Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman


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keuchte der wohlbeleibte, nicht mehr ganz junge Mann. »Ich habe eben gehört…«

      »Du liebe Zeit! Wer weiß eigentlich noch nicht Bescheid?« Ekatarina lachte.

      »Eigentlich bin ich gekränkt, Komteß«, sagte Lehmann, nun wieder einigermaßen bei Puste. »Wieso wird die Landwirtschaft übergangen?«

      »Aber Sie werden doch nicht übergangen!« beeilte sich Elena zu versichern. »Selbstverständlich erwarten wir, daß Sie auch alle dabei sind!«

      »Ja, schon. Aber wir wollen auch aktiv mitwirken!« erklärte Lehmann.

      Tja. Aber wie?

      »Ich habe auch schon eine Idee!« sagte er nun eifrig, da die jungen Herrschaften offensichtlich keine hatten. »Wir holen die Frau Gräfin und den Herrn Doktor vierspännig ein!«

      »Toll!« schrie Jakob sogleich begeistert.

      »Und wie haben Sie sich das vorgestellt?« erkundigte sich Alexander vorsichtig.

      »Am Ortsausgang, wo von der Bundesstraße die kleine Privatstraße zu unsere Betrieb abbiegt, warten wir mit dem Wagen. Da soll das Brautpaar umsteigen…«

      »Und jetzt habe ich auch eine Idee, was wir machen können!« unterbrach Aribo jubelnd: »Wir reiten neben der Kutsche her! Wir drei und Alexander!«

      »Mensch, ja! Toll!« riefen alle begeistert, nur Jakob zog ein bekümmertes Gesicht: Reiten konnte er nicht – Gedichteaufsagen war wirklich nur etwas für kleine Mädchen. Aber Herr Lehmann wußte Rat:

      »Du überreichst der Frau Gräfin einen Blumenstrauß und sitzt dann neben mir auf dem Kutschbock!«

      Klar war Jakob begeistert – aber jetzt jammerte Ursula. Sie wollte auch mit in der Kutsche fahren!

      »Du kannst ja das Gedicht aufsagen, wenn die beiden umsteigen«, schlug Aribo vor, »und dann überreichst du deinen Blumenstrauß deinem Großvater und sitzt bei ihnen in der Kutsche!«

      Großartig! Jetzt war auch Ursula zufrieden.

      »Und selbstverständlich tragen wir dem Wagen die Standarte mit dem Wappen von unserer Omama voraus!« fiel es Elena noch ein.

      »Das Sturmecksche Wappen?« fragte Jakob beeindruckt.

      »Nö, das von Omama: sie ist eine geborene Baronin Greifenstein.«

      »Opa hat kein Wappen«, bedauerte Ursula.

      »Doch! Hat er!« behauptete Alexander Schönhausen lachend. »Wir besorgen für ihn eine Standarte mit dem Äskulap-Stab!«

      »Hurra!« schrien die Wenden-Kinder nun begeistert, und alle bedankten sich bei Herrn Lehmann für die hervorragende Idee mit der Kutsche.

      *

      Endlich brach der große Tag an. Wie bestellt versprach er ein herrlicher Sommertag zu werden. Die Schwalben stiegen hoch am tiefblauen Himmel, das Grün der Bäume und Büsche schien heute besonders tief und saftig, und die Blumen sahen aus, als hätten sie sich im Morgentau gebadet, damit ihre Farben extra strahlend leuchteten.

      Da man die genaue Ankunftszeit nicht wußte, hatte man einen »Späher« an den Ortseingang gestellt, der mittels Handy sofort Nachricht geben mußte. Die geschmückte Kutsche stand bereits am vorgesehenen Platz, und die festlich gekleideten Angestellten konnten es auch kaum mehr erwarten. Jeden Augenblick mußte das »junge, alte Paar« eintreffen!

      Alexander und die drei Sturmecks tummelten ihre blumengeschmückten Pferde, damit die hochgezüchteten Tiere nicht ungeduldig wurden. Jakob und Ursula sahen beeindruckt zu. Sie waren fest entschlossen, auch reiten zu lernen! Die Reiter trugen weiße Hosen, schwarze Sakkos und Stiefel, die jungen Herren Reitzylinder, wie für Dressur-Reiten üblich, die beiden Mädchen hatten sich Blumen in das Haar gesteckt.

