Das war mein Gedanke damals. Und ich sollte, wie so oft, recht behalten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin kein Profi, ich denke nur so durchschnittlich! Ich bin quasi Erika Mustermann. Okay, ein bisschen mehr als die durchschnittlichen 13 Paar Schuhe habe ich schon im Schrank. Mit den 67 Tagen, die Frauen damit verbringen, nach Dingen in ihrer Handtasche zu kramen, komme ich nicht hin. Da suche ich deutlich länger! Aber das liegt wahrscheinlich an meinem Beruf. Ich bin Modedesignerin und spezialisiert darauf, meist sehr blutjunge Sangeskünstler sehr niedlich aussehen zu lassen.
Auch für Daniel Küblböck durfte ich arbeiten und ihn ein Stück seines Weges begleiten. Und davon möchte ich jetzt gern ein wenig erzählen …
1. A Star is born
Toleranz und Güte, Menschlichkeit und Nächstenliebe machen unser Leben lebenswert.
Daniel Küblböck
»Und was würden SIE mir anziehen?« Diese Frage stellte mir Daniel, als wir uns zum ersten Mal trafen. Am Köln-Bonner-Flughafen, zwischen zwei von seinen Terminen. Nach DSDS war Daniel inzwischen zum Medienstar geworden … und Dauergast im Unterhaltungsfernsehen und auf Bühnen. Eine sehr bekannte deutsche Zeitung bescherte ihm die meisten Berichte. Die begeisterte Werbeindustrie überhäufte ihn mit Verträgen. Und obwohl er nur den dritten Platz erreicht hatte, war der Hype um ihn gigantisch. Er war interessant für die Menschen. Entweder sie lästerten oder sie schwärmten von ihm. Es gab wohl kaum jemanden da draußen, den er kalt ließ. Seine Frechheit hatte letztlich gesiegt.
Wie bereits erwähnt, war ich Modedesignerin und irgendjemand hatte den Kontakt zwischen uns hergestellt. Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich so manches Mal versuche, die Nennung von Personen zu umgehen. Mein Agent hat gesagt, dann werden wir verklagt, kommen ins Gefängnis und das sei nichts für uns. Woher weiß der das eigentlich so genau?
Wir trafen uns also am Flughafen. Daniel wirkte zurückhaltend und schüchtern, ja fast scheu, wie ein wohlgeratener Konfirmand. Er war viel dünner und schmächtiger als er im Fernsehen rüber kam, aber das ist bei den meisten so. Er wirkte müde und abgekämpft auf mich von den vielen Terminen. Fast tat er mir leid, denn ich wusste, wie gnadenlos das Showgeschäft Menschen ausquetschte.
»Und was würden SIE mir anziehen?« Seine Frage überraschte mich. SIE. Er sagte allen Ernstes SIE zu mir. In einer Branche, in der das Du an der Tagesordnung ist, wurde ich gesiezt! Mehr als ungewöhnlich. Ich machte ihm einige Vorschläge und Daniel war gleich einverstanden mit dem, was ich outfit-technisch so mit ihm vorhatte. Ihm gefielen meine Entwürfe. Überhaupt hatten wir vom ersten Moment an eine ganz besondere Verbindung. Daniel vertraute mir sofort. Später war er der einzige meiner Künstler, der immer zu 100 Prozent mit seinen Kostümen zufrieden war. Kein: neh, das gefällt mir nicht, kein neh, das ziehe ich nicht an. Ganz im Gegenteil: Immer voller Vorfreude schaute er sich meine-seine Outfits an. Kein Rumgezicke, nichts! Daniel war Künstler durch und durch. Kreativ und immer für Neues offen. Er hatte das Haifischbecken Showbusiness schnell begriffen, obwohl er letztlich darin umkommen sollte …
2. You drive me crazy
Es wäre im Wald sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel singen würden.
Daniel Küblböck in einer Mottoshow
Nach DSDS, das sozusagen eine neue Medien-Ära einleitete, erreichte der Rummel um Daniel ungeahnte Höhen. Die Medien überschlugen sich förmlich mit ihrer Berichterstattung. Selbst die Royals, sonst Garant auf den Titelseiten der Wartezimmer-Bild- und Oma-Presse, wichen den Artikeln über Daniel. Nicht nur die privaten, sogar die öffentlich-rechtlichen Sender informierten über seine Auftritte, sein neues Video oder sehr gerne auch privat anmutenden, medienwirksam inszenierten Aktivitäten wie der Besuch seiner Lieblingsplätze in seiner Heimatstadt. Natürlich gab es auch ein Special zu seinem achtzehnten Geburtstag.
Ja, Daniel trieb die Verkaufszahlen zahlreicher Zeitungen und Magazine enorm in die Höhe. Was viele von Ihnen sicherlich gar nicht wussten, dass zu den Anfangszeiten von DSDS nicht nur RTL II und Super RTL zur RTL-Gruppe gehörten, sondern auch mehr als zwanzig weitere TV- und Radiosender. Der gesamte Verein war Europas Biggest Player in diesem Business. Das gab natürlich gewaltige Synergie-Effekte. Dazu kam dann auch noch, dass die RTL-Group fast komplett zum mächtigen Bertelsmann-Konzern gehörte. Zu dem wiederum gehörten BMG, Daniels damalige Plattenfirma, Random House, der Verlag, in dem Daniels Buch erschien und die Verlagsgruppe Gruner & Jahr, zu denen Magazine wie Stern oder Gala gehören.
