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KINDERGEFÄNGNIS und andere verlassene Orte


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von vornherein geplant war. Im Keller befindet sich nur altes Gerümpel, keine Räuberhöhle.«

      »Wenn es so ist, sind wir schnell fertig. Gehen wir hinein.«

      Hinter einer Tür im Hausflur befand sich der Abgang zum Keller. Nyoko und Klaus schalteten ihre Taschenlampen ein. Sie erreichten eine vollgeräumte Kammer. Kisten, Blumentöpfe, Geschirr, rostige Geräte.

      Klaus sondierte den Kram. »Die Sachen wurden alle schon lange nicht mehr angerührt. Vielleicht bist du ausnahmsweise falsch gelegen.«

      »Wenn ich an die Fenster denke, ist dieser Raum viel zu klein. Es muss noch einen geben. Hier lässt das Gerümpel einen kleinen Gang frei, der als Einziges staubfrei ist. Du sagst doch immer, dass Spuren verwischen neue Spuren erzeugt. Schauen wir, wo das hinführt.«

      Sie kamen zu einem Kasten und öffneten ihn. Er war leer. Nyoko klopfte gegen die Rückwand. Hohl.

      Klaus inspizierte das Möbel. »Sieht so aus, als ob du dem Chef als Ausgleich für den Stress an seinem Geburtstag einen Erfolg schenken könntest. Vielleicht ist das eine Geheimtür. Ich suche den Öffnungsmechanismus.«

      »Den brauchen wir nicht.« Die Trägerin eines schwarzen Karategürtels beseitigte das letzte Hindernis auf dem Weg zum Geheimnis mit einem Fußtritt – Mikazuki Geri. Die Rückwand des Kastens leistete keinen Widerstand.

      Im Schein der Taschenlampen stand eine alte Apparatur. Klaus untersuchte sie. »Das ist eine Destillationsanlage. Haben wir einen Schwarzbrenner überführt?«

      »Hier befindet sich noch etwas. Ist es das, was ich befürchte?«

      »Du liebe Güte!«

      Vor ihnen standen Glaskolben, Laborkühler, verbunden mit Schläuchen, Bunsenbrenner, eine Waage. Auf einem weiteren Tisch stand eine Tablettenpresse.

      Klaus begutachtete die Chemikalienflaschen. »Das sind die Ingredienzien zur Herstellung von Amphetamin. Nyoko, du hast eine Speedküche aufgespürt.«

      Sie gingen wieder nach oben, wo gerade niederösterreichische Polizisten eintrafen, die über die Einmischung der Wiener Kollegen sehr erbost waren. Das legte sich aber, als Nyoko von ihrem Fund berichtete. Sie ging zu Kammerlander. »Es tut mir leid, aber ich befürchte, das wird doch ein längerer Baustopp. Klaus! Wir feiern jetzt den Geburtstag meines Chefs. Immerhin sind wir hier nicht zuständig.«

      Als Nyoko am nächsten Tag in ihr Büro kam, wurde sie von einem Chef empfangen, der viel entspannter als an seinem Festtag war.

      »Guten Morgen, Nyoko! Heute habe ich schon ein paar nette Telefonate geführt. Ich darf dir den Dank der niederösterreichischen Kollegen und des Drogendezernats sowie ein besonderes Lob des Polizeipräsidenten ausrichten.«

      »Der Präsident? War die Drogenküche so eine große Sache?«

      »Du hast ja keine Ahnung, was du da aufgestöbert hast. Eine Tablettenpresse hinterlässt eindeutige Individualspuren, vor allem wenn sie älter ist. Die Kollegen haben inzwischen interessante Zusammenhänge rekonstruiert. Du hast sicher noch die Daten des Röhrling-Falles im Kopf. Was war 2004?«

      »Franz Röhrling hat den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb aufgelassen und ist nach Wien gezogen.«

      »In diesem Jahr hat das Speedangebot in Wien deutlich zugenommen, vor allem Tabletten. Wir wissen jetzt, dass sie in der Drogenküche der Röhrlings produziert worden sind.«

      »Der Fabrikjob war also nur Tarnung. In Wirklichkeit ist er als Dealer nach Wien gekommen.«

      »Das sehen die Suchtgiftkollegen auch so. Kommen wir nach 2008.«

      »Der Selbstmord von Franz Röhrling.«

      »Kurz davor sind fünf junge Menschen an verunreinigtem Speed qualvoll gestorben, vermutlich ein Produktionsfehler. Das ist als ›Speed Kills‹-Fall in die Geschichte eingegangen und bis gestern nicht geklärt worden.«

      »Wahrscheinlich hatte Franz Röhrling doch noch ein paar menschliche Regungen und Gewissensbisse. Hat er sich selbst umgebracht oder wollte er sich stellen und ist von seinem Bruder gestoppt worden?«

