G.F. Barner

G.F. Barner Box 1 – Western


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nur noch ein schneller Sprung zur Seite aus der Bahn des herausstürmenden Pferdes. Hinter Thorpe aber ist Lemmy Lane herangekommen. Er sieht noch, wie Thorpe zur Seite hechtet. Dann kommt der Gaul auch schon und rammt Lane, ehe er abducken oder wegspringen kann, schleudert ihn im Bogen rücklings weg.

      Lemmy Lane fällt seinem Bruder Dexter genau vor die Stiefel. Dann schreit er gellend los. Sein linker Arm bricht, als Lane über einen Stein geschleudert wird. Wimmernd rollt sich der Revolverschießer herum.

      »Dexter!«

      »Die Pferde«, sagt Dexter Lane verstört und sieht, wie es Pablo gelingt, einem Gaul an die Trense zu springen und das Pferd zu halten. »Sie gehen durch. Haltet unsere Pferde…«

      Er stürzt vergeblich auf den Corral zu. Dort hat es jetzt auch Thorpe geschafft. Ihm gelingt es jedoch nicht mehr, den Sattel auf den Gaul zu werfen. So schwingt er sich auf den Pferderücken, drückt die Hacken ins Fell und jagt hinter Pablo her aus dem leeren Corral. Die anderen Pferde sind auf und davon, ehe die Lanes eines erwischen können.

      »Dexter!« kreischt Lemmy schrill vor Schmerz und torkelt auf seinen Bruder zu. »Dexter, mein Arm. Mein Arm ist gebrochen.«

      Dexter Lane fährt herum. Obwohl Lemmy nur sechs Schritt von ihm entfernt ist, geht sein Geschrei im Brüllen der Rinder unter. Zur gleichen Sekunde stieben die ersten Rinder auch schon den Hang hoch, genau auf die Hütte zu.

      Entsetzt sieht sich Dexter Lane das an. Dann zerrt er Lemmy mit an die Bäume. Seine Stimme überschlägt sich, als er die Stiere heranrasen sieht. Sie sind keine fünfzig Yards mehr entfernt. Zehn Yards aber sind es noch bis zu den Bäumen.

      »Lauf!« schreit Dexter seinen Bruder an »Lauf doch! Sie trampeln uns tot, sie rennen uns nieder. Auf den Baum, schnell, Lemmy.«

      Der brüllt vor Furcht, kann die linke Hand nicht gebrauchen. Mit der Rechten greift er nach dem untersten Ast und kreischt: »Schieb doch, Dexter, los!«

      Dexter Lane wuchtet seinen jammernden Bruder hoch. Der zieht sich heulend auf den Ast, erreicht den nächsten, will höher, als er abrutscht und herunterfällt. Im gleichen Augenblick sind auch schon die ersten Stiere da. Lemmy rollt sich in Todesangst hinter den Baumstamm und sieht, wie Dexter von einem Stier gerammt wird. Dexter fliegt im Bogen davon und glaubt, daß ihm der Stoß alle Rippen gebrochen hat. Nach Luft ringend, kommt Dexter hoch. Jetzt kümmert er sich nicht mehr um seinen brüllenden Bruder. An Lemmy vorbei springt er an den Baum und zieht sich höher. Durch ihr Gebrüll dringt Lemmys schrille, durchdringende Stimme zu Dexter hoch, der sich vor Schmerz krümmt und sich kaum halten kann.

      »Hilf mir, Dexter, hilf mir doch! Zieh mich hoch! Zieh mich hoch, Dexter!«

      »Ich kann nicht«, stöhnt Dexter über ihm. »Wirf dich hinter den Baum, bleib am Stamm liegen, Lemmy.«

      »Du Hund, du verdammter Kerl, du läßt mich unter die Hufe kommen, du läßt deinen Bruder im Stich.«

      Dann schweigt er, weil eine ganze Ladung Sand in seinem Mund landet. Der Staub überschüttet ihn, er bekommt kaum noch Luft und preßt sich eng an den Baumstamm. An ihm vorbei huschen Schatten. Das Dröhnen und Trommeln, das Brüllen und Schreien macht ihn taub. Lemmy Lane liegt und glaubt, daß die Welt untergeht. Der Boden bebt. Ein Stier kracht gegen den Baum. Dann keilt er mit den Hufen aus und tritt Lemmy in die Rippen. Der wimmert nur noch, bis der Staub ihm die Nasenlöcher zusetzt und er kaum noch atmen kann. Schmerz wütet in Lemmy Lanes Seite. Er liegt und sieht kaum noch etwas.

      Über ihm ist Dexter, der höllische Schmerzen im Rücken hat. Zweimal noch krachen Stiere gegen den Baum, bilden ein Hindernis, hinter dem Lemmy Lane liegt. Durch den Staub dringt das Bersten von Holz. Die Hütte bricht im Ansturm der Rinder zusammen.

      Irgendwann ist es vorbei. Einzelne Schüsse peitschen südlich der beiden Lanes durch die Nacht. Die Staubwolke senkt sich langsam. In der Ferne verliert sich das Donnern und Dröhnen der Hufe. Dort hinten rast die Herde weiter, biegt in die Nordrichtung.

