Form einer rein juristischen Abhandlung, sondern sind speziell auf die mit dieser Thematik befassten Mitarbeiter im Krankenhaus zugeschnitten.
Da das Werk im Wesentlichen auf den zahlreichen Anfragen der Krankenhäuser basiert, die die Autorinnen als zuständige Referentinnen der Rechtsabteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft bearbeiten, hoffen sie, dass sich die Ausarbeitung durch eine besondere Praxisnähe auszeichnet und eine nützliche Arbeitshilfe in der täglichen Krankenhauspraxis sein wird.
Berlin, im November 2020
Andrea Hauser und Ina Haag
I Grundlagen
Daten über den Gesundheitszustand weisen einen starken Bezug zur Intimsphäre auf und geben Auskunft über seelische und körperliche Leiden, Eigenschaften und Dispositionen; sie sind mithin äußerst sensibel. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass sich Patienten vertrauensvoll in ein Krankenhaus begeben können, ohne befürchten zu müssen, dass die Informationen, die sie zum Zwecke der Behandlung über sich offenlegen, zu ihrem Schaden oder Nachteil genutzt werden.1
Datenschutz im Gesundheitswesen hat also das Ziel, die Patienten davor zu schützen, dass Informationen über ihren Gesundheitszustand ohne Rechtsgrundlage erhoben, verarbeitet oder weitergegeben werden und die Betreffenden so nicht mehr erfahren, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.
Insbesondere die automatisierte Datenverarbeitung eröffnet heutzutage die Möglichkeit, Daten aus unterschiedlichen Datenbeständen in kürzester Zeit und in großem Umfang selbst über große Entfernungen abzurufen.
1 Das informationelle Selbstbestimmungsrecht – Historie
Im Jahre 1983 überprüfte und definierte das BVerfG2 die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Datenschutzes von Grund auf neu. Ursache dieser Überprüfung waren Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz)3 vom 25. März 1982. Das Gesetz ordnete eine umfangreiche Totalerhebung gegenüber allen volljährigen oder einen eigenen Haushalt führenden minderjährigen Personen in Deutschland an. Abgefragt wurden – unter Anordnung einer Auskunftspflicht – u. a.
• Angaben über die (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft,
• die Quelle des überwiegenden Lebensunterhalts,
• die erzielten Schulabschlüsse,
• die Art der Beteiligung am Erwerbsleben,
• die Eigenschaft als Insasse einer Anstalt oder die Zugehörigkeit zum Personal der Anstalt,
• die Art, Größe, Ausstattung der Wohnung,
• detaillierte Angaben über die Arbeitsstätte,
• die Summe der Bruttolöhne und -gehälter des vorangegangenen Kalenderjahres sowie
• diverse weitere Daten.
Das Vorhaben führte zu massiven öffentlichen Diskussionen und Protesten. Da das Gesetz im Bundestag keinerlei Kontroversen ausgelöst hatte und – entgegen den von Datenschutzbeauftragten und anderen Experten erhobenen Bedenken – einstimmig verabschiedet worden war, existierte keine parlamentarische Opposition, die auf eine detaillierte verfassungsrechtliche Prüfung der Reichweite und Grenzen staatlicher Informationserhebung gedrängt hätte. Daher blieb den Betroffenen zur Durchsetzung eines kurzfristigen Stopps der Volkszählung nur, das BVerfG anzurufen.
Vorausgegangen waren dem Volkszählungsgesetz mit der »Mikrozensusentscheidung«4 und dem »Scheidungsaktenbeschluss«5 des BVerfG bereits grundlegende Ausführungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zur informationellen Selbstbestimmung:
So hatte das BVerfG in der » Mikrozensusentscheidung« ausgeführt, dass es mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren sei, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könne, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich sei. Eine statistische Befragung zur Person könne deshalb dort als entwürdigend und als Bedrohung des Selbstbestimmungsrechts empfunden werden, wo sie den Bereich menschlichen Eigenlebens erfasse, der von Natur aus Geheimnischarakter habe.
Im » Scheidungsaktenbeschluss«6 erklärte das BVerfG die Vorlage von gerichtlichen Scheidungsakten an den Dienstvorgesetzten eines Beamten zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens für verfassungswidrig. Dabei betonte es, dass das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gewähre, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen sei. Das verfassungskräftige Gebot einer Achtung der Intimsphäre des Einzelnen habe seine Grundlage in dem durch Artikel 2 Abs. 1 GG verbürgten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Angesichts der schnellen Entwicklung der automatisierten Datenverarbeitung erwiesen sich diese Entscheidungen bald als nicht mehr ausreichend und lückenhaft.
Insofern bot das Volkszählungsgesetz die Möglichkeit, die gesamte bisherige Datenschutzproblematik neu zu ordnen. Mit dem Urteil vom 15. Dezember 19837 hat das BVerfG diese Gelegenheit wahrgenommen und beim Volkszählungsgesetz deutlichen Korrekturbedarf angemahnt. Dabei war das sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Antwort des BVerfG auf die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlage des Datenschutzes.8 Das BVerfG stellte im Wesentlichen wie folgt fest:
»Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, (…). Ihrem Schutz dient (…) das in Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht (…). Die bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung umschreiben den Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend. Es umfasst (…) auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (…) Recht auf informationelle Selbstbestimmung (…)
Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. (…)« [hervorgehoben durch die Verfasser]
Mit dieser Ableitung des informationellen Selbstbestimmungsrechts aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hat das BVerfG die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Datenschutzes neu definiert, ohne ein neues Grundrecht zu schaffen.9 Das BVerfG hat vielmehr aus dem Grundgesetz selbst folgende Datenverarbeitungsbarrieren abgeleitet:
• Die wichtigste Barriere folgt aus dem Erfordernis einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber hat konkrete Datenverarbeitungssituationen zu definieren, seine daran geknüpften Informationserwartungen zu präzisieren und auf diese Situationen zugeschnittene Verarbeitungsbedingungen vorzugeben. Nur eine solche, Art, Umfang und Verwendungszweck der erhobenen Daten klar beschreibende Rechtsgrundlage kann den Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht rechtfertigen.