Symbolisierungsfähigkeit macht es einem Kind möglich, Trennungen samt dazugehörenden Unlustgefühlen auszuhalten. Die Fähigkeit zum Symbolisieren entwickelt sich bekanntlich von der symbolischen Gleichsetzung, über das Übergangsobjekt hin zu einem reifen symbolischen Verstehen. Symbolbildung, eng mit der Sprachentwicklung verknüpft, strukturiert die innere Welt des Kindes und erlaubt eine zunehmende Unabhängigkeit von realen äußeren Objekten. Sie schafft die Möglichkeit, intermediäre Räume für Denken und Fantasieren zu nutzen, um Bedürfnisse aufschieben zu können. Mit Mentalisierung bezeichnen Fonagy u. a. (2001; 2002) die Fähigkeit, sich selbst und einen anderen Menschen als ein Wesen mit geistig-seelischen Zuständen zu begreifen. Dem Kind wird bewusst, dass es ein Bewusstsein hat; es erkennt, dass es ein Lebewesen unter vielen ist; und es wird fähig zu symbolischem und kreativem Denken. Besitzt ein Kind Mentalisierungsfähigkeit, so kann es sich in einen anderen Menschen einfühlen, kann mit ihm leiden und ihm beistehen. Es hat im Sinne von Winnicott die Fähigkeit zur Besorgnis erworben.
Mit dem von Fonagy u. a. (2002) entwickelten spielerischen »Markieren« wurden neue Möglichkeiten entwickelt, einem Kind zu bedeuten, dass seine Externalisierung »nicht real« ist: »Wissende Blicke, ein leichtes Neigen des Kopfes, eine hohe Tonlage oder betont langsames Sprechen, eine übertriebene Intonationskontur, eine angedeutete, verkürzte oder nur partielle Ausführung von Handlungsschemata und der Gebrauch unsichtbarer imaginärer Objekte – all dies sind klare und auffällige Signale, an denen das Kind erkennt, dass sich der Als-ob-Ausdruck kategorial von seinem realistischen Pendant unterscheidet – das heißt, ›nicht wirklich‹ ist« (ebd., S. 299).
In der aktuellen kinderanalytischen Literatur werden eher selten Fragen zur Behandlungstechnik bei ambulanten Psychotherapien von externalisierenden Störungen, also von hyperkinetischen Störungen und Störungen des Sozialverhaltens, diskutiert. In der Vergangenheit waren es vor allem Autoren, die Erfahrungen mit traumatisierten Kindern und dissozialen Patienten hatten, wie etwa Diepold (2005), Bettelheim (1997), Cohen (2004), Alvarez (2001), Hurry (2002), Rauchfleisch (2003) und Streeck-Fischer (2006).
Es können zwei zentrale Positionen innerhalb der Psychoanalyse und ihren Schulen beschrieben werden: Arbeit an Beziehung und Übertragung sowie Arbeit an Struktur und Rahmen. Anne Alvarez (2001) hat mit dem folgenden Zitat eine schöne Brücke zwischen den beiden Polaritäten geschlagen: »Mutiges und aufnahmebereites Zuhören, aber auch eine feste, nicht zu stark masochistische Einstellung gegenüber den vielleicht furchtbaren Projektionen des Kindes – d. h. gegenüber dem verzweifelten Bedürfnis des Kindes, uns das anzutun, was seinem Gefühl nach ihm angetan wurde – scheinen in der Tat zu helfen« (ebd., S. 21). Alvarez betont aber auch, dass Verlässlichkeit, Regelmäßigkeit des Settings und eine feste Struktur der psychoanalytischen Technik erst Entwicklung von psychischer Struktur ermöglichen. Das bedeutet, dass ein produktiver Prozess immer eines stabilen Rahmens bedarf, damit Beziehungen internalisiert werden können (Hopf 2006).
Damit unterstreicht Alvarez aber auch die Bedeutung des Containments. Bion (1990) beschrieb in Anlehnung an Melanie Kleins Theorien eine frühe Form von Kommunikation über projektive Identifizierung. Das Kind kann auf diese Weise namenlose Ängste, bedrückende Gefühle, generell Unaushaltbares in die Mutter projizieren. Sind die Bedingungen gut, so ist die Mutter in der Lage, diese Gefühle umzuwandeln und sie dem Kind in vertrauter und erträglicher Form zurückzugeben. Dies führt dazu, dass das Kind auf diese Weise die Container-Funktion verinnerlicht. Bion hat mit seinem Container/Contained-Modell dieses Konzept erweitert. Bei jenen Kindern mit strukturellen und Symbolisierungsstörungen sollte innerhalb der psychoanalytischen Therapie solch eine Beziehung etabliert werden, die es dem Patienten langfristig ermöglicht, zu fantasieren, symbolisieren und zu träumen (vgl. Eskalinen du Folch 1991; Bovensiepen 2007). »Wenn das Kind spürt, dass der Analytiker seine Mitteilungen versteht, dann introjiziert es einen Analytiker, der die unerträglichsten Gefühle auszuhalten, zu betrachten, zu reflektieren und über sie zu sprechen vermag« (Eskalinen du Folch 1991, S. 278).