Sie sehen, wo das hinführt? Da greift ein Rad ins andere. Da spuckt keiner dem anderen in den Pudding. Miserable Berichte gab es trotzdem. Getreu dem Motto: Schlechte Nachrichten sind besser als gar keine Nachrichten.
Und tatsächlich verkaufen sich Sex, Drugs & Rock’n Roll immer besser als Friede, Freude, Eierkuchen.
Dabei spaltete der schrille Kandidat durch sein Auftreten und seine Art die Nation. Und nicht nur die deutsche. Auch in Österreich und in der Schweiz trennten sich die Menschen in zwei, wie es schien, verfeindete Lager: Fans und Gegner. Ich möchte sogar soweit gehen: Fans und wie es auf neu-deutsch so schön heißt: Hater.
Daniel versuchte, sich damit zu arrangieren. Er hetzte in dieser Zeit von Termin zu Termin. Er hatte kaum noch Zeit für sein Privatleben. Es ging also richtig rund. Natürlich auch musikalisch. Auch ohne den Titel ›Superstar‹ eroberte Daniel die Charts. Dank Uns-Dieter besetzte Daniels erste Single You drive me crazy wochenlang die deutschen Single-Charts.
Am Erscheinungstag verkaufte Daniel mehr Singles als der spätere Superstargewinner Alexander und Modern Talking zusammen, die ebenfalls am selben Tag (war das klug von der Plattenfirma?) eine neue Single veröffentlichten! Das bescherte Daniel Platz eins der Trendcharts und seiner Plattenfirma: 30.000 verkaufte Tonträger. Auch das von Herrn Bohlen umgehend produzierte Album Positive Energie hielt sich elf Wochen lang auf Platz zwei. LÄUFT!
Schon Dieter Bohlen schrieb in seinem Buch Hinter den Kulissen, wie sehr er anfangs Daniel unterschätzt hatte. Daniel trat bei seinem Casting, verbotener Weise, mit Gitarre an. Mit zusammengebundenen Haaren und Strickjacke. Geradezu kindlich-naiv, aber auch unterhaltsam und amüsant war sein Auftritt. Schon da widersetzte er sich kalkuliert dem Anpassungsdruck, eben genauso weit, wie die Jury es zuließ. Aber Frechheit siegt und so war Daniel der Kandidat, der mit seiner Unverfrorenheit versuchte, zu punkten. Letztlich auch nur ein Mittel, um den begehrten Titel Superstar zu erhalten. Und zuerst die Juroren und dann später die Zuschauer honorierten es. Viele von ihnen konnten sich in Daniels Einstellung offenbar wiedererkennen. Dazu kamen noch seine Schwächen, immer wieder war er vor laufender Kamera den Tränen nah, die Daniel so liebenswert machten. Und Mütter und Omis weinen ließ. Daniel war ein Clown, ein Paradiesvogel, ein klassischer Anti-Held! Jahre später sagte Daniel einmal in einem Interview über sich selbst: »Damals war ich die Unschuld vom Lande. Ich bin mit 17 Jahren, von heute auf morgen, in das härteste Business der Welt geworfen worden«.
Aber Daniel war so sehr dieses Konzept, dass er es gar nicht benötigte. Die anderen Kandidaten ließen sich in eine Schublade drängen oder erfüllten ein bestimmtes Klischee. Brav spielten sie die Rolle, die von ihnen verlangt wurde. Überschwängliche Freude oder tiefe Enttäuschung gab es auf Knopfdruck. Niedlich hinstellen vor den Kameras natürlich inklusive. Der Sender hatte seine Teilnehmer gut im Griff. Bei Daniel war das anders: Er schien für die Bühne geboren zu sein. Die Kameras gierten förmlich nach ihm. Alles, was im Showgeschäft wichtig zu sein schien, besaß Daniel augenscheinlich. Niemand war echter als er. Seine Art zu übertreiben und dabei an sein eigenes Können zu glauben, machte ihn so liebenswert.
In den Recall von DSDS ließ die Jury ihn damals noch ohne große Erwartungen. Was sie lediglich spürten: Daniel war anders als die anderen Kandidaten. Zu dem Zeitpunkt ahnte nicht einmal der Godfather of Popmusic himself, welche enorme Bedeutung Daniel einmal für die Show haben würde. Und wie gut er zu vermarkten sein würde.
Als die beiden sich dann näher kennenlernten, überzeugte Daniel seinen Mentor aber mit seinem herausragenden Fleiß, seinem außerordentlichen Ehrgeiz und seiner fortwährenden Disziplin. Auch Thomas Stein ließ in einem Interview verlauten, dass Daniel im Gegensatz zu fünfzig anderen Kandidaten stets an sich gearbeitet