Sabine Bohlmann

Adele und der beste Sommer der Welt


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wiegte sich wichtig weiter hin und her und spielte ihre Rolle als hellgrünes Seegras einfach hervorragend. Ich war völlig gerührt und unglaublich stolz auf meine kleine Seegras-Schauspielerin.

      Alle lachten erleichtert auf, als der Fisch wieder da war, und es gab großen Applaus. Dann führten noch ein paar andere Kinder etwas auf und schließlich gingen wir alle zusammen nach Hause.

      »Du warst das beste helle Seegras, das ich je auf einer Bühne gesehen habe!«, sagte ich zu Blümchen und sie hüpfte neben mir auf und ab.

      »Wirklis, wirklis?«, fragte sie und freute sich.

      »So was von wirklis!«, sagte ich und knuddelte sie. In der Hummelgasse stand ich dann erst noch eine Weile bei Martha und wir verabschiedeten uns voneinander. Jetzt wurde ich doch ein bisschen traurig. Nicht, weil ich nicht wegfuhr, sondern weil ich Martha ganze sechs Wochen nicht sehen würde. Die Hummelgasse war nämlich in den Sommerferien meist wie ausgestorben. Ich umarmte sie fest und sie drückte mich.

      »Ich muss jetzt rein und packen. Morgen früh geht der Flieger!«, sagte sie, umarmte mich gleich noch einmal und verschwand dann in ihrem Haus. Ich ging mit hängenden Schultern in die Nummer 7, in der alle schon auf dem Wohnzimmerboden saßen und auf mich warteten. Henry, Malin, Marlene und Oskar hatten schon die Kunstmappen und ihre Sichthüllen mit den Zeugnissen vor sich liegen. Ich setzte mich dazu und legte meine Sachen ebenfalls bereit. Mama hockte sich zwischen uns und dann begannen wir der Reihe nach, unsere Kunstmappen zu öffnen. Alle Bilder wurden bestaunt und bewundert. Wir lachten über die Zeichnungen von Oskar. Das durften wir, weil Oskar über seine Bilder am allerlautesten lachte. Malen war einfach nicht so sein Ding. Trotzdem liebte er unsere Maltischnachmittage. Er erklärte es immer so: »Ich denke an ein Auto, das ich malen möchte, und heraus kommt ein Elefant. Meine Stifte zeichnen immer das, was sie wollen, und nie das, was ich will, und schon gleich gar nicht das, was die Lehrerin von mir gezeichnet haben will!«

      Der letzte Schultag hatte bei uns immer viele Rituale. Das eine war eben das Öffnen unserer Mappen mit den gemalten Bildern vom ganzen Jahr. Dann las Mama nacheinander unsere Zeugnisse vor. Es war uns dabei egal, wer welche Noten hatte. Auch Mama war es nicht wichtig, ob da eine Drei oder eine Vier stand. Sie sagte: Alles unter Fünf sei gut und wenn es mal schlimmer werden würde, würde sie dafür auch eine Lösung finden. Als sie unsere Beurteilungen las, versuchte sie, bei jedem Zeugnis eine andere Lehrerstimme zu imitieren. Wir lagen am Boden vor Lachen. Bei Malin und Marlene hatte sich die Lehrerin beschwert, dass es so aussah, als tuschelten sie miteinander, ohne den Mund zu bewegen. Mama lachte.

      »Tuscheln, ohne den Mund zu bewegen?«, fragte sie und wir alle antworteten: »Das geht doch gar nicht!« Und natürlich wussten wir, dass es sehr wohl ging. Vor allem, wenn man Malin und Marlene Anders hieß und einfach die Gabe hatte, sich mit seinen Gedanken zu verständigen. Henry hatte natürlich das beste Zeugnis. Klar. Als Professor. Er ging bereits in die fünfte Klasse und hatte zwei Klassen übersprungen. Aber das war kein Wunder, denn er konnte sich ja alles, was er einmal gelesen hatte, für immer und ewig merken. Ich würde ja schon mal gern in seinen Kopf schauen und gucken, wie es da aussieht. Ob er da lauter Schränke hat, mit unzähligen Schubladen? Oder ist das eher wie in einem Computer? Tausende von Speicherkarten, die in Ritzen stecken. Henry hat mir das mal erklärt. Wie das mit dem Gehirn funktioniert und wo all die Dinge gespeichert sind. Aber ich habe überhaupt nichts verstanden. Hab aber trotzdem genickt, weil ich nicht wollte, dass er mir das Komplizierte noch mal anders kompliziert erklärte.

