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Band 244
Iratio
Rüdiger Schäfer
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Das Jahr 2090: Ein halbes Jahrhundert nachdem die Menschheit ins All aufgebrochen ist, bildet die Solare Union die Basis eines friedlich wachsenden Sternenreichs. Aber die Sicherheit der Menschen ist gefährdet: durch interne Konflikte und externe Gegner, zuletzt durch das mysteriöse Dunkelleben.
Eigentlich hat Perry Rhodan gehofft, diese Gefahr gebannt zu haben. Doch überall dort, wo der skrupellose Iratio Hondro aktiv ist, bleibt das Dunkelleben eine Bedrohung. Welche Schicksalsschläge und Einflüsse haben Hondro zum erbitterten Widersacher von Perry Rhodan gemacht? Wie hat er die unheimlichen Kräfte erlangt, mit denen er sich ganze Planeten untertan machen kann?
Während Hondro zum entscheidenden Schlag ausholt, der ihn zum Alleinherrscher der Menschheit machen soll, wirft der Plophoser einen Blick zurück auf sein Leben. Alles begann mit der Leidensgeschichte eines Jungen namens IRATIO ...
Prolog
Die Flucht mit dem Dolphin war – wenngleich nur knapp – gelungen. Die Außenbeobachtungsholos in der engen Zentrale des Raumboots zeigten die langsam kleiner werdende Kugel von Olymp. Der im Weltraum bei der Freihandelswelt installierte Situationstransmitter befand sich gerade in einer seiner aktiven Phasen. Der rot glühende Reifen aus ionisiertem Helium-3 war selbst aus dieser Entfernung deutlich zu erkennen. Iratio Hondro hatte den Anblick des Ganglions, der hyperenergetischen Verlängerung des Transmitterhalbraumkanals, in den vergangenen Jahren schon oft am Himmel über Trade City bestaunt.
Nachdenklich hob er seine linke Hand und betrachtete den unförmigen Klumpen aus einer schwarzen, sirupartigen Substanz, der auf den ersten Blick wie ein primitiver Fäustling wirkte. Erst bei näherem Hinsehen fiel auf, dass sich der Klumpen bewegte. Lange, hauchzarte Fäden schoben sich wie Spinnweben über die leicht glänzende Oberfläche, unter der hin und wieder ein Stück rotes Fleisch zum Vorschein kam. Schmerzen hatte Iratio nicht. Er spürte nur ein sanftes, nicht unangenehmes Kribbeln, das seinen kompletten Arm erfasst hatte und bis in die Schulter reichte.
Ich regeneriere mich, sinnierte er. So wie bei einer Eidechse der Schwanz nachwächst, bildet sich bei mir eine neue Hand aus. Erstaunlich ...
Die Erinnerung an den Kampf gegen den Baphomet war noch frisch. Die Kreatur hatte ihn fasziniert. Wenn alles erst einmal vorbei war, wenn er seinen Plan vollendet hatte und die Menschheit unter seiner Herrschaft ihren rechtmäßigen Platz im Universum einnahm, würde er sich auch um Andromeda kümmern. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, diese großartigen Soldaten der Meister der Insel wiederzubeleben.
Wo die Hand in den Arm überging, sah Iratio bereits neu gebildete Haut. Sogar die winzigen Härchen, die dort früher gewachsen waren, waren schon wieder vorhanden. Zwei, höchstens drei Stunden noch – dann hatte er seine Hand zurück. Er bewegte probehalber das Gelenk; es fühlte sich noch etwas steif an, aber das würde sich geben.
Der Einsatz auf Olymp war nicht in allen Aspekten nach Wunsch verlaufen, aber seine wesentlichen Ziele hatte er erreicht. Nun konnte er ein wenig ausruhen. Nicht lange, aber lange genug, um Kräfte für den finalen Vorstoß zu sammeln. Die Köder waren ausgelegt. Alle Spielfiguren waren an ihren Positionen. Perry Rhodan und seine Freunde hatten nicht den Hauch einer Ahnung, was auf sie zukam.
Iratio atmete tief ein und wieder aus. In seinem Kopf flüsterten die unzähligen Gedankenstimmen der Menschen und Außerirdischen im Castorsystem. Er verzichtete darauf, sich auf einzelne davon zu konzentrieren, sie aus der Wolke herauszufiltern und sich von ihren kleinlichen Sorgen und Nöten, ihrer Selbstgefälligkeit und Unvernunft langweilen zu lassen. In der Masse waren sie erträglich. Einzeln brachten sie ihn aus der Fassung.
Individualität. Freiheit. Iratio lachte spöttisch. Diese Ideale, an die Perry Rhodan offenbar so fest und unverbrüchlich glaubte, existierten in Wahrheit gar nicht. Einzigartigkeit und Selbstbestimmung machten den Menschen Angst. Zumindest den allermeisten.
Menschen wollten geführt werden. Sie wollten Sicherheit, einen bescheidenen Wohlstand, ein planbares Leben ohne Unwägbarkeiten und Überraschungen. Wer ihnen das garantierte, dem leckten sie bereitwillig die Stiefel. All das Gefasel über geistige Entfaltung und kulturelles Wachstum war nichts als heiße Luft. Menschen waren dumm und bequem. Punkt.
Diese Erkenntnisse hatte Iratio keineswegs nur theoretisch verinnerlicht. Sie beruhten auf seiner Erfahrung und dem langjährigen Studium der menschlichen Natur. Wenn man über einen halbwegs funktionierenden Intellekt verfügte, konnte man zu gar keinen anderen Schlüssen gelangen.
Er drehte seine unförmige Hand hin und her. An ihrer Spitze konnte er bereits schmale Erhebungen erkennen, die sich zu Fingern ausbildeten. Ja, die menschliche Natur.