Es war immer Aufgabe von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, BehandlungstechnikenBehanlungstechniken neu zu überdenken und zu modifizieren, damit auch Kinder mit strukturellen Defiziten, mit Symbolisierungs- und Spielstörungen psychoanalytisch behandelbar werden. Wir wollen mit einem weisen Satz von Anna Freud schließen, der hinsichtlich der Flexibilität von psychoanalytischen Techniken hoffen lässt: »Die Wege und Mittel der Therapie in der Kindheit sind so zahlreich, wie die auf dem Entwicklungsweg erworbenen Störungen und so verschieden voneinander, wie die verschiedenen Anteile der kindlichen Persönlichkeit« (Sandler, Kennedy und Tyson 1982, S. 210).
6 Bindungstheorie und Bindungstherapie
Die Bindungstheorie ist eine auf äußerer Beobachtung beruhende empirisch fundierte entwicklungspsychologische Theorie über die emotionale Entwicklung. Sie wurde vom englischen Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby in den 1950er Jahren begründet. Die Theorie wurde in den drei Büchern Bindung, Trennung und Verlust (Bowlby 1975; 1976; 1983) dargelegt. Die Forschungsgruppe um John Bowlby mit Anna Freud, Mary Ainsworth und James Robertson wurde nach dem Krieg gegründet und konzentrierte sich auf die Bedeutung von Trennungssituationen, speziell auch der Kriegswaisen (Brisch 1999, S. 30; Brisch 2002).
Aus Sicht der Bindungstheorie entwickelt der Säugling auf der Grundlage eines biologisch angelegten Verhaltenssystems im ersten Lebensjahr eine starke emotionale Bindung zu seiner Hauptbezugsperson. Der Säugling wird geschützt und ihm wird Bindungssicherheit vermittelt. Bindung ist Teil eines komplexen Systems der Beziehung. Das Bindungssystem ist ein primär genetisch verankertes motivationales System, das nach der Geburt aktiviert wird und überlebenssichernde Funktion hat. Der Säugling sucht die Nähe zur Mutter, wenn er Angst erlebt. Er sucht Sicherheit, Schutz und Geborgenheit durch Blickkontakt oder physischen Kontakt (Brisch 1999, S. 35). Eine sichere Bindung stellt die emotionale Basis während des gesamten Lebens bis ins Alter hinein dar. Es bilden sich innere Arbeitsmodelle und die mit ihnen verbundenen Affekte, was als Bindungsrepräsentanz bezeichnet wird. Die Bindungsrepräsentanz kann im Laufe des Lebens durch einschneidende Erlebnisse verändert werden, und zwar in beide Richtungen. Dem Bindungsbedürfnis steht das Explorationsbedürfnis gegenüber. Die Mutter dient dabei als sicherer Hafen, von dem aus das Kind die Umwelt exploriert. Bindungssicherheit ermöglicht Neugierverhalten. Wenn die Mutter oder eine primäre Bezugsperson das Kind zu sehr bindet, wird das Explorationsbedürfnis nicht gewährt und frustriert (ebd., S. 38).
Die Wahrnehmung der Bedürfnisse des Säuglings und die richtige Interpretation seiner Wünsche und Bedürfnisse gewährleistet nach Mary Ainsworth die Feinfühligkeit der Mutter. Feinfühliges Verhalten der Bezugspersonen besteht darin, dass diese die Signale des Kindes wahrnehmen und richtig interpretieren und sie angemessen und prompt befriedigen. Der Säugling entwickelt eine sichere Bindung, wenn seine Bedürfnisse feinfühlig befriedigt werden, eine unsichere Bindung, wenn die Bedürfnisse nicht, unzureichend oder inkonsistent beantwortet werden (ebd., S. 36). Empathische Verbalisation der Bezugspersonen unterstützt die sichere Bindung (Brisch 2002, S. 50).
Das Pflegeverhalten der Bindungsperson wird über die eigenen Bindungserfahrungen wachgerufen. Über die Bindungserfahrung erlangt der Säugling ein beobachtbares Bindungsverhalten, das in der Bindungstheorie in verschiedene Bindungsqualitäten unterteilt wird. Im sogenannten Ainsworth-Fremde-Situations-Test aus dem Jahr 1969 (Brisch 1999, S. 33) wird eine Trennungssituation von der Bezugsperson und das Verhalten nach der Rückkehr in standardisierten Situationen beobachtet. Eine sichere Bindung wird diagnostiziert, wenn die Bezugsperson als sichere Basis erlebt wird, die Schutz, Geborgenheit und Trost bietet. Bei der unsicher-vermeidenden Bindungsqualität reagiert die Bezugsperson eher mit Zurückweisung auf die Bedürfnisse des Kindes. Der Säugling reagiert auf die Zurückweisung scheinbar emotionslos, nicht mit Trennungsprotest. Die Kinder begrüßen die Mutter nicht bei Rückkehr, ignorieren sie eher oder laufen weg. Reagiert die Bezugsperson manchmal zuverlässig und feinfühlig, dann wieder mit Zurückweisung und Ablehnung, entsteht die unsicher-ambivalente Bindungsqualität. Die Reaktionen des Säuglings sind lautstarkes Weinen und intensives Anklammern an die Bindungsperson. Diese Säuglinge zeigen die deutlichsten Trennungsproteste. Sie sind nach der Rückkehr kaum zu beruhigen. Beim desorganisierten/desorientierten Bindungsverhalten zeigen die Kinder widersprüchliches