Paul Rießler

Joseph und Asenath


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      Ja, Asenath glich keinesfalls ägyptischen Jungfrauen;

      sie glich vielmehr den Töchtern der Hebräer allenthalben;

      sie war so schlank wie Sara,

      so blühend wie Rebekka,

      so schön wie Rachel.

      6

      Und ihrer Schönheit Ruf erging ins ganze Land,

      ja bis zum End der Welt;

      der Großen und Satrapen Söhne alle

      begehrten sie deshalb zu freien,

      ja selbst die Königssöhne,

      die jungen und die kräftigen,

      und ihretwegen war ein großer Streit bei ihnen

      und sie versuchten, gegenseitig sich schon zu bekämpfen.

      7

      Des Pharao Erstgeborener hörte auch von ihr.

      er bat den Vater, diese ihm zum Weib zu geben.

      Er sprach zu ihm:

      Mein Vater! Gib zum Weib mir Asenath,

      die Tochter Pentephres,

      des ersten Mannes zu Heliopolis!

      8

      Da sprach sein Vater Pharao zu ihm:

      Warum suchst du ein Weib dir aus,

      das tiefer steht als du,

      zumal du König dieses ganzen Landes wirst?

      9

      Ist nicht des Moabkönigs Joakim Tochter dir verlobt?

      Ja, die gibt eine Königin,

      ist sie doch über alle Maßen schön.

      Die nimm dir doch zum Weib!

      2. Kapitel: Asenaths Schmuck und Wohnung

      1

      Doch Asenath war jeder Mann zum Ekel und zuwider

      in ihrem unnahbaren Stolz;

      kein Mann bekam sie je zu sehen;

      denn Pentephres besaß an seinem Hause einen Turm,

      gar groß und hoch,

      und oben auf dem Turme war ein Söller mit zehn Zimmern.

      2

      Das erste Zimmer war gar groß und prächtig,

      mit Purpursteinen ausgelegt;

      aus edlen, bunten Steinen waren seine Wände;

      des Zimmers Decke war aus Gold.

      3

      Zahllose Götter der Ägypter, goldene und silberne,

      befanden sich in diesem Zimmer

      und Asenath verehrte diese alle voller Furcht

      und brachte ihnen täglich Opfer dar.

      4

      Im zweiten Zimmer war der ganze Schmuck der Asenath

      samt den Behältern;

      drin war viel Gold und Silber,

      unzählig goldgewirkte Kleider

      und auserlesene, kostbare Steine

      und feine leinene Gewänder;

      auch aller andre Jungfrauenschmuck war hier.

      5

      Die Vorratskammer Asenaths war in dem dritten Zimmer,

      das alle Güter dieser Welt enthielt.

      6

      und in den andern sieben Zimmern wohnten sieben Jungfrauen,

      die Asenath bedienten,

      und jede hatte ein besonderes Zimmer;

      sie aber waren gleichen Alters,

      mit Asenath in einer Nacht geboren;

      sie liebte sie gar sehr;

      sie waren wunderschön,

      den Himmelssternen gleich;

      nie sprach ein Mann mit ihnen, noch ein Knabe.

      7

      Drei Fenster waren in dem großen Zimmer Asenaths,

      wo ihre Jungfrauschaft gehegt ward und gepflegt;

      das erste Fenster war sehr groß

      und schaute auf den Hof nach Osten,

      das zweite nach dem Süden,

      das dritte auf die Straße.

      8

      Ein golden Bett stand in dem Zimmer gegen Osten;

      das Lager war mit goldgewirktem Purpur ausgelegt,

      aus Scharlach und aus feinem Linnenstoff gewoben.

      9

      In diesem Bett schlief Asenath allein;

      nie lag ein Mann darin,

      noch je ein andres Weib,

      als Asenath allein.

      10

      Ein großer Hof lief um das Haus herum

      und um den Hof ging eine hohe Mauer,

      erbaut aus großen Quadersteinen.

      11

      Vier Pforten waren in dem Hof,

      mit Eisen wohl beschlagen;

      an diesen wachten achtzehn junge, kräftige Bewaffnete

      und in dem Hofe an der Mauer wuchsen Bäume,

      kostbare aller Art

      und alle früchtereich,

      zur Erntezeit mit reifen Früchten.

      12

      Zur Rechten in dem Hof war eine reiche Wasserquelle

      und unter diesem Quell war ein Behälter, gar nicht klein,

      der dieser Quelle Wasser in sich nahm,

      von wo er, einem Flusse gleich,

      durch jenes Hofes Mitte floß

      und jenes Hofes Früchte all bewässerte.

      3. Kapitel: Josephs Ankunft

      1

      Am achtundzwanzigsten des vierten Mondes

      im ersten Jahr der sieben fetten Jahre

      kam Joseph ins Gebiet von Heliopolis

      und sammelte das Korn der Gegend ein.

      2

      Als Joseph dieser Stadt sich näherte,

      entsandte er zwölf Männer vor sich her

      zu Pentephres, dem Priester von Heliopolis,

      und ließ ihm sagen:

      Ich kehre heute bei dir ein,

      dieweil es Mittag ist und Zeit zum Speisen;

      auch ist die Sonnenhitze groß;

      drum