      »Nach einigen Monaten hat sich in der Szene anscheinend niemand mehr daran erinnert. Der Verkauf ist nach einer kurzen Unterbrechung wie früher gelaufen. Was war voriges Jahr, also 2015?«

      »Der Unfall von Jakob Röhrling, bei dem auch eine Schusswaffe gefunden worden ist.«

      »Genau! Auf einem Foto der Hausdurchsuchung danach sieht man genau den Typ Seil, mit dem sich Franz Röhrling erhängt hat. Also hat wahrscheinlich Jakob seinen Bruder ermordet. Kurz nach dem Unfall sind die Speedtabletten endgültig aus dem Wiener Markt verschwunden. Was war gestern?«

      »Wir haben die Drogenküche gefunden und damit die Röhrlings als Urheber identifiziert.«

      »Noch in derselben Nacht hat die Suchtgiftabteilung mit den nun bekannten Namen die Ermittlungen wieder aufgenommen. Jakob Röhrling hat nach dem Tod seines Bruders ein Netzwerk von Dealern aufgebaut. Die Kollegen konnten schon drei Händler verhaften, die noch immer hochaktiv mit Substanzen anderer Hersteller waren.«

      Nyoko rief den Fotografen an und berichtete ihm die Neuigkeiten. Er erzählte ihr von seinem neuesten Projekt. »Ihr Anruf hat mich inspiriert, die Fabrik zu suchen, in der Franz Röhrling gearbeitet hatte. Jetzt stehe ich hier und es ist ein Einkaufszentrum. Es schaut genauso aus wie alle anderen Konsumtempel. Nur ein Stück einer Backsteinmauer der alten Fabrik hat der Architekt als künstlerisches Element stehen gelassen. Sogar ein paar Rohre hängen dran. Die sind aber nicht original, sondern bei der Errichtung des Einkaufszentrums angebracht worden. Man hat die Teile sogar künstlich gealtert. Fotomotiv finde ich hier keines, wenn ich nicht in die Werbebranche einsteigen will.«

      »Das ist schade. Ich habe einmal Kintsugi-Schalen aus maschineller Fertigung gesehen. Die Scherben sind bei allen exakt gleich und das Gold ist nicht echt. Dafür sind sie billig.«

Fotograf: Sebastian Schwarz

      kindergefängnis | Peter Paul Wiplinger

      im halbdunkel des kellers stehen mit dem gesicht zur kalkweißen wand nur durch ein hoch oben knapp über dem gehsteig angebrachtes kleines fenster einem sogenannten gugerl fällt etwas licht herein und zerteilt das dunkel in hellere und dunklere bereiche des zweiräumigen kellers in dem es modrig riecht nach eingelagerten erdäpfeln und sauerkraut nach möhren und sellerie im sand und nach katzenurin und katzenkot in diesem gemüsebeetkatzenklo unbeweglich stehen dass du dich ja nicht rührst und schon gar nicht anlehnst oder woanders hinstellst hatte die erzieherin dieses ehemalige bdm-weib eindringlich und in scharfem ton zu mir gesagt bevor sie die vergitterte tür hinter sich schloss den reiber umdrehte sodass sich die tür von innen nicht mehr öffnen ließ selbst nicht mit gewalt jedenfalls nicht mit der kraft die ich als kleiner bub mit etwa acht bis zehn jahren hatte und dann schloss sie auch noch die zweite türe die flügeltüre am ausgang des zweiten kellerraumes und drehte das licht ab sodass es zuerst ganz dunkel war und wie mir schien sich der erste raum in dem ich stand erst ganz langsam durch das licht das durch das kleine schmale gleichfalls mit einem feinmaschigen drahtnetz vergitterte kellerfenster hoch oben an der kante zum gewölbten plafond hereindrang erhellte auch wenn du schreist wird dich niemand hören hatte die erzieherin noch triumphierend gesagt auch wenn du noch so sehr schreist wird dich draußen niemand hören der keller lag ja tief unten und die steinernen mauern waren vielleicht mehr als einen meter dick nein da wird dich niemand hören sagte ich zu mir selber in diesem gefängnis in diesem verlies wie der gefangene ritter löwenherz kam ich mir vor versetzte mich in diese seine lage als gefangener im verlies irgendeiner burg in dürnstein sagte mir später einmal eine lehrerin und diese fantasievorstellung ein gefangener ritter und nicht ein geschlagener im keller meines elternhauses eingesperrter bub zu sein erleichterte mir mein los durch diese heroisierung ich war kein niemand mehr wie man mir gesagt hatte sondern doch ein jemand ein eingesperrter ritter in einem dunklen verlies einer