Milliarden Euro in neue Antriebsformen und softwaregesteuerte Betriebssysteme.
Und Stand August 2020 ist die Marktkapitalisierung von Tesla höher als die aller Autohersteller in Europa und Amerika sowie eine Reihe von japanischen Produzenten zusammen. Dazu zählen unsere deutschen Top drei: VW, Daimler, BMW, aber auch Ford, GM, Fiat Chrysler, Honda, Suzuki, Peugeot, Renault und noch mehrere andere Produzenten.
Beispiel Banken und Versicherungen. »Banking is necessary. Banks are not.« Dieses Zitat von Bill Gates aus dem Jahr 1994 wird immer mehr zur Realität – zumindest was das Geschäft mit privaten Kunden angeht. Was heute unter den Begriffen »Roboadvisor« oder »Fintech« bekannt ist, wird spätestens dann zur existenziellen Bedrohung, wenn große Player wie Google, Apple oder Amazon digitale Bankingangebote an den Markt bringen. Die bisherige Reaktion mit Personalabbau, Filialschließungen und Standardisierung des Angebots wird vermutlich nicht mehr ausreichen. Die ING kooperiert bereits mit dem Roboadvisor Scalable aus München. Und auch wenn N26 oder Revolut noch vergleichsweise klein wirken, zeigen sie zumindest beeindruckende Wachstumsraten. Auch die Versicherungen stehen vor einer ziemlichen Evolution, um es milde auszudrücken: Vergleichsportale und damit deutlich höhere Markttransparenz haben den Kampf um den Kunden verändert. Kollege KI ersetzt auch hier immer mehr Tätigkeiten von der Schadensabschätzung bis zur Zahlungsauslösung. Neue Wettbewerber kämpfen zwar mit hohen Markteintrittsbarrieren, dennoch: Amazon zeigt in den USA Ambitionen zum Aufbau einer Krankenversicherung und investiert in Indien in einen Onlineversicherer. Und auch die Kooperationsbereitschaft wächst, wie das Beispiel von Axa mit Uber und Alibaba zeigt. Im Fazit sind es auch hier wieder die Themen Workforce und Talente, die essenziell für das Gelingen der Transformation sein werden. Wer jetzt nicht konsequent Substituierbarkeitspotenziale hebt, eine wirklich disruptive Talentgruppe aufbaut und sich Digitalisierungs- und IT-Experten weltweit sichert, wird diese Transformation voraussichtlich nicht bewältigen.
Beispiel Energieversorgung. Welche immensen Veränderungsschritte der Branche seit der Energiewende ins Haus standen und weiter stehen, verdeutlichen Vorstandschef Frank Mastiaux und die personalverantwortliche Vorstandsfrau Colette Rückert-Hennen in diesem Buch für das baden-württembergische Energieunternehmen EnBW. Neben dem massiven Ausbau in erneuerbare Energien und die Marktführerschaft bei Schnellladesäulen hat sich das Karlsruher Unternehmen als dritte Wachstumssäule für neue Geschäftsmodelle das Geschäftsfeld urbane Infrastruktur auf die Zukunftsagenda gesetzt, das Themen wie Sicherheit auf öffentlichen Plätzen, Cybersecurity oder nachhaltige Quartiersentwicklung umfasst. Dabei geht es vorzugsweise um die Frage, solche für das moderne urbane Zusammenleben unverzichtbaren Systeme bestmöglich zu managen und anzuwenden – von der Energieversorgung über Mobilitätssteuerung bis zur Straßenbeleuchtung, wo die unterschiedlichen Infrastrukturen jeweils optimal ineinandergreifen müssen. Es waren Riesenschritte, die Energieversorger wie auch EnBW zu unternehmen hatten, seit sie es nicht mehr wie viele Jahrzehnte lang mit einem sehr übersichtlichen und recht einfachen Geschäftsmodell zu tun hatten, nämlich Strom mit Kernkraft und Kohle erzeugen und ihn zentral an die Kunden zu liefern.