      Blümchen motzte, weil sie kein Zeugnis hatte. Aber eine Mappe mit Bildern hatte sie aus dem Kindergarten auch mitgebracht. Lu schnappte sich einen Buntstift und kritzelte mit wichtigem Gesicht ein paar Linien auf ein Papier. Dann hielt er es Mama hin. Wir bewunderten es, so gut wir konnten, und jeder überlegte, was Lu wohl gemalt hatte.

      »Ein Auto? Einen Weihnachtsmann? Einen Hund? Einen Baum? Einen Kühlschrank?«, aber immer schüttelte Lu den Kopf.

      »Ich weiß es«, sagte ich und sah noch mal genau auf das Bild. »Eine Mama!« Lu überlegte selbst ein Weilchen, dann grinste er von einem Ohr bis zum anderen und nickte. Ich nahm Lu fest in den Arm.

      »Das hast du ganz toll gemalt. Du wirst sicher mal ein großer Künstler, kleiner Lu!«, sagte ich und Mama sah sich noch einmal ihr Porträt an.

      »Wie kann man denn da einen Kühlschrank drin sehen, wenn ich es bin?«, fragte sie und machte ein lustiges Gesicht.

      »Naja«, überlegte Malin. »Mamas sind eben wie Kühlschränke, ohne die geht gar nichts!« Die besten Gemälde wurden gleich mit Wäscheklammern an eine Leine geklammert, die wir quer durch das Wohnzimmer spannten. Wäscheklammern sind bei uns in der Familie Anders sehr wichtig. Mit deren Hilfe bauen wir uns immer im Garten oder im Spielkeller die tollsten Verstecke, Höhlen und Zelte.

      Über die Bilder freute Papa sich sehr, als er am Abend von der Arbeit kam. Mama holte das selbst gemachte Eis aus dem Gefrierschrank und wir setzten uns auf die kleine Mauer vor unserem Haus, schleckten Eis und ließen die Beine baumeln. Mamas Beine baumelten am besten. Sie liebt das Beinebaumeln. Doch plötzlich kam Martha aus dem Haus nebenan. Ihre Augen sahen total verweint aus. Mama sprang gleich von der Mauer und lief auf sie zu.

      »Was ist denn passiert?«, fragte Mama. Martha schluchzte.

      »Mama ist heute von einer Leiter im Garten gefallen. Sie hat sich das Bein gebrochen. Sie muss ein paar Tage im Krankenhaus bleiben.« Ich rutschte von der Mauer und ging ebenfalls auf meine Freundin zu. »Oh! Aber was ist denn dann mit eurer Reise nach Amerika?«, fragte ich.

      »Das ist es ja. Die können wir nicht machen. Und dabei hab ich mich schon so darauf gefreut! Und Ben auch. Er liegt in seinem Zimmer und weint.«

      »O nein, das tut mir leid. Und die arme Annette!«, sagte Mama mitfühlend. Marthas Mutter Annette war nämlich zufällig auch Mamas beste Freundin. »Also gut ist schon mal, dass deiner Mama nichts Schlimmeres passiert ist. So ein Bein heilt ja wieder. Trotzdem ist das natürlich alles eine traurige Geschichte!«, versuchte Mama, Martha zu trösten. Dann lief sie in Marthas Haus, um deren Papa zu fragen, ob sie irgendwie helfen könne. Ich nahm Martha fest in den Arm. Inzwischen standen auch meine Geschwister um meine Freundin herum. Martha schluchzte erneut. »Das werden jetzt sicher die langweiligsten Ferien überhaupt!«

      »Wieso denn langweilig?«, fragte Blümchen.

      »Wir sind doch auch noch da!«, sagte Marlene.

      »Ferien mit der Familie Anders sind niemals langweilig!«, beteuerte Oskar.

      »Glaub uns, das werden die famosesten Ferien überhaupt!«, tröstete ich sie.

      »Die fabulösesten auch!«, sagte Malin.

      »Und grandiös, exzellegant und sagenhaftig auch!«, fügte Marlene hinzu.

      Martha sah mich an. Eine dicke Träne rann über ihre Wange.

      »Pass auf, am Ende wirst du sagen: ›Gut, dass ich nicht nach Amerika geflogen bin!‹«, sagte ich und streichelte ihren Arm. Noch einmal schniefte sie.

      »Das glaub ich zwar nicht, aber wahrscheinlich wird mir nichts anderes übrig bleiben, als mit den durchgeknallten Anderskindern diese Sommerferien zu verbringen!«, sagte sie und lächelte schief. Lu nahm ihre Hand und schon merkte ich, wie sich Martha ein bisschen besser fühlte.

      »Durchgeknallt, aber nett, wie ich immer zu sagen pflege!«, sagte Henry und hob dabei den Zeigefinger.

      »Machen wir das Beste draus!«, rief ich.

      »Machen wir das Beste draus!«, nickte Martha und schlug mit mir ein.

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