      Big Jim Vances Herde donnert geradewegs auf den Südarm des French Creek zu. Entsetzt sehen es die wenigen Männer, die noch neben den Stieren reiten. Aber sie können nichts mehr tun. Keiner hat mehr Patronen, die Munition ist verschossen.

      »Sie rennen in den trockenen Bacharm«, ruft Londsdale Ferguson zu. »Sie brechen sich die Hälse, Mensch. Wir lenken sie nicht mehr ab, wir schaffen es nicht.«

      Aus! denkt Ferguson nur. Das kostet ein Viertel der Herde, wenn nicht mehr. Das überlebt Big Jim nicht, das bringt ihn um.

      Er blickt sich um, aber hinter ihnen kommt niemand mehr. Sie sind schon sechs Meilen gerast. Weit hinter ihnen liegt die Weidehütte zusammengebrochen unter den Bäumen.

      Dort knickt jetzt Lemmy Lane beim Aufstehen ein und stürzt wieder aufs Gesicht. Stöhnend rutscht Dexter vom Baumstamm herab. Er landet auf einem toten Stier und kommt gekrümmt auf seinen Bruder zu. Einen Augenblick sieht er sich suchend um.

      Sein Gewehr lehnte am Baum. Jetzt ist nichts mehr von der Waffe zu sehen. An der Stelle liegt ein Stier am Boden. Und selbst wenn sie zu dreien wären, wie wollten sie das schwere Tier vom Gewehr wälzen?

      Nur Lemmy hat noch seinen Revolver. Bei dem Durcheinander in der Hütte hat es Dexter Lane nicht geschafft, an seinen Revolver zu kommen. Der Waffengurt muß dort irgendwo unter den Trümmern liegen, verdeckt von einem Berg aus Balken und Brettern.

      »Ich – ich kann nicht gehen«, jammert Lemmy greinend und hält sich die Seite. »Ich – ich sterbe… Die Schmerzen.«

      »Habe ich vielleicht keine?« fragt Dexter wütend. »Los, wir müssen hier weg. Gib mir deinen Revolver. Ich stütze dich, Lemmy. Hölle, die Hütte, alles hin. Und kein Gaul zu sehen, niemand mehr hier. Reiß dich zusammen, du Narr, so schlimm kann es nicht sein.«

      Lemmy wimmert, als Dexter ihn hochzieht und stützt. Sie stolpern los – Dexter keuchend, Lemmy immer wieder einknickend.

      »Wohin?« fragt Lemmy schließlich japsend, als sie an den am Boden liegenden toten Tieren vorbei sind. »Ein Pferd – ist denn kein Pferd da?«

      »No, du Jammerlappen«, brummt Dexter Lane mürrisch. »Wir müssen zur Ranch. Der Teufel soll die Kerle holen, die uns das eingebrockt haben, ich bringe sie um. Weiter, bleib nicht stehen! Wir haben nur einen Revolver, Mensch. Wenn sie jetzt kommen, dann knallen sie uns ab wie Hasen. Weiter, weiter, weg hier!«

      Sie schleppen sich fünfhundert Yards weit, bis sich Lemmy im Bach­einschnitt einfach fallen läßt.

      »Ich – ich kann nicht mehr. Ich kann nicht…«

      »Hoch mit dir, weiter!«

      »Laß mich – liegen. Der verdammte alte Narr Jenkins, der hat es uns gesagt, aber keiner hat ihm geglaubt«, wimmert Lemmy Lane. »Jetzt hat Coole sich ein Rudel rauher Burschen geholt. Kommen sie schon her, Dexter?«

      »No, ich höre nichts«, gibt der zurück. »Hör auf mit deinem Gejammere, Bruder. Wir müssen zur Ranch und es Kilburn sagen.«

      »Dem, ausgerechnet dem?« stöhnt Lemmy. »Der verdammte Narr ist an allem schuld. Warum mußte er schießen? Jetzt haben wir es. Die packen uns und legen uns auf die Nase, weil Kilburn den Alten erschossen hat. Ich sage dir, wenn ich eine

      Chance bekomme… Ich bin fertig, ich sterbe… Ich rede. Ich fresse das nicht aus, was dieser Idiot Kilburn eingebrockt hat.«

      »Halt’s Maul!« zischelt Dexter. »Sie denken immer noch, daß es Viehdiebe waren. Wir haben geschworen, nicht darüber zu reden. Sei still, Bruder! Der alte Thayer ist tot, damit basta. Ich sage dir…«

      Klick!

      Es ist hinter und über ihnen. Dexter wirbelt erschrocken herum und sieht den Mann über sich stehen. Der Mann hat sein Gewehr unter dem Arm und steht ganz still, als sich Dexter Lane zur Seite wirft und die Hand nach unten stößt.

      »Gib auf!« ruft Thayer fauchend. »Streck sie hoch, Mann, sonst frißt du…«

      Er zieht schon, der Dexter Lane. Er reißt den Revolver im Wegrollen