Osho

Zen – Den Klang der Stille hören


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      Dieses Buch ist ein Transkript aus einer Original-Vortragsserie, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaft gehalten hat. Die Vorträge sind bisher unter dem englischen Original-Titel Ancient Music in the Pines publiziert worden. Alle Diskurse Oshos sind als vollständige Bücher publiziert worden und auch als Audios und /oder Videos erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der online-Bibliothek „Osho Library“ bei: www.osho.com

      Titel der Originalausgabe:

       Ancient Music in the Pines

      Ebookausgabe 2020

      Umschlaggestaltung: Silke Watermeier, www.watermeier.net

      Übersetzung: Prem Nirvano

      Copyright© 1976, 2009 Osho International Foundation, Zürich, Schweiz

      Copyright© 2011, Innenwelt Verlag GmbH, Köln

      OSHO ist eine registrierte Handelsmarke der Osho International

      Foundation, www.osho.com/trademarks

      Alle Rechte vorbehalten.

      Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise,

      nur mit Genehmigung des Verlags

       www.innenwelt-verlag.de

      eISBN 978-3-947508-77-8

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       Inhalt

       1 Der innere Konflikt zwischen linker und rechter Hirnhälfte

       2 Die Bedeutung von Reife

       3 Der Heiligenschein des Yakushi-Buddha

       4 Sei dir selbst ein Licht

       5 Das eigentliche Geheimnis der Schwertkunst

       6 Über Verrückte und ergebene Anhänger

       7 Der Idealzustand des Denkens

       8 Leben, Tod und Liebe

       9 Ins Schwarze getroffen

      Gosa Hoyen hatte die Gewohnheit, allen, die ihn fragten, was Zen sei, folgendes zu antworten:

      „Wenn ich nach Zen gefragt werde, erzähle ich gern diese Geschichte: ‚Als der Sohn eines Einbrechers merkte, dass sein Vater alt wurde, bat er seinen Vater, ihn in seine Kunst einzuweihen, damit er das Familiengeschäft nach seinem Tod weiterführen könne, wenn sich der Vater zur Ruhe setze. Der Vater willigte ein und nahm ihn noch am selben Abend zu einem Einbruch mit.

      Kaum hatte er eine große Kleidertruhe geöffnet, forderte er seinen Sohn auf, hineinzusteigen und die Gewänder an sich zu nehmen. Sobald der Junge drin war, verschloss der Vater die Truhe und begann so laut zu lärmen, dass das ganze Haus erwachte und machte sich leise aus dem Staub. Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein – bis ihm blitzartig eine Eingebung kam: Er miaute wie eine Katze.

      Man schickte eine Magd mit einer Kerze, um die Truhe zu untersuchen. Kaum wurde der Deckel gehoben, sprang der Bursche raus, blies die Kerze aus, schob die erstaunte Magd beiseite und suchte, von allen verfolgt, das Weite.

      Am Straßenrand sah er einen Brunnen, warf einen dicken Stein rein und verschwand im Dunkeln. Seine Verfolger scharten sich um den Brunnen und reckten die Hälse, um den Einbrecher ertrinken zu sehen.

      Kaum wieder zu Hause, beschimpfte er seinen Vater, doch als er ihm zu erzählen begann, wie er entkommen war, sagte der Vater nur: ‚Vergiss die Einzelheiten: Du bist wieder da – folglich hast du die Kunst erlernt.

      1. Kapitel

       Der innere Konflikt zwischen linker und rechter Hirnhälfte

      DAS SEIN IST EINS, DIE WELT IST MANNIGFALTIG. UND ZWISCHEN den beiden steht der zweigeteilte Verstand, der duale Verstand. Es ist genau wie mit einem großen Baum, einer uralten Eiche: der Stamm ist eins, dann aber teilt er sich auf in zwei Hauptäste, die Hauptgabel, die sich daraufhin unzählige Male erneut gabelt.

      So wie der Baumstamm eins, ungeteilt ist, so ist es auch das Sein. Der Verstand ist seine erste Gabelung, wo sich der Baum entzweit, dual wird, dialektisch wird: zu These und Antithese, Mann und Frau, Yin und Yang, Tag und Nacht, Gott und Teufel, Yoga und Zen.

      Jede Dualität der Welt beruht letztlich auf dem Dualismus des Verstandes, aber darunter befindet sich die Einheit des Seins. Wer tiefer geht, der stößt unterhalb der Dualität auf das Eine – nennt es Gott oder Nirvana oder wie ihr wollt. Wer sich durch diese Dualität aufwärts bewegt, der stößt auf die millionenfache Vielfalt der Welt. Dies gilt es grundsätzlich zu verstehen: dass der Verstand nicht eins ist. Somit wird alles, was man durch den Verstand sieht, zweierlei. Das ist so, wie wenn ein weißer Lichtstrahl durch ein Prisma geht: Augenblicklich teilt er sich in sieben Farben und wird zum Regenbogen. Bevor das Prisma dazwischentrat, war er eins; durchs Prisma gesehen aber zerteilt sich sein Weiß in die sieben Farben des Regenbogens.

      Die Welt ist ein Regenbogen, der Verstand ist ein Prisma, und das Sein ist der weiße Strahl. Die moderne Forschung hat eine sehr wichtige Entdeckung gemacht, eine der wichtigsten dieses Jahrhunderts, nämlich dass man nicht nur eines Sinnes ist, sondern zweier Sinne. Euer Gehirn ist in zwei Hälften geteilt, die rechte und die linke Hirnhälfte. Die rechte ist mit der linken Hand verknüpft und die linke ist mit der rechten Hand verknüpft – überkreuz. Die rechte Hirnhälfte ist intuitiv, unlogisch, irrational, poetisch, platonisch, fantasiebegabt, romantisch, mythisch, religiös; die linke Hirnhälfte ist logisch, rational, mathematisch, aristotelisch, wissenschaftlich, berechnend. Die beiden Hälften liegen im Dauerstreit. Die eigentliche Politik der Welt läuft in eurem Innern ab! Das mag euch zwar nicht bewusst sein, aber das, worauf es ankommt, liegt zwischen diesen beiden Mentalitäten.

      Die linke Hand hat mit der rechten Hemisphäre zu tun, also mit Intuition, Vorstellungskraft, Mythos, Dichtung, Religion. Die linke Hand wird regelrecht verurteilt. In der Gesellschaft geben die Rechtshänder den Ton an; „rechtshändig“ heißt linke Hemisphäre. Zehn Prozent aller Kinder kommen als Linkshänder zur Welt, doch sie werden zur Rechtshändigkeit gezwungen. Linkshändige Kinder sind im Grunde irrational, intuitiv, unmathematisch, nicht-euklidisch. Sie stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar – die alles tut, um sie zur Rechtshändigkeit zu zwingen. Es ist nicht nur eine Frage der Hände, sondern eine Frage der inneren Politik: Ein linkshändiges Kind lebt die rechte Hemisphäre aus. Das kann die Gesellschaft nicht dulden, es ist gefährlich; dem muss Einhalt geboten werden, bevor es ausufert.

      Man geht davon aus, dass das Verhältnis ursprünglich wohl fifty-fifty gewesen sein muss: fünfzig Prozent rechtshändige Kinder, fünfzig Prozent linkshändige Kinder. Aber die Partei der Rechtshänder herrscht nun schon so lange, dass die Proportion mit der Zeit auf zehn zu neunzig Prozent geschrumpft ist. Selbst viele unter euch hier dürften Linkshänder sein, ohne dass ihr euch dessen bewusst seid.