.de

      eMail: [email protected]

      ISBN 978-3-8233-8379-6 (Print)

      ISBN 978-3-8233-0272-8 (ePub)

      Einleitung

      Semantik oder Bedeutungslehre stellt einen ganz zentralen Teil der linguistischen Forschung dar und hat im Laufe der Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, zahlreiche verschiedene Theorien, Modelle und Methoden entwickelt. Die Frage nach der Bedeutung sprachlicher Zeichen oder etwas moderner: die Frage, wie diese mit Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit verwendet werden, ist jedoch nicht alleine von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch und gerade von zentraler Bedeutung für die Kommunikation im Alltag, im Beruf und in der Öffentlichkeit. Daher gehört sie darüber hinaus zu den wesentlichen Bereichen der Sprachdidaktik im Allgemeinen sowie der Didaktik des Deutschen als Erst-, Zweit- und Fremdsprache im Besonderen.

      Dieser Band der Reihe „narr Studienbücher“ verfolgt daher das Ziel, angehende oder bereits berufstätige Lehrkräfte in die linguistische Semantik einzuführen und sie unter einer didaktischen Perspektive mit zentralen Theorien, Modellen, Methoden und Ergebnissen vertraut zu machen. Aus der Überzeugung heraus, dass jede sprachliche Didaktik einer linguistischen Fundierung bedarf, werden dabei zunächst die sprachwissenschaftlichen Grundlagen und im Anschluss die sprachdidaktischen Grundsätze der Semantik vorgestellt. Den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sind jeweils zahlreiche Übungsaufgaben beigegeben. Diese haben sehr oft vertiefenden oder weiterführenden Charakter: Daher sei deren Bearbeitung allen Leserinnen und Lesern ans Herz gelegt!

      Dieses Buch ist das Ergebnis einer sehr erfreulichen gemeinsamen Arbeit. Auch wenn die sprachdidaktischen Teile mehr auf Christian Efing und die sprachwissenschaftlichen Teile mehr auf Thorsten Roelcke zurückgehen, zeichnen beide Autoren daher gemeinsam verantwortlich und danken allen, die sie mit Rat und Tat bei dessen Entstehung unterstützt haben.

      Aachen & Berlin, im Winter 2020 Christian Efing & Thorsten Roelcke

      1 Semantik – Systematischer Aufriss

      1.1 Linguistische Verortung

      Das sprachwissenschaftliche Fachwort bzw. der linguistische Terminus Semantik leitet sich aus altgriechisch σημαίνειν, sēmaínein ‚bezeichnen‘ ab und bezieht sich auf die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen – sei es nun die Bedeutung einzelner Wörter oder auch diejenige von Sätzen oder ganzen Texten. Im Folgenden soll die Disziplin Semantik linguistisch und didaktisch verortet werden.

      Im Rahmen der linguistischen Verortung wird die Semantik zunächst von anderen zentralen Disziplinen der Sprachwissenschaft abgegrenzt. Im Anschluss daran wird geklärt, auf welchen Ebenen der Beschreibung von Sprache Semantik eine Rolle spielt, um abschließend einige Hinweise auf das Verhältnis zwischen Lexikologie (Wortforschung) und Lexikographie (Wörterbuchschreibung) zu geben.

      1.1.1 Semantik, Syntax und Pragmatik

      Zeichen und insbesondere sprachliche Zeichen können in ganz verschiedener Hinsicht beschrieben werden. Zu den bekanntesten Gliederungen solcher Dimensionen der Semiotik (Lehre sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen – aus altgriechisch σημεῖον sēmeĩon ‚Zeichen‘; vgl. Eco 92002; Nöth 22000; 2017; Posner/Robering/Sebeok 1996ff.) im Allgemeinen und der Linguistik (Lehre sprachlicher Zeichen – aus lateinisch lingua ‚Sprache, Zunge‘; vgl. Auer 2013; Kessel/Reimann 52017) im Besonderen gehört diejenige des amerikanischen Semiotikers Charles William Morris (1901–1979).

      Morris bezeichnet den Vorgang, in welchem etwas als ein Zeichen fungiert, als Semiose. Im Zentrum seines semiotischen Modells (vgl. Abb. 111a) steht dabei der Zeichenträger, der wiederum in drei Dimensionen erscheint (die im Folgenden jeweils am Beispiel des Wortzeichens Köter kurz erläutert werden):

       die syntaktische Dimension im Hinblick auf andere Zeichenträger, mit denen dieser gemeinsam verwendet wird – etwa im Rahmen eines Satzes wie Dieser Köter ist bissig, in dem Köter zusammen mit anderen Wörtern verwendet wird;

       die pragmatische Dimension hinsichtlich der Personen, die den Zeichenträger verwenden (Interpretant, Interpret) – zum Beispiel in bestimmten Verwendungssituationen, wenn sich die Personen mit Köter abfällig über einen bestimmten Hund äußern möchten; und

       die semantische Dimension in Bezug auf die Wirklichkeit, auf die sich der Zeichenträger bezieht (Designat, Denotat) – in diesem Falle die sachliche und die wertende Bedeutung des Wortes Köter, die ‚Hund‘ und eine negative Einstellung in sich vereinigt.

      Jeder dieser drei Dimensionen werden nun eigene semiotische Unterdisziplinen zugeordnet: So beschäftigt sich die Syntax (bei Morris: Syntaktik) mit der syntaktischen Dimension, also mit der Kombination einzelner Zeichen, während sich die Pragmatik mit der pragmatischen Dimension, das heißt mit der Art und Weise, wie Zeichen von ihren Verwendern gebraucht werden, auseinandersetzt. Die Semantik ist hiernach diejenige Disziplin, welche die semantische Dimension in Augenschein nimmt, sich also mit der Beziehung zwischen den Zeichen einerseits und der Wirklichkeit, auf die sich diese beziehen, andererseits beschäftigt.

      Abb. 111a:

      Zeichenmodell nach Morris (engl. 1939: 417; dt.: 1972: 94)

      An dieser Dreiteilung in Semantik, Syntax und Pragmatik wird innerhalb von Semiotik und Linguistik bis heute festgehalten (zu einer theoretisch orientierten Übersicht vgl. etwa Hagemann/Staffeldt 2014; Staffeldt/Hagemann 2014; 2017), auch wenn deren innere Systematik wiederholt infrage gestellt wurde. So gibt es semiotische bzw. linguistische Ansätze, die syntaktische Erscheinungen allein in Abhängigkeit von semantischen oder funktionalen Gesichtspunkten diskutieren, oder auch solche, die semantische Phänomene ausschließlich aus pragmatischer Perspektive betrachten und somit die Grenzen zwischen den einzelnen Dimensionen und ihren Disziplinen aufbrechen. Als Ausgangspunkt für solche Überlegungen sowie zur systematischen Einordnung dessen, worum es in dem vorliegenden Bändchen geht, erscheint Morris’ Modell indessen nach wie vor als eine gute Basis.

      1.1.2 Lexikologie und Lexikographie

      Die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Bedeutungen wird in der Öffentlichkeit nur allzu oft mit der semantischen Beschreibung von Wörtern in Wörterbüchern oder Lexika