      Ursula hatte ihr weißes Firmkleid an und gleichfalls einen Blumenkranz aus bunten Wiesenblumen auf dem Kopf, Jakob fühlte sich in seinem Anzug nicht recht wohl, aber er hatte eingesehen, daß er zu so einem festlichen Anlaß wirklich nicht in Jeans auftauchen konnte.

      Da ertönte das verabredete Signal: sie kamen!

      *

      Gräfin Eliane war erbost. Wo steckten heute nur alle? Kein Mensch war zu sehen! Niemand kam auf ihr wütendes Klingeln! Endlich hörte sie Schritte. Sie lief zur Tür des kleinen Speisesaals, in dem sie und Gotthard gefrühstückt hatten, und riß sie gereizt auf – nur, um mit ihrem Mann zusammenzustoßen, der außer Atem ankam.

      »Wo sind denn alle?« fragte sie zornig. »Ich läute hier…«

      »Mama kommt heim, und die Kinder haben einen Riesenempfang für sie vorbereitet!« keuchte er.

      »Was?« schrie sie mit sich überschlagender Stimme.

      »Wir müssen sofort hin!« stieß er noch immer atemlos hervor.

      »Fällt mir nicht im Traum ein!« fauchte Eliane.

      »Dann gehe ich alleine!« schrie er zurück. »Die Schönhausens sind auch da!«

      »Die Schönhausens…?« Sie war fassungslos.

      »Jawohl!« Gotthard war schon auf der Treppe. »Wir müssen uns entsprechend umziehen!«

      »Wir werden die letzten sein!« klagte Eliane, die nun hinter ihm her lief, endlich davon überzeugt, daß sie bei diesem Anlaß unmöglich fehlen durfte.

      »Besser spät, als überhaupt nicht!« stieß er hervor. Verflixt, wo waren nur der Cut und all das Zeug!? Natürlich hatte der Diener nichts für ihn vorbereitet!

      Atemlos kamen die beiden Sturmecks gerade noch rechtzeitig vor dem Kavaliershaus an…

      *

      »Die Kinder schwänzen heute die Schule!« sagte Dr. Peter Wenden zu Ilse.

      »Ja«, erwiderte sie verkniffen. »Sie haben einen großen Empfang für deinen Vater und die Gräfin arrangiert.«

      »Findest du nicht, daß wir eigentlich hingehen müßten?« überlegte ihr Mann.

      »Das fällt dir reichlich spät ein! Was ist mit deinen Patienten?« fuhr sie ihn an. Ein Empfang im Schloß – und sie hatten verpaßt, dabei zu sein!

      »Für eine Stunde kann ich mich frei machen«, beschloß Wenden.

      Er sagte seiner Praxishilfe Bescheid: »Ein Notfall. Es wird ungefähr eine Stunde dauern…« Zehn Minuten später verließen er und Ilse, feierlich gekleidet, das Haus.

      Etwas verlegen standen sie vor dem Kavaliershaus herum, bis Fürst Schönhausen von der tüchtigen Emma darauf aufmerksam gemacht wurde, um wen es sich bei dem Paar handelte.

      Liebenswürdig ging er auf sie zu, stellte sich vor und machte sie dann mit seiner Gemahlin bekannt. So waren sie bereits im Gespräch mit dem Fürstenpaar, als die Sturmecks wahrhaft stürmisch eintrafen.

      »Sie kommen!« schrie jemand.

      Und da bog die Kutsche um die Ecke…

      *

      »Was ist denn da vorne los?« fragte Dr. Andreas Wenden und schaltete den Wagen herunter. Sie waren auf der Straße hinter der Ortschaft, und er hatte gerade etwas Gas gegeben, bevor er in die Abzweigung zu Schloß und Gut Sturmeck einbog.

      »Das ist – das ist – oh, Andreas! Halt an!« rief Auguste, jetzige Frau Wenden. »Das ist für uns! Oh, Andreas! Sie erwarten uns! Welche Freude! Wie lieb von ihnen!« Ganz aufgeregt packte sie ihn am Arm.

      Jetzt erkannte auch Wenden das feierliche Begrüßungskommitée bestehend aus seinen Enkeln und den Sturmecks, hoch zu Roß. Kaum hatte sie angehalten, als Jakob und Ursula herbeiliefen und die Autotüren aufrissen.

      »Opa! Omama Auguste! Aussteigen!« riefen sie aufgeregt.

      Die beiden folgten natürlich, gerührt von der Überraschung, die ihre Enkel vorbereitet hatten. Waren sie eben noch müde gewesen? Alle Erschöpfung war verflogen!