habe ich mir gedacht.« Sie musterte ihn scharf. »Ich weiß, dass Sie und Kirk ihn in einer medizinischen Einrichtung auf Sternenbasis 11 besucht haben, aber was danach geschah, untersteht der Geheimhaltung. In den verfügbaren Akten steht lediglich, dass Chris – Captain Pike – irgendwie verschwunden ist, nachdem er aus unbekannten Gründen an Bord der Enterprise gebracht wurde. Und trotz meiner eigenen Nachforschungen, sowohl über offizielle als auch andere Kanäle, konnte ich nichts weiter herausfinden.«
Spock zögerte. Er war hin- und hergerissen zwischen der Versuchung, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen, und seiner Pflicht, die Geheimnisse der Sternenflotte zu wahren. Wenn jemand verdiente zu wissen, was wirklich aus Christopher Pike geworden war, war es diese Frau, die für mehr als ein Jahrzehnt voller Gefahren und Entdeckungen an seiner Seite gestanden hatte, und doch …
»Wie Sie bereits sagten, die Angelegenheit untersteht der Geheimhaltung.«
»Das verstehe ich und ich habe nicht den Wunsch, Sie in eine unangenehme Lage zu bringen, also beantworten Sie mir nur eine Frage mit ja oder nein.« Sie wappnete sich gegen die Antwort, bevor er ihrer Bitte überhaupt zugestimmt hatte. »Er ist jetzt bei Vina, nicht wahr?«
In ihrer Stimme lag keine Spur von Eifersucht, nur das dringende Bedürfnis, die Wahrheit zu erfahren, und das konnte Spock ihr nicht guten Gewissens verwehren.
Er nickte.
»Ich danke Ihnen, Spock.« Ihre angespannte Haltung lockerte sich etwas, als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen worden. Sie lächelte traurig und wischte sich eine Träne weg. »Das war alles, was ich wissen musste.«
Offenbar hatte sie die Wahrheit bereits geahnt und von ihm nur noch die Bestätigung ihrer Mutmaßungen gebraucht. Ihm kam ein Gedanke und er musste sich fragen: Wäre sie nicht im Beta-Quadranten aufgehalten worden und in der Lage gewesen, Pike als Erste zu erreichen, hätte sie dann dieselben drastischen Maßnahmen ergriffen wie er, um ihrem früheren Captain ein glücklicheres Ende zu ermöglichen? Ihre Entschlossenheit und ihre Loyalität Pike gegenüber waren ebenso unerschütterlich wie seine eigene, wenn nicht noch ausgeprägter.
Das war natürlich reine Spekulation. Logisch betrachtet gab es keine Möglichkeit, zu wissen, was unter anderen Umständen hätte passieren können, aber Spock war auf seltsame Weise sicher, hätte er nicht die Enterprise entführt, um Pike zu helfen, hätte die Yorktown womöglich selbst die unerlaubte Reise nach Talos IV angetreten.
»Lassen Sie mich Ihnen auch eine Frage stellen«, sagte er. »War diese Frage der wahre Beweggrund für Ihren Besuch auf der Enterprise ?«
»Schuldig im Sinne der Anklage, Mr. Spock. Warum auch sonst?«
Sie bedauerte, Spock anzulügen, auch wenn sie keine andere Wahl hatte. Der Betrug beschäftigte sie auch am nächsten Morgen noch, während sie sich allein mit ihren Gedanken in ihrer VIP-Suite, die Captain Kirk ihr so großzügig zur Verfügung gestellt hatte, darauf vorbereitete, ihr wahres Ziel zu erreichen. Spocks Ehrlichkeit mit einer Unwahrheit zu vergelten versetzte ihr Gewissensbisse.
Hoffen wir, dass er mir eines Tages verzeihen kann, dachte sie, nach allem, was noch kommen wird.
Nicht dass sie Spock während des Empfangs vollständig in die Irre geführt hätte – sie hatte ihm allerdings nur die halbe Wahrheit erzählt. Sie hatte wirklich eine Bestätigung ihrer Vermutungen bezüglich des Aufenthaltsorts von Christopher Pike gesucht, aber das war nicht das Einzige, was sie für sich selbst zu einem Abschluss bringen musste. Es gab noch eine weit ältere Sache, um die sie sich kümmern musste, solange sie noch die Chance dazu hatte. Und dabei handelte es sich nicht um eine Angelegenheit, die sie Spock gefahrlos mitteilen konnte … oder sonst jemandem.
Ihr Gästequartier an Bord der Enterprise war so komfortabel wie versprochen und – was noch wichtiger war – perfekt für ihre Zwecke geeignet. Zur Ausstattung gehörte ein Schreibtisch mit einem Computerterminal, den sie sogleich nutzte.