Beispiel Telekommunikation. Weltweit herrscht in der Telekommunikationsbranche schon seit vielen Jahren ein enormer Digitalisierungsschub, der im Zuge der Corona-Krise noch einmal an Dynamik zugenommen hat. Die Nutzer erwarten problemlosen Internetzugang überall, haben erhöhte Anforderungen an Übertragungsgeschwindigkeiten, entfalten größeren Datenhunger sowohl im Festnetz als auch auf den mobilen Geräten. Und das alles getriggert durch intensivere Nutzung vorhandener Anwendungen und Erwartungen an leistungsfähige Infrastruktur wie etwa 5G-Netze oder Glasfaserkabel. Dazu kommt ein zunehmend stärkeres Bedürfnis nach Sicherheit der Daten und der Netze, da auch die Gefährdung durch Cyberangriffe auf Daten und Netze gestiegen ist und weiter steigen wird. Das heißt für die Unternehmen: besseres Kundenverständnis, Bereitstellen optimaler Netze, Einschlagen nachhaltiger Wachstumspfade, Kostenführerschaft, ohne dabei ihren Status als High-Performance-Organisation zu gefährden. Oder, wie es Birgit Bohle, Personalvorständin der deutschen Telekom in diesem Buch sagt (Seite 73): »Kein Kunde bezahlt für ineffiziente Prozesse. Wir sind darauf angewiesen, ständig effizienter und schlanker zu werden, auch durch Digitalisieren und Automatisieren. Unser Anspruch lautet: Wir wollen ›The Leading European Telco‹ sein. Das erfordert unternehmensintern sowohl eine konsequente Humanzentrierung wie auch eine Führungsrolle bei der Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells.«
Beispiel Logistik. Mit den enormen Wachstumsgeschwindigkeiten des Onlinehandels wachsen ebenso die Anforderungen an Logistikunternehmen wie die Deutsche Post DHL oder an Speditionen, die den Gütertransport zu den Auslieferungslagern bewerkstelligen. Die Deutsche Post DHL etwa hat sich in den vergangenen 30 Jahren geräuschlos und erfolgreich von einer nationalen Behörde zu einem Weltkonzern gewandelt. Aber auch bei der Post mit ihren heute 550 000 Mitarbeitern schreitet die Automatisierung inzwischen weiter voran. So sagt Thomas Ogilvie, Personalvorstand des Unternehmens: »In unserem Konzern gibt es über 1000 verschiedene Jobprofile. Bis 2030 gehen wir davon aus, dass 30 bis 35 Prozent aller Tätigkeiten automatisiert werden können. Wir glauben trotzdem fest daran, dass auch in 30 Jahren der überwiegende Teil unserer Wertschöpfung durch Menschen erbracht werden wird. Es wird Tätigkeiten geben, die sich nicht nur graduell, sondern signifikant verändern werden. Wir haben angefangen, die Jobs, bei denen wir die größten Veränderungen erwarten, auf die heute und morgen benötigten Skills zu analysieren, um so langfristig Personalentwicklung betreiben zu können. Es geht nicht darum, dass jeder ein IT-Spezialist wird, sondern es geht darum, offen für Veränderungen und neugierig aufs Lernen zu sein. Wir glauben daher nicht, dass es Digitalisierungsopfer geben wird. Die Technologisierung ist vielmehr eine große Chance für eine Entlastung bei der Arbeit und für höhere Produktivität.« Und diese Technologisierung begann bei der Post schon bei den Briefsortiermaschienen, die vor 20 Jahren Einzug hielten, und endet wohl auch noch nicht bei Drohnen, die in Kürze Zustelldienste übernehmen könnten.
Wie auch unsere anderen Gesprächspartner in diesem Buch bestätigen werden – Deutsche Telekom, Merck, EnBW, Bertelsmann und Aufsichtsrätin Simone Menne –, ergeben sich durch die digitalen Technologien enorme Potenziale für die Entlastung der herkömmlichen, eher mühseligen menschlichen Arbeitskraft (wie im Übrigen bei Einführung jeder neuen Basistechnologie in der Wirtschaftsgeschichte), aber es gibt auch enorme Herausforderungen, ebendiese Menschen für neue Tätigkeitsprofile zu begeistern, sie mitzunehmen, umzuqualifizieren und obendrein neue, bisher noch nicht im Unternehmen vorhandene Arbeitskräfte mit speziellen Qualifikationen beizeiten zu rekrutieren.
Wir haben viel über Technologie als wichtigsten Treiber der Transformation gesprochen. Das ist richtig. Aber er wird begleitet von
—völlig neuen Geschäftsmodellen – Abomodelle (Netflix), Pay per Use (Carsharing), Peer to Peer (Umgehen eines Zwischenhändlers) usw.
—der Disruption von Märkten – die Beispiele kennen wir alle. YouTube und Netflix gegen lineares Fernsehen, Airbnb gegen Hilton, Amazon gegen den Einzelhandel. Clayton Christensen, Autor des Bestsellers The Innovators Dilemma, fasst es so zusammen: »Disruptoren sind nicht einfach nur Wettbewerber. Sie betreten nicht einen bestehenden Markt. Sie erzeugen einen neuen und beherrschen diesen, weil sie ihn erfunden haben.«
—den Plattformen – Alibaba, Amazon, Delivery Hero, Facebook, LinkedIn, Skype, Spotify, Uber usw. Viele der marktführenden Unternehmen haben kaum bis keine Investitionskosten. Das kennen wir in Deutschland fast überhaupt nicht. Unser Modell funktioniert in der Regel getreu dem Motto: Hohe Investitionskosten, geringe Gewinnmargen. Plattformen funktionieren genau andersherum. Und in der Regel bilden sie – zumindest regionale – Monopole. Oder kennen Sie die nächstplatzierten Wettbewerber der oben genannten? Andersherum fragen Sie sich, ob Sie die Wettbewerber von EnBW kennen? Oder von BMW? Oder von Edeka?
Workforce
Wie bereits schon mehrfach betont, auch die ausgeklügeltsten unternehmerischen Transformationsstrategien können nur dann realisiert werden und Früchte tragen, wenn sich der Blick ebenso konsequent und zielgerichtet – und rechtzeitig! – auf die Mitarbeiter*innen des Unternehmens richtet. Wie auch EnBW-Chef Frank Mastiaux für sein Unternehmen festgestellt hat: »Die beste Strategie nützt gar nichts, wenn Sie nicht die Leute haben, die diese Strategie auch umsetzen können.« Und das angesichts der Tatsache, dass es mit den begehrten Talenten nicht