Claire D. Anderson

Audreys Geheimnis | Erotischer Roman


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hab es ja selbst noch nicht realisiert, dass ich hier bin. Ich bin erst heute früh gelandet ...«

      »... und dein erster Weg führt dich zu mir. Ich fühle mich geehrt«, sagte er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht und machte einen Diener. »Lass dich anschauen, Mädchen ...«

      Er umschloss meine Schultern mit seinen riesigen Händen und drehte mich vorsichtig hin und her. Seine Berührung schickte kleine Stromstöße durch meinen Körper und ich begann, mich über mich selbst zu ärgern. Was war los mit mir?

      »Ich ... ich bin gar nicht absichtlich hergekommen«, sagte ich eine Spur zu schroff und trat einen Schritt zurück.

      Ich war mir selbst nicht ganz geheuer. Jacob zog die Augenbrauen hoch und betrachtete mich. Er schien die Kälte zu spüren, die von mir ausging.

      »Was kann ich dir bringen?«, fragte er ganz geschäftsmäßig, rührte sich aber nicht von der Stelle.

      Mir tat mein Verhalten leid. Ich hatte ihn nicht kränken wollen. Etwas versöhnlicher wandte ich mich um und studierte die Kreidetafeln über der Bar.

      »Hm ... was empfiehlst du?«, fragte ich schließlich mit einem Lächeln.

      Jacob musterte mich immer noch neugierig, jedoch ein wenig verhalten.

      »Lass mich dich überraschen«, sagte er schließlich und begann, hinter der Bar zu hantieren. Nach wenigen Minuten stand eine große Tasse Kaffee vor mir, liebevoll zubereitet mit Schaum und Karamell, dazu servierte er einen Cupcake.

      »Probier mal, geht aufs Haus«, sagte er, kam wieder auf meine Seite des Tresens und setzte sich neben mich.

      »Und jetzt erzähl – warum bist du wieder hier?«

      Seine Nähe brachte mich aus dem Konzept. Ich starrte ein paar Momente lang auf den Kaffee und den Minikuchen vor mir. Ich erinnerte mich daran, wie wir als Kinder gewesen waren, blendete aber die Schatten aus, die sich im Teenageralter über uns gelegt hatten. Daran konnte ich jetzt nicht denken.

      Langsam hob ich den Blick, bis er schließlich seine Augen fand. Ich schien mit ihnen zu verschmelzen. Mein Herz begann für einen Moment zu rasen. Ob es ihm wohl ähnlich ging? Er schaute mich an, als würde er mich zum ersten Mal sehen. Er sah wirklich verdammt gut aus. Und ihm gehörte dieses Café!

      Jeder von uns hatte auf seine eigene Art den Weg aus dem dunklen Sumpf gefunden, der aus falschen Freunden, Drogen und Sex bestanden hatte, aber über all die Jahre war eines gleich geblieben: Füreinander hatten wir – bis auf wenige Momente – immer Respekt empfunden, waren ehrlich zueinander gewesen, wir, die wir durch unsere Familien nebeneinander ins Leben gestellt worden waren – ich mit meinem nach außen hin perfekten Elternhaus, er mit seiner zerrütteten Herkunft voller Schmerz und Leid, das sie einander gegenseitig zugefügt hatten. Und wie durch eine Fügung war der erste Mensch, der mir hier zu Hause in Colante begegnete, genau er. Und so begann ich zu erzählen.

       FLUCHT.

      Und Jacob hörte zu. Durch den Jetlag und den wenigen Schlaf, den ich bekommen hatte, verlor ich langsam jegliches Zeitgefühl. Ich schätze, wir saßen etwa eine Stunde an der Bar, bevor er sich kurz entschuldigte, mit jemandem vom Personal sprach, meine Kaffeetasse und den Teller schnappte und mich in eine winzige Wohnung über dem Café führte. Für sich selbst holte er ein Bier aus dem Kühlschrank. Die Wohnung war genauso gemütlich wie das Café darunter. Er öffnete ein paar Fenster, sodass ich die Musik vom Markt unter uns hören konnte, das sich mit dem Gemurmel der Menschen und dem Gelächter der Gäste vor dem Café vermischte.

      Ich erzählte Jacob von meinem Leben in Amerika, von dem Romanentwurf, den ich geschrieben hatte, von meiner Tante Marie und ihrem Mann, die mich so liebevoll aufgenommen hatten, von Luke, der mir drüben das Gefühl von Sicherheit gegeben und mich schließlich doch verlassen hatte, und, dass ich zurückgekommen war, um die Anwälte meiner Eltern zu treffen und mein Erbe zu regeln.

      Natürlich erkundigte ich mich auch nach Jacobs Familie.