»Computer. Lokalisiere Captain James T. Kirk.«
»Captain Kirk befindet sich zurzeit auf der Brücke«, antwortete der Computer. Trotz des Ernstes ihrer Mission stellte Una amüsiert fest, dass eine ziemlich roboterhafte Version ihrer eigenen Stimme ihr antwortete. Offensichtlich hatte niemand die Stimmparameter geändert, seit sie und Spock diese vor einigen Jahren installiert und ihre eigene Stimme als Grundlage benutzt hatten.
»Und der Erste Offizier Spock?«
»Commander Spock befindet sich ebenfalls auf der Brücke.«
Bei dem kalten, mechanischen Tonfall des Computers zuckte sie leicht zusammen. So klinge ich doch nicht wirklich, oder?
Wie auch immer, sie hatte die Bestätigung, dass Kirk und Spock sich genau dort befanden, wo sie im Moment sein sollten. Da es ungefähr zehn Uhr und damit mitten in der Alpha-Schicht war, war dies zu erwarten gewesen, aber sie hatte sich dennoch rückversichern wollen. Sie konnte es sich nicht leisten, irgendwelche Risiken einzugehen, nicht, nachdem sie diesen Moment so lange geplant und darauf gewartet hatte.
Es ist Zeit, dachte sie. Endlich.
Sie war in Versuchung gewesen, schon gestern Abend die ersten Schritte zu unternehmen, direkt nachdem sie sich von dem Empfang entschuldigt hatte, aber die Vernunft hatte über die Ungeduld gesiegt. Dieses Vorhaben bahnte sich seit achtzehn Jahren an – ein paar Stunden mehr würden keinen Unterschied machen, egal wie gern sie endlich anfangen wollte.
Es war kein Zufall, dass sie den Weg der Enterprise genau zu diesem Zeitpunkt gekreuzt hatte. Jeder Schritt dieser Operation war sorgfältig geplant und nichts war dem Zufall überlassen worden. Jetzt gab es kein Zurück mehr für sie.
Zeit, den Rubikon zu überschreiten, dachte sie.
Sie trat vom Computer zurück und ließ ihren Blick ein letztes Mal durch das Gästequartier schweifen, um sicherzustellen, dass sie nichts vergessen hatte, was ihr höheres Ziel verraten könnte. Gekleidet in ihre Alltagsuniform verließ sie die Suite. Da sie nicht die Absicht hatte, jemals zurückzukehren, nahm sie ihre Reisetasche mit. Sie hatte alles dabei, was sie für die bevorstehende Expedition benötigte – bis auf einen letzten Gegenstand.
Zum Glück wusste sie genau, wo dieser zu finden war.
Während sie sich einen Weg durch die belebten Flure der Enterprise bahnte, kam sie nicht umhin, ihre aktuelle Umgebung mit ihren eigenen lebhaften Erinnerungen an genau dieses Schiff zu vergleichen. Die Farben waren fröhlicher, mit hellroten Türen und Einfassungen, im Gegensatz zu dem einheitlichen Blaugrau der Vergangenheit, und die Flure waren dichter bevölkert, als sie es in Erinnerung hatte. Unter Pike und April hatte die Enterprise eine ungefähr zweihundert Mann starke Besatzung an Bord gehabt. Jetzt beherbergte sie mehr als doppelt so viele, genau wie die Yorktown – und niemand hatte eine Ahnung, was sie wirklich im Schilde führte.
Das war zu ihrer eigenen Sicherheit auch besser so.
Zu ihrer Erleichterung erregte ihre Anwesenheit in den Fluren nur sehr wenig Aufmerksamkeit. Vereinzelt grüßten Mannschaftsmitglieder sie respektvoll, aber niemand stellte ihr Fragen oder bot ihr unerwünschte Hilfe an. Sie war schließlich ein Captain der Sternenflotte auf Besuch, wieso sollte sie sich nicht frei auf dem Schiff bewegen können? Wie erwartet nahmen die Leute an, dass sie einfach ihrer Arbeit nachging.
Ein Turbolift brachte sie ein Deck tiefer, wo die Führungsoffiziere ihre Quartiere hatten. Sie ging zügig, aber mit vorgetäuschter Lässigkeit zur Tür von Kirks Privatquartier. Um diese Tageszeit waren hier nicht viele Leute unterwegs. Dennoch wartete sie geduldig, bis die Luft rein war, bevor sie zur Sicherheit einmal an die Tür klopfte. Kirk war auf der Brücke, aber Una wollte sichergehen, dass dieser hilfreiche junge Yeoman nicht damit beschäftigt war, das Kopfkissen des Captains aufzuschütteln oder Ähnliches. Unas eigener Yeoman auf der Yorktown hütete sich davor, in ihrem Quartier ohne ausdrücklichen Befehl herumzuhantieren, aber Kirk war vielleicht nicht so streng, was seine Privatsphäre anging. Unas Erfahrung nach etablierten jeder Captain und sein Yeoman ihre eigene Arbeitsbeziehung, je nach Kommandostil und