      »Weißt du, seit der großen Erbschaftsverteilung ist wirklich nichts mehr, wie es einmal war. Pa ist zwar immer noch der Alte – einfach nicht unterzukriegen mit seiner Zuversicht und Fröhlichkeit – aber Ma hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Sie ist verschlossener geworden, trifft sich weniger mit anderen Leuten als früher ... Klar, sie organisiert nach wie vor ihre Wohltätigkeitsveranstaltungen, fördert junge Künstler, kümmert sich um alles, aber manchmal glaube ich, dass ihr die Streitigkeiten doch mehr zugesetzt haben, als sie jemals zugeben würde. Es gab da einige eigenartige Situationen, aber ... ich will dich wirklich nicht damit langweilen...«, sagte Jacob.

      »Ach komm, von mir weißt du mittlerweile alles, was ich inzwischen angestellt habe ... wie bist du denn zu diesem Café gekommen?«, fragte ich, um von dem Thema abzulenken, das ihn sichtlich belastete.

      »Da war viel Glück im Spiel. Und Evan hat einfach ein tolles Händchen für die Geschäfte. Ich bin eher für die Unterhaltung zuständig, weißt du. Wir hatten erfahren, dass die Buchhandlung, die früher hier drin war, schließen musste. Natürlich standen die Gebote für das Haus hoch, schließlich ist es direkt an der ›Old Box‹ und jeder weiß, wenn er hier ein Geschäft aufmacht, wird es zum Selbstläufer ... aber Evan hat toll verhandelt und schließlich haben wir den Zuschlag bekommen. Wir haben wochenlang umgebaut und renoviert, Möbel gekauft, dann musste die Küche und die Bar gemacht werden – es war der Wahnsinn ...«

      Jacob verstummte und sah mich forschend an.

      »Bist du müde?«, fragte er mich besorgt und strich mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.

      »Ein wenig«, gestand ich.

      »Und Hunger musst du ja auch haben!«, fiel ihm ein.

      Es musste bereits später Nachmittag sein.

      Ich nickte.

      »Ich nämlich auch. Warte ein paar Minuten, ich hol’ uns was von unten.«

      Damit stand er auf und verschwand durch die Tür nach unten ins Café. Ich streckte mich auf der Couch aus.

      Mir war klar, dass ich bald gehen musste. Doch Jacobs Nähe war wie eine Droge für mich. Ich konnte nicht genug von ihm bekommen. Während ich auf ihn wartete, schloss ich die Augen. Wie kam es, dass er mir so gefehlt hatte? Und, vor allem, wie kam es, dass mir das nie aufgefallen war? Wir hatten über die Jahre, in denen ich in Amerika gewesen war, keinen Kontakt gehabt – er hatte zwar artig auf den Weihnachts- und Geburtstagskarten seiner Mutter unterschrieben, die sie mir immer geschickt hatte, aber darüber hinaus ... ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Vor allem, weil er mit einem Teil meiner Vergangenheit verknüpft war, an den ich mich bei Gott nicht erinnern wollte. Die Träume waren schon viel seltener geworden, und ich wollte nichts wieder heraufbeschwören, wenn es nicht unbedingt notwendig war.

      Dennoch wanderten meine Gedanken zurück, ich konnte sie nicht daran hindern. Und als würden sie mich über einen tiefen Graben tragen, den ich drumherum aufgebaut hatte, war ich plötzlich wieder dort.

      Ich sah uns vor mir, mit den anderen, als wir zum ersten Mal in den Keller der Lust gingen, wie wir ihn nannten. Irgendjemand hatte jemanden gekannt, der jemanden kannte, der an Kokain kam. Als Gegenleistung sollten wir mit verbundenen Augen in einem Raum zu sphärischer Musik tanzen. Das war der Anfang. Wir waren sieben junge Leute, drei Mädchen und vier Jungs, und wir waren auf Abenteuer aus.

      Natürlich war uns langweilig. Wir wollten mehr vom Leben spüren, mehr sehen, als uns die Reichtümer unserer Elternhäuser bieten konnten. An einem schwülen Sommertag trafen wir also in einer schmuddeligen Seitengasse des alten Viertels von Colante auf unseren Lieferanten, einen schmierigen Typen, dem ein Schneidezahn fehlte. Er führte uns die Stufen hinab in einen dunklen Keller. Wir drängten uns aneinander. Jacob stellte sich damals schon schützend vor mich. Gerade hatten wir unsere pubertären Differenzen überwunden und er hatte begonnen, den Beschützer für mich zu spielen. Aber wir waren noch so jung! Und beschützen konnte er am Ende niemanden von uns.

      Während uns die Augen verbunden wurden, begann die